Völlig unerwartet wird Sissy Hertnecks Vater herausgerissen aus einem Leben, das prall war: viele Ideen, Träume, Pläne und eine kleine Firma, die Fußbodenheizungen herstellt. Im Testament hatte der Vater Sissy zur Alleinerbin bestimmt und katapultiert sie damit über Nacht in seine viel zu großen Fußstapfen.
Schwere Last: Als Alleinerbin unvorbereitet Firmenchefin
Sissy hat keine Ahnung von Bilanzen und noch weniger von Baustellen, auf denen sie sich jetzt um die Belange der Firma kümmern muss. Sie studiert, möchte Journalistin werden und will eigentlich nur eines: ihren Vater wieder haben, einfach noch ein klein wenig länger Tochter sein!
Letzte Ruhestätte für den geliebten Vater: Baumgrab als Besinnungsort
In Leinfelden-Echterdingen bei Stuttgart hatte Sissys Vater seinen Betrieb. Nur wenige Meter entfernt liegt jetzt auch seine Asche - in einem Baumgrab auf dem Friedhof, zwischen den Wurzeln einer alten Eiche. In einer Urne, die Sissy selbst bemalt hat.
Sissy klopft mit der flachen Hand auf die Baumrinde. Ganz sanft. Und irgendwie zufrieden, dass sie das damals so gut hinbekommen hat: Dass sie in der Hektik, die fast jedes Begräbnis mit sich bringt, kurz mal die Zeit angehalten und gemeinsam mit den Freunden des Vaters diesen wunderbaren Baum gefunden hat.
Von der Tochter zur Chefin: Ein Testament krempelt Sissys Leben um
Sissys Traumberuf ist der Journalismus. Sie macht gerade ein Praktikum beim ZDF in London, als sie vom Tod des Vaters erfährt. Sie fliegt sofort nach Hause, wo ein Testament auf sie wartet. Nach Weihnachten soll es im Betrieb möglichst nahtlos für die Kunden weitergehen. Und plötzlich ist Sissy Chefin, mit 23. Sie beginnt zu zweifeln, ob sie der Aufgabe gewachsen ist.
Zerreißprobe: vier Jahre voller Zweifel und großer Aufgaben
Fast vier Jahre lang versucht Sissy, dem letzten Willen ihres Vaters gerecht zu werden. Dabei wird sie, wie im Testament festgelegt, von einem Testamentsvollstrecker betreut. Sie fuchst sich rein ins Geschäft, geht Zahlenkolonnen durch, trotzt Corona und den Lockdowns. Und parallel versucht sie, sich klar zu werden, welcher Weg der Weg ihres Vaters ist und wohin ihr ganz eigener Weg sie führen könnte. Eine dauernde Zerreißprobe, eingebettet in tiefe Trauer.
Seitdem der Vater gestorben ist, hat Sissy immer einen schweren Schlüsselbund bei sich in der Tasche: Haupteingang, Büro, Lagerhalle. Der Schlüsselbund erinnert sie permanent an das Lebenswerk des Vaters.
Traumberuf Journalismus: Selbstbestimmter Neuanfang mit 26
Als Sissy 26 Jahre alt wird, endet die Begleitung durch den Testamentvollstrecker. Sie kann endlich frei entscheiden, über ihre eigene Zukunft und die der Firma: die übergibt sie an einen langjährigen Mitarbeiter. Heute geht Sissy sehr bewusst ihren eigenen Weg, hat ihren Traum vom Journalismus verwirklicht. Sie arbeitet für Radio, Fernsehen und Online - unter anderem beim SWR. Zu Fußbodenheizungen wird sie wahrscheinlich nie eine richtig große Liebe aufbauen.
Die Trauer um den zu früh verlorenen Vater wandelt sich. Aber die Sehnsucht, noch einmal mit ihm sorglos am Tisch sitzen zu können oder am Meer - die bleibt.