Für etwa 1,5 Millionen Kinder in Baden-Württemberg geht nächste Woche wieder die Schule los. Zu Beginn des Schuljahres ist Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) mit vier wichtigen Baustellen konfrontiert - altbekannte und neue.
Diese Baustellen gibt es:
Erste Baustelle: Sprachförderung
Im nun startenden Schuljahr soll es zum ersten Mal auch eine Sprachförderung für Kinder in Kitas geben. Das Kultusministerium geht auf SWR-Anfrage von circa 33.600 Kindern im Land aus, die bereits in der Kita sprachlich gefördert werden müssen, um in die Grundschule kommen zu können. In Zukunft sollen nur noch Kinder eingeschult werden, die wirklich schulreif sind. Eine genaue Auswertung der Zahlen laufe allerdings noch, so das Ministerium.
Das Konzept von Kultusministerin Schopper sieht eine verpflichtende Sprachförderung in der Kita für Kinder mit Förderbedarf vor. Außerdem eine sogenannte Juniorklasse als Übergang in die erste Klasse der Grundschule. Im Schuljahr 2024/2025 soll mit 350 Gruppen für die Sprachförderung in Kindertagesstätten begonnen werden. In drei Jahren soll es das Angebot dann flächendeckend in Baden-Württemberg geben.
Dass die Sprachförderung kommt, ist laut Landeselternbeirat Sebastian Kölsch "wichtig und richtig". Man habe sich aber eine Umsetzung gewünscht, die mehr Kinder mitnehme und einen größeren Erfolg verspreche. Das Problem: Erst in vielen Jahren könne man sehen, ob diese Maßnahme überhaupt erfolgreich war oder nicht.
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Zweite Baustelle: Lehrkräftemangel
Der Lehrkräftemangel in den Schulen ist schon länger ein Problem in Baden-Württemberg. Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) geht davon aus, dass sich die Situation in diesem Jahr fast überall im Land nochmals verschlechtert. Bereits im vergangenen Jahr blieben rund 550 Stellen zum Schulbeginn unbesetzt. Jede dieser unbesetzten Stellen bedeute in der Praxis, dass Unterricht auszufallen drohe, so die GEW.
GEW-Landeschefin Monika Stein wiederholte die Forderung an das Kultusministerium, endlich Konzepte zu entwickeln, damit es in den betroffenen Regionen und Schularten genügend Lehrkräfte gebe. Der Verband fordert außerdem eine höhere Bezahlung für Grundschullehrerinnen und -lehrer.
Besonders dramatisch sei es zum Beispiel bei Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren, die beim Regierungspräsidium Stuttgart angesiedelt sind. Zahlen aus dem Juni zeigten: Von 125 offenen Stellen konnten laut GEW nur für fünf Stellen passende Bewerber gefunden werden. Zum Regierungsbezirk Stuttgart gehören zum Beispiel die Landkreise Schwäbisch Hall und Ludwigsburg sowie der Hohenlohekreis oder der Rems-Murr-Kreis.
Dritte Baustelle: Künstliche Intelligenz
Künstliche Intelligenz (KI) wird in Schulen immer mehr zur Herausforderung. Laut Verband Bildung und Erziehung Baden-Württemberg (VBE) sind KI-Programme wie zum Beispiel "Chat GPT", "Gemini" von Google und "Copilot" von Windows unter Schülerinnen und Schülern extrem beliebt. Die Anwendungen sind kostenlos und auf vielen Smartphones bereits installiert.
"Die Programme sind voll im Alltag angekommen", sagt Oliver Hintzen, Digitalexperte beim VBE. Die Programme basieren auf einer künstlichen Intelligenz, der man jede Frage stellen kann - in wenigen Sekunden bekommt man eine Antwort. Sie liefern beispielsweise Antworten für Hausaufgaben oder ganze Referatstexte in wenigen Sekunden.
"Das größte Problem: Wir wissen nicht, was kommt bei einer Frage wahrheitsgehaltsmäßig hinten raus", so Hintzen. Lehrkräfte müssten die Schülerinnen und Schüler sensibilisieren, dass sie mit den Programmen zwar Texte erstellen lassen könnten, jedoch dann immer noch nicht wüssten, ob die Informationen darin stimmen oder nicht. Zudem müssten die Schülerinnen und Schüler in Klausuren die Informationen wiedergeben oder neu anwenden können.
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Die Herausforderung für die Lehrerinnen und Lehrer ist Hintzen zufolge: Sie müssen ein Grundlagenwissen haben, welche Programme es auf dem Markt gibt, und die Vor- und Nachteile der KI kennen. "Hier müssen die Lehrkräfte geschult werden", fordert der VBE-Experte. Zwar gebe es vom Land bereits zahlreiche Schulungsangebote. Doch im Alltag fehle es dafür oft an Zeit und im Stundenplan sei auch kein Platz. "Wir müssten die Lehrpläne durchschauen, wo wir dieses Thema einbinden können", sagt Hintzen. Zudem könne KI nicht nur eine Aufgabe für die Schule sein. "Auch die Eltern sollten schauen, was die Kinder auf den Handys machen", fordert Hintzen.
Vierte Baustelle: Demokratiebildung
Nach den Erfolgen der AfD bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen am vergangenen Sonntag gibt es Forderungen nach mehr Demokratiebildung in der Schule. "Ich glaube und hoffe, dass das Wochenende jetzt auch die Letzten aufgerüttelt und ihnen klargemacht hat, dass wir in Demokratiebildung wirklich mehr investieren müssen", so GEW-Landeschefin Monika Stein.
Dazu gehöre, Fake News zu erkennen - etwa auf Tiktok. Es gibt aber auch die Forderung, die Rechte der SMV, der Schülermitverantwortung, zu stärken - um die jungen Menschen wieder mehr in die politische Mitte zu holen. Joshua Meisel, Vorsitzender des Landesschülerbeirats in Baden-Württemberg, erklärt: "Aus unserer Sicht ist die beste Demokratiebildung immer noch, Demokratie selber zu erfahren und dann zu merken: Hey, ich kann mich und einbringen und auch mitbestimmen."