Bühne

Elon Musk als Prophet und Retter – „Als die Götter Menschen waren“ am Nationaltheater Mannheim

Stand
Autor/in
Marie-Dominique Wetzel

Das Nationaltheater Mannheim spinnt das uralte Atrahasis-Epos aus Mesopotamien über Götter und die ersten Menschen weiter zu einem Menschheitsdrama, das sich ewig zu wiederholen scheint. Hausautor Amir Gudarzi nimmt die 4.000 Jahre alte Geschichte zur Grundlage für sein Theaterstück, das in der Zukunft beginnt und voller Zeitsprünge ist.

Auf der Suche nach dem Leben auf der Erde im Jahr 2020

Die Menschen leben auf einem anderen Planeten, in einer Stadt namens Tesla. Die Erde ist unbewohnbar geworden, aber Elon Musk hat die Menschen in einem Raumschiff gerettet, so wie Noah beziehungsweise Atrahasis aus dem uralten Epos aus Mesopotamien.

Eva tritt im grünen Kostüm, das aussieht wie futuristischer Raumfahrtanzug, auf die leere Bühne. Die Großmutter hat ihr kurz vor dem Tod heimlich einen Datenspeicher zugesteckt: darauf befindet sich historisches Material vom Leben auf der Erde um das Jahr 2020 herum. Und das scheint Eva, der Frau aus der Zukunft, doch eine einigermaßen merkwürdige Zeit gewesen zu sein.

Schauspiel "Als die Götter Menschen waren" am Nationaltheater Mannheim
Schauspiel „Als die Götter Menschen waren“ am Nationaltheater Mannheim. V.links.: Shirin Ali, Larissa Voulgarelis, Jessica Higgins, Sarah Zastrau und Leonard Burkhardt

Wesen in langen zotteligen Umhängen

Evas anschließende Suche nach dem früheren Leben auf der Erde ist nur ein Erzählstrang des neusten Stücks von Amir Gudarzi. Er verwebt darin die Zukunft mit unserer Gegenwart und mit den Anfängen der Menschheit. Und greift dabei auf den uralten Atrahasis-Epos aus Mesopotamien zurück. Plötzlich tauchen auf der Bühne Wesen in langen zotteligen Umhängen auf. Die Götter! Doch auch bei Ihnen herrscht nicht eitel Sonnenschein. Die kleineren Götter, die Igigu, sind es leid, dass sie so hart schuften müssen, um an Euphrat und Tigris den Garten Eden anzulegen.

Schauspiel "Als die Götter Menschen waren" am Nationaltheater Mannheim
v. li.: Leonard Burkhardt, Shirin Ali, Larissa Voulgarelis, Sarah Zastrau und Jessica Higgins

Die Idee: Menschen statt Götter schuften lassen

Da kommt dem obersten Gott Enlil die Idee, Menschen zu erschaffen, die ihnen die Arbeit abnehmen sollen. Gesagt, getan: man mische Götterfleisch, Blut, Lehm und etwas Spucke – und schon ist es da, dieses hilfreiche Wesen. Doch die Menschen machen auf die Dauer Ärger: sie sind zu laut und zu viele geworden. Die Götter wollen sie wieder loswerden: sie schicken Krankheiten und eine Sintflut. Aber die Menschen überleben, weil ihnen einzelne Götter immer wieder beistehen.

Drei Schicksale von Menschen aus der Gegenwart

Bedrohungen für die Menschheit aus einem Mythos aus einer fernen Zeit? In Amir Gudarzis Stück verschwimmen die Zeiten und alles hängt irgendwie zusammen. Darin verwoben sind drei Schicksale von Menschen aus unserer Gegenwart, die nach Europa geflohen sind.

Der Kurde Mazlum, der bei Amazon als Paketbote schuftet und versucht, seine Familie in der Türkei zu unterstützen, die durch ein Erdbeben alles verloren hat. Und Johnny, der vor dem Krieg aus Aleppo nach Wien fliehen konnte und unter schrecklichem Heimweh leidet.

Als dritte Figur aus der Gegenwart ist da noch Istar, die Ingenieurin aus dem Irak, die bei einer Firma namens „Tesla“ angestellt ist und herausfindet, dass dort illegal Giftmüll verklappt wird. Sie alle versuchen, aufzubegehren: sich gegen Ausbeutung, Gewalt, Willkür und die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen zu wehren. Doch anscheinend waren sie erfolglos, denn die Erde wurde unbewohnbar – und dann tauchte der große Retter auf, ein gewisser Elon Musk, der die Menschheit auf einen anderen Planeten verfrachtet hat – zumindest die, die es sich leisten konnten.

Schauspiel "Als die Götter Menschen waren" am Nationaltheater Mannheim
Von links.: Eva (Jessica Higgins), Mazlum (Leonard Burkhardt) und Mandana (Shirin Ali)

Bitteres und stellenweise humorvolles Menschheitsdrama

Amir Gudarzis Stück „Als die Götter Menschen waren“ ist ein bitteres, anklagendes, stellenweise aber auch humorvolles Menschheitsdrama. Durch die verschiedenen Zeitebenen nicht einfach zu inszenieren. Regisseur FX Mayr schafft es, insgesamt einen guten Spannungsbogen zu halten und die Spielfreude des Ensembles ist groß! Außerdem helfen die Kostüme von Korbinian Schmidt bei der Orientierung, in welcher Zeitebene man sich gerade befindet. Aber nicht alle der vielen Übergänge und Zeitsprünge sind wirklich geglückt.

Besonders bewegend sind die Geschichten aus der Gegenwart und die Verweise auf unsere heutigen „Plagen“: die vielen Kriege und Umweltkatastrophen. Wir könnten durchaus etwas dagegen tun. Doch das Stück macht wenig Hoffnung: wir scheinen in einer Loop fest zu stecken, der am Ende abrupt abreißt.

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Marie-Dominique Wetzel