Das Badische Staatstheater Karlsruhe zeigt mit Pietro Mascagnis „Cavalleria rusticana“ und Ruggero Leoncavallos „Pagliacci“ ein „unverwüstliches Doppelpaket der Operngeschichte“. Die beiden italienischen Opern gelten als Gründungsakt der veristischen Oper Ende des 19. Jahrhunderts.
Die Übernahme vom Oldenburger Staatstheater ist ein programmatischer Baustein der neuen Intendanz von Christian Firmbach mit bewährten musikalischen Kräften unter der Leitung von Johannes Willig.
Dabei ist im strengen Sinne nur Mascagnis sizilianische Bauernehre ein Beitrag zum Realismus in der Gesangskunst, während Leoncavallos Eifersuchtsdrama einer Volkstheatertruppe eigentlich eine Reflexion über Theater auf dem Theater ist und damit Wirklichkeit eher hinterfragt als bestätigt.
Grandiose Sängerinnen und Sänger
Das funktioniert, weil grandiose Sängerinnen- und Sängerdarsteller am Werk sind. Ann-Beth Solvang als geschändete Santuzza ist enorm bewegend. Im Orchesterzwischenspiel mit seinem langsamen Walzerrhythmus tanzt sie mit Alfio, den sie gerade in einem explosiven Duett zum Mord an Turridu aufgestachelt hat. Ein atemberaubender Totentanz. Das ist kein Aperçu, sondern wird von Hilsdorf brillant weitergedacht.
Karneval der Toten in Leoncavallos „Pagliacci“
Nach den „blutigen Ostern“ der „Cavalleria rusticana“ findet der „Mardi Gras“, der Karneval der Toten in den „Pagliacci“ als böse Komödie auf der improvisierten Bühne statt. Der von Alfio erstochene und auf dem Tisch aufgebahrte Turridu richtet sich als Canio wieder auf und dreht den Spieß um. Aus dem Opfer wird der Täter.
Er lauert Nedda auf, die seinem Theater der Gewalt mit Silvio entkommen will. Käme ihr nun nicht der verwachsene Tonio dazwischen, in den sich der brutale Alfio verwandelt hat. Diese wiedergängerische Verschränkung der beiden Opern lässt einen den langen Abend gebannt auf der Sitzkante verfolgen. Ein mit filmischer Präzision durchgeführter Opernkrimi als Spiegelbild.
Vogelkoloraturen zum Niederknien
Es ist eine Tour de Force, die von einem bis in die Haarspitzen homogenen Ensemble brillant ausgeführt wird. Milen Bozkhov als Turridu und Canio. Mit seiner fabelhaften Tenorstimme erinnert er an Enrico Caruso, den legendären Interpreten dieser Partien. Kihun Yoon ist als Alfio und Tonio spielerisch wie sängerisch von unfassbarer Wandlungsfähigkeit. Wie Ina Schlingensiepen sich als Nedda in die Vogelkoloraturen schraubt, ist zum Niederknien.
Beim Chor klappert es gelegentlich zwischen Graben und Bühne. Aber er setzt mit Hingabe all die szenischen Details um. Johannes Willig durchleuchtet die Feinheiten des orchestralen Gewebes im sizilianischen Bauerndrama, die „Pagliacci“ zieht er dann mächtig zu großer Spiellust an.
Der Doppelabend ist der Triumph eines Altmeisters der Regie. Nur altmodisch ist dabei gar nichts. In Karlsruhe kann man ein Meisterstück aus zwei Meisterwerken erleben.
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