Neuanfang! Wenn es anders kommt im Leben

So rettete Kris mit ihrer Organspende ihrem Mann das Leben

Stand

Von Autor/in Stefanie Meinecke

Ohne seine Frau wäre Frank aus Beinstein im Rems-Murr-Kreis vor Jahren höchstwahrscheinlich gestorben. Mit ihrer Organspende hat Kris ihrem Mann ein neues Leben geschenkt.

Frank Dannel litt an einer extrem seltenen Autoimmun-Krankheit: Primär sklerosierende Cholangitis (PSC). Die Krankheit befällt die Gallengänge, zerstört nach und nach die Leber. In schweren Fällen, wie bei Frank, kann nur eine Lebertransplantation helfen.

Autoimmunkrankheit PSC: ohne Transplantation Franks Todesurteil

2010 warten Frank und Kris Dannel sehnlichst auf eine Organspende. Und warten und warten und warten. Bis Kris im Januar 2011 die Notbremse zieht: Sie ist 45 Jahre alt, als sie ihrem Mann 60 Prozent ihrer eigenen Leber schenkt. Oder anders ausgedrückt: Beide teilen sich ein Organ. Sie, die Zierliche, er, der Riese – ob die Größe ihrer Leber genügt, ist damals die Frage.

Die [Leber] hat sich dann jeweils vergrößert und reicht nun gewissermaßen für uns beide. Das ist ein unbeschreibliches Gefühl. Was für ein Wunder! Und so ein Stückchen von meiner Frau ständig bei mir zu haben, ist sehr, sehr skurril. Man kann es nicht hundertprozentig fassen: Es ist ein großes Wunder, dass sowas funktioniert.

Organspende: Ein Tattoo wird zum wichtigen Symbol

Solch ein Tattoo, das zunächst wie Schmuck aussieht, stammt aus einer Organspende-Initiative von Tattoo-Studios und ist eine lebensrettende Botschaft.

Das soll wie ein Organspendeausweis sein. Obwohl es nicht genau die gleiche Rechtskraft hat, soll es signalisieren: Der Träger dieses Tattoos ist bereit, Organe zu spenden. Und für uns ist dieses Tattoo natürlich noch ein Zeichen der besonderen Verbundenheit.

Morbus Crohn, PSC, Krebs: Frank gibt niemals auf

Rückblick: Frank ist noch keine 20 , als er an Morbus Crohn erkrankt. Die chronische Krankheit befällt den gesamten Verdauungstrakt. Kurz darauf die Diagnose PSC – seine Leber geht daran kaputt – und als Draufgabe dann auch noch Jahre später: Krebs. Frank kämpft.

Ich lasse mich jetzt da nicht unterkriegen, ich ziehe mich jetzt nicht ins Schneckenhäusle zurück.

Kris und Frank beim Wandern - sie prosten sich mit Biergläsern zu, im Hintergrund die Allgäuer Alpen. SWR1 Neuanfang: Kris rettet mit einer Organspende ihrem Mann Frank das Leben.
Kraft schöpfen beim Wandern und Radfahren in den Allgäuer Alpen - Kris und Frank können das heute wieder gemeinsam genießen.

Frank macht sein Abitur, Zivildienst, studiert, promoviert und wird Lebensmittel-Chemiker. Im Studium lernt er Kris kennen, sie heiraten, bekommen Kinder und sind mittlerweile seit 40 Jahren ein Paar. Ihr Geheimnis? Sich nicht vom "Hier und Jetzt" tyrannisieren lassen. Sie erinnern sich an das Jahr 2010, als es Frank immer schlechter ging. Ein Ledersofa im Wohnzimmer beschwört Bilder herauf.

Wenn ich jetzt da rüber an das Sofa gucke, dann seh' ich: Mein Mann wird immer kleiner. Der verschwindet, der wog zum  Schluss weniger als 60 Kilo, hatte keine Muskeln mehr, war ein Skelett. Entsetzlich.

Roth

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Peter Gabriel-Song wird zur Hoffnungs-Hymne

Die beiden erzählen von einer weiteren Erinnerung: der Song von Peter Gabriel "My Body Is A Cage" (übersetzt "Mein Körper ist ein Käfig"). Ein Song, der Frank immer wieder Hoffnung macht, denn nach dem "Käfig" stehe kein Punkt, der Text gehe ja noch weiter:

Mein Körper ist ein Käfig, aber mein Verstand, mein Geist, besitzt den Schlüssel.

Lebendspende als Wendepunkt der Suche nach einem Organspender

2010 fällt Frank regelrecht in sich zusammen. Er und seine Frau wissen: Jetzt kann nur noch eine Organspende helfen. Das Problem ist der sogenannte MELD-Score. Der Wert, der zeigt, wie schwer die Leber schon geschädigt ist und über die Dringlichkeit der Organspende entscheidet, ist zu niedrig. Schuld daran ist seine PSC-Erkrankung, die das Steigen dieses Scores unterdrücken kann.

Frank kurz nach der Organ-Transplantation in der Uniklinik Heidelberg. SWR1 Neuanfang: Kris rettet mit einer Organspende ihrem Mann Frank das Leben.
Frank kurz nach der Organ-Transplantation in der Uniklinik Heidelberg. Das füllige Gesicht täuscht: Es ist wegen der Cortisonbehandlung aufgequollen.

Kris sieht und bewundert damals die Stärke ihres Mannes, der nicht mit seinem Schicksal hadert. Er zieht seine Stärke aus der Familie, aus der Zukunft, die er mit Frau und Kindern noch erleben will.
Kris kann sich nicht mehr erinnern, wie sie von der Möglichkeit einer "Lebend-Spende" erfahren hat, dass sie einen Teil ihrer Leber für Frank spenden kann. Aber sie entscheidet sich sofort dafür.

Zum einen ist es natürlich wunderschön: Das ist ein riesiger Liebesbeweis, dass jemand bereit ist, so etwas für einen zu tun. Das war die eine Seite. Und die andere war ein 'NEIN, geht nicht!'. Zum einen: 'Du begibst Dich für mich jetzt nicht in so eine Gefahr!'. Und zum zweiten: 'Die Kinder sind noch relativ klein, die brauchen wenigstens ein Elternteil!'.

Familie gibt Kris und Frank Halt und Kraft im Kampf gegen PSC

Frank kann erst Ja sagen zur Lebend-Spende, als Kris ihm klar macht, dass sie das alles nicht nur für IHN tun will, sondern auch für SICH. Dass die Kinder ihren Vater behalten wollen und sie ihren Liebsten.

Mitte Januar 2011 ist es dann soweit und Frank wird an der Uniklinik in Heidelberg operiert. Zuerst wird Kris ein Teil ihrer Leber entnommen und dann unverzüglich Frank eingepflanzt.

Wir waren beide irgendwo überzeugt, dass das jetzt der Weg ist und dass der Weg gut gehen wird. Wir haben uns verabschiedet, als meine Frau in den OP kam. Nicht [mit dem Gefühl], es könnte das letzte Mal sein. Das Gefühl war eindeutig: Es geht gut!

Ein inniger Kuss von Kris und Frank beim Urlaub in Avignon. Neben Norwegen und Schweden ist Frankreich das Lieblingsland der beiden. SWR1 Neuanfang: Kris rettet mit einer Organspende ihrem Mann Frank das Leben.

Die Organtransplantation geht gut: Die Blutgruppen passen, Franks Körper nimmt das Organ gut an, der kleine Leberlappen von Kris wächst in Frank zügig heran.

Ich bin so dankbar, dass das geklappt hat. Ich bin einfach dankbar für mich, für ihn, für unsere Familie, weil: Ich liebe meinen Mann, und ich möchte ihn nicht hergeben.

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