Zirkus, Pantomime oder Puppentheater

„Imaginale“ 2025: Das städteübergreifende Festival für Figurentheater

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Autor/in
Sophia Volkhardt
Sophia Volkhardt
Kristine Harthauer
Kristine Harthauer, SWR Kultur Autorin und Moderatorin

Das Figurentheater vereint viele Künste: Die „Imaginale“ zeigt in Stuttgart, Mannheim oder Heilbronn die ganze Vielfalt.

Es ist eines der größten Festivals seiner Art in Deutschland: Die „Imaginale“ macht deutlich, was alles ins Genre der animierten Formen gehört.

Seit 2008 präsentiert das Festival in Stuttgart, Mannheim, Heilbronn, Eppingen, Schorndorf und Ludwigsburg Figurentheater im Grenzbereich zu Tanz, Neuem Zirkus und Digitalkunst. Die städteübergreifende Großveranstaltung gehört zu den größten deutschen Figurentheaterfestivals.

Frau mit einem Teddybären
„Bär. Ein Zeitzeuge erzählt“: Ein dokumentarisches Objekttheater zur Verfolgung während der NS-Diktatur und über die generationsübergreifende Weitergabe traumatischer Erfahrungen, erzählt aus der Sicht eines Teddybären.

Figurentheater aus aller Welt im Südwesten

Die Beiträge kommen 2025 aus aller Welt: Neben Künstler*innen aus Deutschland sind auch Beiträge aus Belgien, El Salvador, Frankreich, Irland, Israel, Italien, Kanada, Kuba, Lettland, Mexiko, Niederlande, Schweden, Schweiz, Slowenien, Spanien und Südafrika mit dabei.

Digitale Medien treffen auf Macbeth

Festivalleiterin Katja Spiess sagt in SWR Kultur, ein besonderes Highlight sei im diesen Jahr ein Stück, dass sich mit der Digitalität unserer Zeit auseinander setzt – aber auf ungewöhnliche Weise: „Untitled Document“. Eine stumme Produktion, in der der Künstler Ari Teperberg ausschließlich über seinen Laptop kommuniziert.

Mann vor einem Bildschirm
Ein stummer Monolog von Ari Teperberg. „Untitled Document“ ist eine Solo-Performance, die auf amüsante und ergreifende Weise ein kompliziertes Beziehungsgeflecht zwischen Stimme, Identität, Technologie, Erinnerung und Verlust spinnen will.

Ausgangspunkt waren Recherchen zur Erfindung des Telefons, Beobachtungen über dessen Entwicklungsgeschichte und Gedanken zum scheinbar unendlichen Verlangen des Menschen, Distanzen verschwinden zu lassen.

Diese Produktion untersuche Digitalität mit Blick auf sein Kommunikationspotential: „Es ist eines der eindrücklichsten Theatererlebnisse, die ich in den letzten Jahren hatte“, so Spiess; sie leitet auch das FITZ! – das Zentrum für Figurentheater in Stuttgart. Hier fand der Auftakt der „Imaginale“ statt.

Frau mit bemalter Leinwand vor der Brust.
Die Familiengeschichte auf der Leinwand erzählt: Bilder entstehen in von Michal Svironis Stück „Carte Blanche“, sie werden übermalt, das Vergangene macht dem Kommenden Platz.

Das Auftaktstück: „Carte Blanche“ von Michal Svironi. Die Künstlerin sei „ein Gesamtkunstwerk für sich“, meint Festivalleiterin Spiess. Die vielfach ausgezeichnete Israelin ist nicht nur Schauspieler, sie ist auch Puppenspielerin, Clownin, Autorin, Regisseurin und Dramatikerin.

„Carte Blanche“: Das steht nicht nur für die weiße Karte. Es spielt auch auf die weiße Leinwand auf der Bühne an, Svironi erzählt mit vielen Farben, Papier, Musik und Figuren ihre Familiengeschichte. Es geht darum, welche Menschen in ihrem Gedächtnis Spuren hinterlassen haben, erklärt Spiess. Eine sehr buntes und vielfältiges Stück.

Frau vor mehreren Puppen
Michal Svironi ist eine preisgekrönte Schauspielerin, Puppenspielerin, Clownin, Autorin, Regisseurin und Dramatikerin, die seit fast 20 Jahren auf der ganzen Welt Stücke kreiert, die sich durch ihre einzigartige Bühnensprache auszeichnen.

Viele artistische Programmpunkte 2025

In diesem Jahr sind auch viele artistische Darbietungen im Programm zu finden. Zirkus und das Theater animierter Formen – die beiden Künste überschneiden sich stark, meint Katja Spiess. Was jetzt zu beobachten sei, sei sozusagen die „wieder erwachte Liebe zwischen den beiden Kunstformen". Auch im zeitgenössischen Zirkus werde viel mit Objekten gearbeitet.

Zwei Schauspieler an einem Tisch
Von der Gruppe „La Fille Du Laitier" am Theater Heilbronn: Wortlos, reich an Kunstblut und Eigelb, melodramatisch und humorvoll soll Shakespeares Klassiker hier neu interpretiert werden. Inspiriert von der burlesken Schauspielkunst des Stummfilms, zeigt das Stück „Macbeth Muet" die Gier und rücksichtsloses Streben nach Macht und dass menschliches Leben in einer Welt ohne Moral sinnlos ist.

Im Zentrum: Inszenierung und ästhetischer Ausdruck

Die Themen Jonglage oder Seilakrobatik tauchen auch im Figurentheater auf. Fäden oder die Suche nach dem Schwerpunkt zum Beispiel spielen im Marionettentheater eine entscheidende Rolle.

In beiden Künsten, dem zeitgenössische Figurentheater und dem zeitgenössische Zirkus stehe die Inszenierung und der ästhetische Ausdruck an erster Stelle, so Festivalleiterin Spiess. Es gehe nicht mehr nur um die pure Virtuosität, sondern auch darum, Geschichten zu erzählen.

Mann an einem Tisch
Ein Candle-Light-Dinner mit romantischer Musik. Ein Mann wartet darauf, bedient zu werden. Doch der Service ist automatisiert und wird von einer künstlichen Intelligenz mit eher begrenzten Fähigkeiten gesteuert. Roboter bewegen sich willkürlich, sie kommen und gehen im Raum. Im Lauf des Stücks wird ihr Verhalten immer ungeordneter, sie scheinen sogar menschliche Absichten zu haben. Ein Spiel des Gleichgewichts und ein Unfall scheint nie weit entfernt.

Auch Produktionen für Kinder

Der Schwerpunkt des Festivals liegt auf Produktionen, die sich an Erwachsene richten. Aber es gibt auch Stücke, die speziell für Kinder entwickelt wurden.

Diese seien für ein ganz unterschiedliches Zielgruppen gedacht: Für die ganz Kleinen interessant sei das Stück: „Ding" von Karoline Hoffmann und Julika Mayer aus Deutschland. Darin spielt Hoffmann sozusagen mit einer goldenen Rettungsdecke.

Füße schauen aus einem großen, goldenen Rettungsdecke
In „Ding" überrascht Karoline Hoffmann mit Geschichten, die auftauchen, wenn sie mit einer goldenen Rettungsdecke spielt. Sie lädt ein in eine glitzernde Welt und erkundet, wie etwas entsteht, sozusagen fast von allein. Ein Stück mit Körper und Material, Ton und Licht – nicht nur für Kinder.

Die Produktion einer Gruppe aus Frankreich richtet sich auch an Kinder und Erwachsene: „Au Jardin des Potiniers - Im Garten der Potiniers“. Das Besondere an dem Stück ist, dass das Publikum Teil der Bühne ist und durch Löcher sozusagen auf die Bühne schaut, erklärt Katja Spiess. In der kreativen Inszenierung geht es um das Verhältnis von Mensch und Natur.

Kopf in einer Landschaft
„Im Garten der Potiniers / Au Jardin des Potiniers": Eine farbenfrohe Pop‐up‐Landschaft aus Seen und Wäldern, Bergen und Tälern – und mittendrin die Köpfe der kleinen und großen Zuschauer*innen.

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