Oper am Theater Trier

„Brokeback Mountain“ in Film und Oper: Ein schwules Schlüsselwerk

Stand
Autor/in
Dominic Konrad
Dominic Konrad, Autor und Redakteur bei SWR Kultur und SWR Musik

Die Kurzgeschichte „Brokeback Mountain“ von Annie Proulx wurde durch den Film von Ang Lee eine der berühmtesten Liebesgeschichten unserer Zeit. Sie wird immer wieder erzählt – auch in der Oper. Das Theater Trier zeigt nun Charles Wuorinens Opernfassung. Ein Blick zurück auf die berühmte Cowboy-Lovestory und was sie bis heute so anziehend macht.

"Brokeback Mountain" an der Oper Trier
Verbotene Liebe im konservativen Wyoming der 1960er-Jahre: Der junge Farmarbeiter Ennis Del Mar (am Theater Trier gespielt und gesungen von Roman Ialcic) verliebt sich in einen anderen Mann. Es beginnt ein jahrzehntelanges Versteckspiel.

Das Bild eines einsamen Cowboys in einer Bar

Die Idee für „Brokeback Mountain“ kam Autorin Annie Proulx im Frühjahr 1997. An einem Freitagabend in einer Bar fällt ihr ein Ranch-Mitarbeiter ins Auge: Er ist Ende 60, hager und muskulös, seine Kleidung abgetragen. Sie hatte ihn bereits mehrfach gesehen, bei der Arbeit mit Kühen und Schafen.

Viele hübsche Frauen sind an diesem Abend in der Bar, doch er beachtet sie nicht. Sein Blick ruht auf einer Gruppe junger Männer am Billardtisch. „Da war etwas in seinem Ausdruck, eine Art bitteres Sehnen, und ich fragte mich, ob er nicht schwul sei“, erinnert sich Annie Proulx später.

Nicht einmal 30 Seiten umfasst die Kurzgeschichte, die Proulx im Oktober 1997 veröffentlicht und später in einer überarbeiteten Fassung ihrem Sammelband „Close Range“ einverleibt. Es ist ein kleines Stück Literatur, das zu einem der bedeutendsten Werke schwuler Fiktion der letzten Jahrzehnte werden sollte – wenn nicht sogar dem bedeutendsten.

Von der Kurzgeschichte auf die Leinwand

Mehrere Preise gewann Proulx für „Brokeback Mountain“. Auch in der Endauswahl für den Pulitzer-Preis fand sich die Geschichte wieder. Es dauerte nicht lange, bis erste Anfragen für eine Filmadaption kamen. Nach sieben Jahren Produktionszeit und mehreren gescheiterten Anläufen nahm sich der taiwanesische Regisseur Ang Lee ihrer Geschichte an.

Brokeback Mountain (2024, Regie: Ang Lee)
Gerade einmal Mitte zwanzig sind Jake Gyllenhaal und Heath Ledger, als sie die Hauptrollen in Ang Lees Liebesdrama übernehmen. Der Film katapultiert sie in die erste Riege Hollywoods. Ledger stirbt 2008 durch die falsche Einnahme verschreibungspflichtiger Medikamente.

Lee hatte sich zuvor in Hollywood mit dem Fantasyfilm „Tiger and Dragon“ einen Namen gemacht, der den Oscar als bester fremdsprachiger Film gewann. Für „Brokeback Mountain“ besetzte er ein Ensemble von noch relativ unbeschriebenen Jungdarstellern: Heath Ledger als der schweigsame Ennis Del Mar, Jake Gyllenhaal als Jack Twist sowie Michelle Williams und Anne Hathaway als deren Frauen Alma und Lureen.

Doch große Beachtung versprach man sich nicht. Queere Liebespaare waren auf der Kinoleinwand eine Seltenheit, vor allem im Zentrum der Handlung. Ang Lee arbeitete mit einem knappen Budget von 14 Millionen US-Dollar.

Der richtige Film zur richtigen Stunde

Doch „Brokeback Mountain“ war der richtige Film zur richtigen Stunde: In der Presse stieß der Film über zwei schwule Cowboys auf ein enormes Echo. Progressive Medien lobten die filmische Qualität und den Mut der Schauspieler, die schwule Liebesgeschichte ins Kino zu bringen, konservative Zeitungen und Sender kritisierten den Verfall traditioneller Werte.

Der Film gewann die wichtigsten Auszeichnungen des Jahres – vom Goldenen Löwen in Venedig über den Golden Globe und den britischen Filmward als bestes Drama bis hin zum Oscar für die beste Regie. Den Oscar für den besten Film verpasste „Brokeback Mountain“ und musste sich „L.A. Crash“ geschlagen geben. Bis heute gilt die Entscheidung als eine der kontroversesten in der Geschichte der Motion Picture Academy.

Brokeback Mountain (2024, Regie: Ang Lee)
Sind die Hauptfiguren in „Brokeback Mountain“ schwul, bisexuell oder doch heterosexuelle Männer auf neuen Pfaden? Zur Veröffentlichung des Films beschäftigt diese Frage die Medien besonders.

In einer Reihe mit den größten Liebesfilmen aller Zeiten

Bis heute bleibt „Brokeback Mountain“ enorm populär. Als Liebesfilm wird er von Kritikern gerne in eine Reihe mit „Romeo und Julia“ und „Titanic“ gestellt. Zudem machte er queere Geschichten im amerikanischen Kino salonfähig: Filme wie „Transamerica“ (2005), „Milk“ (2008) oder „I Love You Philipp Morris“ (2009) fanden im Fahrwasser von „Brokeback Mountain“ große Beachtung bei den Filmpreisen.

Der Film bleibt auch bis heute stilistisch prägend. Gerne wird Ang Lees Film als Vergleich herangezogen für Filme, die schwule Liebe vor ländlicher Kulisse darstellen, etwa im britischen Independentfilm „God’s Own Country“ von 2017 oder der polnische Film „Elefant“ von Kamil Krawczycki aus dem letzten Jahr.

2018 wurde „Brokeback Mountain“ aufgrund seiner kulturellen, historischen und ästhetischen Bedeutung ins amerikanische Filmregister der Library of Congress aufgenommen.

Nach dem Film auf die Opernbühne

Auch über die Filmwelt hinaus wirkte der Erfolg von „Brokeback Mountain“. Der amerikanische Komponist Charles Wuorinen wurde über den Film auf Annie Proulx Kurzgeschichte aufmerksam. Die Chancen der Geschichte für eine Oper inspirierten ihn so sehr, dass er die Autorin anschrieb mit der Bitte, ihr Werk für die Bühne adaptieren zu dürfen. Proulx bot daraufhin an, selbst das Libretto zu verfassen.

Annie Proulx und Charles Wuorinen anlässlich der Uraufführung der Oper „Brokeback Mountain“ in Madrid.
Als Komponist Charles Wuorinen um die Rechte für eine Opernfassung von „Brokeback Mountain“ bittet, erklärt Autorin Annie Proulx, sie selbst wolle das Libretto schreiben.

Uraufgeführt wurde die Oper 2014 am Teatro Real von Madrid in einer Inszenierung von Ivo van Hove, erstmals in Deutschland war sie noch im selben Jahr am Theater Aachen zu sehen.

Nun zeigt das Theater Trier „Brokeback Mountain“ in einer Inszenierung von Eike Ecker und unter der musikalischen Leitung von Wouter Padberg. Egal ob im Kino, auf der Opernbühne oder in der jüngst gespielten Londoner Bühnenfassung: Die Geschichte der unglücklich Liebenden Jack Twist und Ennis Del Mar berührt ihr Publikum bis heute.

Der 6. Juli ist Tag des Kusses Ikonische Filmküsse: Von Spider Man bis Frühstück bei Tiffany's

Am 6. Juli ist „Tag des Kusses“: zwölf ikonische Filmküsse der letzten sechzig Jahre Kinogeschichte – vom Liebesfilm bis zur Fantasy-Saga.

Schwule Filme und Serien

Rätselhaft-schöner Liebesfilm mit Starbesetzung Zärtliche Utopie: „All of Us Strangers“ von Andrew Haigh

Andrew Haigh erzählt in seinen Filmen oft von schmerzhaften zwischenmenschlichen Konstellationen. In „All of Us Strangers“ geht es um die Wiederbegegnung von Adam mit seinen toten Eltern, die er als Kind verloren hat.

SWR2 am Morgen SWR2

Zweite Staffel der LGBTIQ*-Erfolgsserie Warum „Heartstopper“ die Herzen queerer Menschen höherschlagen lässt

Was auf den ersten Blick nach zuckersüß-banaler Coming-of-Age-Geschichte ausschaut, wurde für LGBTIQ*-Personen zum Seelentröster. Am 3. August erscheint auf Netflix die zweite Staffel.

Film Warum der Queere Film in Deutschland einen schweren Stand hat

Filme, deren Hauptfiguren schwul, lesbisch oder divers sind, sind in Deutschland noch immer ein Randphänomen. Das habe strukturelle Gründe, meint Björn Koll , langjähriger Leiter des Salzgeber Filmverleihs in SWR2.

SWR2 Kultur aktuell SWR2

Unsere Quellen

Transparenz ist uns wichtig! Hier sagen wir Ihnen, woher wir unsere Infos haben!

Scribner, New York, 2005

Stand
Autor/in
Dominic Konrad
Dominic Konrad, Autor und Redakteur bei SWR Kultur und SWR Musik