Hey Leute, Ihr müsst leben! Versteht Ihr, was Leben heißt? Ihr müsst Eure Eltern genießen, Eure Geschwister. Lasst die Sache mit Geld oder Problemen oder was weiß ich. Lasst es! Lebt Euer Leben. So als wär's der letzte Tag!
Raserunfall zerstört das Leben von Luana und Unschuldigen
Ein Sommerabend im Juli 2019: illegales Autorennen auf der Schwenninger Steig bei Villingen-Schwenningen. Ein junger Mann jagt sein 326-PS-starkes Auto auf 146 km/h hoch, driftet in eine Kurve und prallt frontal auf einen entgegenkommenden Wagen. Darin sitzen auf der Rückbank, nicht angeschnallt, Luana und mehrere Kinder. Auf dem Fahrersitz ein Freund der Familie, Beifahrer ist Luanas Mann Francesco. Die beiden Männer sterben zwischen Fahrzeugtrümmern am Straßenrand, Luanas Baby Enrique kurze Zeit später im Krankenhaus. Der Raser, der den Unfall verursacht hat, bleibt nahezu unverletzt.
Wie schafft es Luana, mit dieser entsetzlichen Trauer um Kind und Mann weiter zu leben? Und wie geht sie mit dem Trauma um, das sie erlebt hat?

Luana überlebt und liegt nach dem Unfall im Koma
Luanas Körper liegt an jenem Juliabend wie zermalmt zwischen den Autotrümmern, mit mehr als 50 Knochenbrüchen, dazu innere Verletzungen. Sie wird sich von den Folgen des Raserunfalls nie mehr ganz erholen. 14 Operationen hat sie hinter sich und viele Wochen im Koma. Als Luana wieder aufwacht, ist sie fremd in ihrem eigenen Leben.
Im Koma lag ich zwei Monate. Wo ich wach wurde, ich weiß nur: Man fällt. Als ob ich geflogen bin. Und dann standen diese ganzen Ärzte vor mir wie Soldaten. [...] 'Wir müssen Ihnen sagen, Ihr Mann ist gestorben.' Hab ich gar nicht so realisiert. Sag' ich: 'Okay.' Und dann sagt irgendwer: 'Enrique ist auch gestorben.' Und dann ist für mich 'ne Welt zusammengebrochen.

Was tun gegen illegale Autorennen und Raserunfälle?
Die Liebe zu Tochter Joleen hilft Luana, ihr Trauma zu bewältigen
Als eine Krankenschwester ihr sagt, dass ihre dreijährige Tochter Joleen überlebt hat, konnte Luana sich nicht einmal mehr daran erinnern, dass sie eine Tochter hat. Alles sei wie gelöscht gewesen, sagt sie.
Eltern und Cousinen kümmern sich um sie, helfen ihr Stück für Stück, sich wieder zu erinnern. Und im wahrsten Sinne des Wortes auch ganz langsam wieder auf die Beine: Es dauert mehr als ein Jahr, bis Luana wieder halbwegs selbstständig leben kann – ohne Rollstuhl und ohne die starken Schmerzmittel.
Heute sagt Luana, dass die Liebe zu ihrer Tochter Joleen sie aufgerichtet hat.

Ich wünschte, ich könnte wenigstens normal laufen. Die Schmerzen sind brutal. Da kommen mir manchmal die Tränen: Boah, ich war so sportlich.
Die unzähligen Narben ihres Unfalls versteckt sie ganz bewusst nicht. Sie gehörten zu ihrem Leben, sagt sie. Tattoos an anderen Stellen sollen ihre Geschichte und sie als Person ebenfalls erzählen: Das kleine Kreuz an ihrem Hals, die Rose – alles, sagt Luana, hat eine Bedeutung. Auf dem Unterarm zwei große Kinderaugen, die über eine Wolke hinweg schauen. Es sind die Augen ihres toten Babys.

Der Raserprozess: Luana hat verziehen – aber wird niemals vergessen
Im Herbst 2020 beginnt vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts Villingen-Schwenningen der Prozess gegen den Raser. Das Gutachten stellt fest, dass das Auto, in dem Luana, ihr Mann, ein Bekannter und mehrere Kinder sitzen, keine Chance hatte. Der 25-jährige Raser überlebt nahezu unverletzt.
Der Angeklagte ließ aus Gleichgültigkeit gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern und aus eigensüchtiger Freude am Schnellfahren […] keine Bedenken gegen seine Fahrweise aufkommen.

Der Raser wird zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt, eine neue Fahrerlaubnis kann er nach weiteren vier Jahren beantragen. Gerichtsreporter Marc Eich erinnert sich noch genau an den Prozess.
Sie [Luana] saß dem Unfallfahrer Auge in Auge gegenüber. Das hat auch dem Unfallfahrer die Tränen in die Augen getrieben. Luana wollte einfach Gerechtigkeit. Sie hat ihm verziehen, aber sie wird niemals vergessen – das waren ihre Worte. Ein wahnsinnig, wahnsinnig emotionaler Prozess.
Was Luana bis heute nicht nachvollziehen kann, ist das Urteil in einem weiteren Prozess, in dem es um den Vorwurf des illegalen Autorennens an diesem Juli-Abend geht. Vor Gericht: der Fahrer des daran beteiligten zweiten Wagens. Er erhält eine Bewährungsstrafe.
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Neuer Partner und zwei weitere Kinder ebnen den Weg aus dem Trauma
Luana sagt, dass sie überzeugt davon ist, dass alles im Leben so kommt, wie es kommen muss. Sie lebt inzwischen wieder mit einem Partner zusammen und hat mit ihm zwei Kinder bekommen: Letizia und Eduardo. "Das sind Glückskinder", sagt sie.

Am Grab von Franceso und Enrique hat Luana Spielzeug deponiert. Manchmal spielen sie und Letizia hier ewig, ohne auf die Uhr zu schauen. Die kleine Letizia hockt sich vor den Grabstein, murmelt etwas, zieht den Schnuller aus dem Mund und gibt dem Bruder im Himmel einen Kuss.
Das Leben geht weiter, von Generation zu Generation – so sieht das Luana. Vieles, vielleicht alles, sei Bestimmung – und der Tod kein Schlusspunkt. Daran glaubt Luana fest.
Ich hab' wieder Freude am Leben. Ich will meinen Kindern ein noch viel besseres Leben schenken, als ich es hatte. Dass sie einmal sagen: 'Hey ich hatte so eine schöne Kindheit, die werd' ich nie vergessen'.