Das Bild eines einsamen Cowboys in einer Bar
Die Idee für „Brokeback Mountain“ kam Autorin Annie Proulx im Frühjahr 1997. An einem Freitagabend in einer Bar fällt ihr ein Ranch-Mitarbeiter ins Auge: Er ist Ende 60, hager und muskulös, seine Kleidung abgetragen. Sie hatte ihn bereits mehrfach gesehen, bei der Arbeit mit Kühen und Schafen.
Viele hübsche Frauen sind an diesem Abend in der Bar, doch er beachtet sie nicht. Sein Blick ruht auf einer Gruppe junger Männer am Billardtisch. „Da war etwas in seinem Ausdruck, eine Art bitteres Sehnen, und ich fragte mich, ob er nicht schwul sei“, erinnert sich Annie Proulx später.
Nicht einmal 30 Seiten umfasst die Kurzgeschichte, die Proulx im Oktober 1997 veröffentlicht und später in einer überarbeiteten Fassung ihrem Sammelband „Close Range“ einverleibt. Es ist ein kleines Stück Literatur, das zu einem der bedeutendsten Werke schwuler Fiktion der letzten Jahrzehnte werden sollte – wenn nicht sogar dem bedeutendsten.
Von der Kurzgeschichte auf die Leinwand
Mehrere Preise gewann Proulx für „Brokeback Mountain“. Auch in der Endauswahl für den Pulitzer-Preis fand sich die Geschichte wieder. Es dauerte nicht lange, bis erste Anfragen für eine Filmadaption kamen. Nach sieben Jahren Produktionszeit und mehreren gescheiterten Anläufen nahm sich der taiwanesische Regisseur Ang Lee ihrer Geschichte an.
Lee hatte sich zuvor in Hollywood mit dem Fantasyfilm „Tiger and Dragon“ einen Namen gemacht, der den Oscar als bester fremdsprachiger Film gewann. Für „Brokeback Mountain“ besetzte er ein Ensemble von noch relativ unbeschriebenen Jungdarstellern: Heath Ledger als der schweigsame Ennis Del Mar, Jake Gyllenhaal als Jack Twist sowie Michelle Williams und Anne Hathaway als deren Frauen Alma und Lureen.
Doch große Beachtung versprach man sich nicht. Queere Liebespaare waren auf der Kinoleinwand eine Seltenheit, vor allem im Zentrum der Handlung. Ang Lee arbeitete mit einem knappen Budget von 14 Millionen US-Dollar.
Der richtige Film zur richtigen Stunde
Doch „Brokeback Mountain“ war der richtige Film zur richtigen Stunde: In der Presse stieß der Film über zwei schwule Cowboys auf ein enormes Echo. Progressive Medien lobten die filmische Qualität und den Mut der Schauspieler, die schwule Liebesgeschichte ins Kino zu bringen, konservative Zeitungen und Sender kritisierten den Verfall traditioneller Werte.
Der Film gewann die wichtigsten Auszeichnungen des Jahres – vom Goldenen Löwen in Venedig über den Golden Globe und den britischen Filmward als bestes Drama bis hin zum Oscar für die beste Regie. Den Oscar für den besten Film verpasste „Brokeback Mountain“ und musste sich „L.A. Crash“ geschlagen geben. Bis heute gilt die Entscheidung als eine der kontroversesten in der Geschichte der Motion Picture Academy.
In einer Reihe mit den größten Liebesfilmen aller Zeiten
Bis heute bleibt „Brokeback Mountain“ enorm populär. Als Liebesfilm wird er von Kritikern gerne in eine Reihe mit „Romeo und Julia“ und „Titanic“ gestellt. Zudem machte er queere Geschichten im amerikanischen Kino salonfähig: Filme wie „Transamerica“ (2005), „Milk“ (2008) oder „I Love You Philipp Morris“ (2009) fanden im Fahrwasser von „Brokeback Mountain“ große Beachtung bei den Filmpreisen.
Der Film bleibt auch bis heute stilistisch prägend. Gerne wird Ang Lees Film als Vergleich herangezogen für Filme, die schwule Liebe vor ländlicher Kulisse darstellen, etwa im britischen Independentfilm „God’s Own Country“ von 2017 oder der polnische Film „Elefant“ von Kamil Krawczycki aus dem letzten Jahr.
2018 wurde „Brokeback Mountain“ aufgrund seiner kulturellen, historischen und ästhetischen Bedeutung ins amerikanische Filmregister der Library of Congress aufgenommen.
Nach dem Film auf die Opernbühne
Auch über die Filmwelt hinaus wirkte der Erfolg von „Brokeback Mountain“. Der amerikanische Komponist Charles Wuorinen wurde über den Film auf Annie Proulx Kurzgeschichte aufmerksam. Die Chancen der Geschichte für eine Oper inspirierten ihn so sehr, dass er die Autorin anschrieb mit der Bitte, ihr Werk für die Bühne adaptieren zu dürfen. Proulx bot daraufhin an, selbst das Libretto zu verfassen.
Uraufgeführt wurde die Oper 2014 am Teatro Real von Madrid in einer Inszenierung von Ivo van Hove, erstmals in Deutschland war sie noch im selben Jahr am Theater Aachen zu sehen.
Nun zeigt das Theater Trier „Brokeback Mountain“ in einer Inszenierung von Eike Ecker und unter der musikalischen Leitung von Wouter Padberg. Egal ob im Kino, auf der Opernbühne oder in der jüngst gespielten Londoner Bühnenfassung: Die Geschichte der unglücklich Liebenden Jack Twist und Ennis Del Mar berührt ihr Publikum bis heute.