Ein Wal ist gestrandet. Allerdings nicht am Meer, sondern mitten auf der A6. Und nun geht es darum, wie man mit diesem Riesenproblem umgeht, das einem da in den Weg gelegt wurde. Diese absurde Situation ist der Ausgangspunkt eines partizipativen Musik-Theaterstücks, das das Nationaltheater Mannheim extra für junge Menschen konzipiert hat.
Ein Wal auf der A6
40 bis 50 Stühle, über deren Lehnen hellblaue Hemden hängen – mehr Requisiten braucht es nicht, um in einem Raum die Kontur eines Wals nachzustellen. Da wo das Auge sein könnte – also in einem Ende des Stuhl-Ovals – sitzen drei Musiker und bauen eine etwas bedrohliche Klangwelt auf. Mit Cello, Bass-Klarinette und Posaune.
Das Publikum – das in der Probe noch ein Testpublikum aus Theater-Leuten ist – steht zunächst am Rand. Plötzlich sind Radiomeldungen zu hören. Fischer berichteten von ungewöhnlichen Wellenbewegungen im Meer, heißt es. Und dann:
Ein gestrandeter Wal auf der A6. Er lebt noch, aber er ist ein Problem. Und zwar eines, mit dem sich alle befassen müssen. Das erklärt eine Showmasterin im Glitzer-Outfit. Sie übernimmt die Moderation und wird unterstützt von einem Sänger, der mal Wal und mal Assistent ist.
Ein Demokratie-Spiel mit Publikumsaufgaben
„Der gestrandete Wal, das ist eure Chance, das ist euer Thema am heutigen ‚Demo-Crazy‘-Day“, ruft die Showmasterin. Es beginnt eine Art Demokratie-Spiel. Und dafür muss das Publikum erst einmal auf den Stühlen Platz nehmen, um die Regeln erklärt zu bekommen. Es soll sich in Gruppen zusammentun, um Lösungsvorschläge zu erarbeiten, wie es mit dem Wal weitergeht. Und dann soll die Mehrheit entscheiden, welcher der beste Vorschlag ist.
Um es kurz zu machen: die meisten wollen den Wal ins Meer zurückbringen, aber das ganze Beraten dauert zu lang. Der Wal stirbt. Das Problem allerdings, dass er weg muss von der Autobahn, ist damit noch nicht gelöst. Deshalb geht es in die nächste Runde mit der nächsten Publikumsaufgabe. Und so viel sei verraten: es dauert und dauert.
Zusammenarbeit mit einer Mannheimer Gymnasium-Klasse
So funktioniert partizipatives Musiktheater. Die Idee mit dem Wal hatte der Komponist Alexander Schweiß. Er hatte irgendwann auf Youtube einen Film aus den 1970er-Jahren entdeckt, wo in Oregon ein gestrandeter Wal einfach weggesprengt wurde. Und fand das so absurd, dass er beschloss, daraus ein Musiktheater zu machen. Der Librettist Oliver Riedmüller wollte das dann noch mit dem Thema Demokratie verbinden.
Um zu sehen, ob das Konzept und vor allem die Beteiligungs-Spiele aufgehen, hat das Theaterteam mit einer 12. Klasse des Mannheimer Moll-Gymnasiums zusammengearbeitet.
Ein vielversprechendes Experiment
Musikalisch ist die Produktion sehr vielseitig und es ist erstaunlich, wie viele Klänge in drei Instrumenten stecken. Manches klingt für ungeübte Ohren wahrscheinlich etwas experimentell, es gibt aber auch Anklänge an Pop und Musical.
„Der Wal“ ist ein vielversprechendes Experiment. Man darf gespannt darauf sein, wie es in Schulklassen ankommt.
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