"Herzschmerz" ist für viele nur eine Metapher, ein Sprachbild, das sich reimt. Man spricht vom Herz als Organ der Liebe; Herzschmerz ist der Ausdruck von Trauer und Verletzung, zum Beispiel nach einer Trennung.
Nicht jeder verspürt bei Liebeskummer tatsächliche Herzschmerzen. Für viele ist "Herzschmerz" nur eine emotionale Reaktion ohne körperliche Folgen. Doch intensiver emotionaler Stress, wie bei Liebeskummer oder dem Verlust eines geliebten Menschen, kann den Körper und das Herz tatsächlich belasten.
Der Körper im Drogenentzug
Wenn man verliebt ist, erlebt der Körper einen regelrechten Serotonin- und Dopaminrausch. Wir empfinden starke Glücksgefühle und sind auf Wolke sieben. Doch wenn dann die Trennung und der damit einhergehende Liebeskummer kommt, sinkt die Dopaminausschüttung und es wird vermehrt Adrenalin freigesetzt. Diese Kombination – Dopaminentzug plus Adrenalin – kann zu echten Entzugserscheinungen führen und den Herzmuskel zusätzlich belasten.
Adrenalin versetzt unseren Körper in den "Kampf-oder-Flucht"-Modus und bereitet uns auf Gefahrensituationen vor: Unser Herz schlägt schneller, der Blutdruck steigt, was zu Druckgefühlen oder Brustschmerzen führen kann. Man fühlt den Schmerz dann tatsächlich eher mittig-links, weil das Herz dort sitzt – und nicht, wie viele fälschlicherweise denken, auf der linken Seite der Brust.
Dazu kommt, dass unsere Atmung schneller wird, um mehr Sauerstoff fürs Gehirn bereitzustellen. Das kann Atemnot verursachen und den Kreislauf belasten. Manche sind sogar der Ohnmacht nah.
All das sind auch Symptome eines Herzinfarktes. In extremen Fällen von emotionalem Stress kann sich Herzschmerz also ganz ähnlich anfühlen.
Broken-Heart-Syndrom – eine medizinische Erkrankung
Der Unterschied zum echten Herzinfarkt ist, dass beim Broken-Heart-Syndrom nicht die Blutgefäße blockiert sind, sondern der Herzmuskel durch die extreme Stressreaktion vorübergehend schwächer wird. Wie schlimm das Syndrom wird, ist individuell unterschiedlich. Manche müssen stationär und mit Medikamenten behandelt werden, bis die Herzschwäche vorübergeht. Das passiert meistens innerhalb von drei Wochen.
Natürlich kann hinter solchen Symptomen auch immer eine echte Herzerkrankung liegen, wie beispielsweise der Herzinfarkt oder eine Durchblutungsstörung im Herz. Daher ist es in jedem Fall sinnvoll, eine ärztliche Praxis aufzusuchen.
Hat Herzschmerz eine Funktion?
Diese Ansicht gibt es tatsächlich in der Wissenschaft. Schmerzen haben ja grundsätzlich eine Funktion: Sie lenken unsere Aufmerksamkeit dorthin, wo wir verletzt sind und wo wir uns schützen müssen. Und so könnte es im übertragenen Sinn auch beim Herzschmerz sein. In früheren Zeiten, als wir noch in kleinen Gruppen als Jäger und Sammler gelebt haben, war es überlebenswichtig, Teil einer Gemeinschaft zu sein. Denn ohne Gruppe gab es auch keine Versorgung, wenn man mal krank war oder Hilfe gebraucht hat. Emotionalen Schmerz erleben wir nicht nur bei Liebeskummer, sondern auch, wenn wir einen geliebten Menschen verlieren oder von anderen abgelehnt oder ausgeschlossen werden. Wenn das Herz schmerzt, ist das ein Signal, dass wir uns von der Gruppe, die uns eigentlich schützt, entfernen oder sogar entfremden. Das Signal könnte uns darauf hinweisen, dass es wichtig ist, etwas gegen diese Isolation zu tun und wieder Nähe zu suchen.
Was hilft gegen Herzschmerz?
Wie man es vielleicht ganz klassisch aus Filmen kennt: Wenn man traurig ist, greift man dann doch direkt zur Schokolade oder dem Eisbecher als Seelentröster. Studien zeigen tatsächlich, dass uns Essen über sozialen Schmerz wie Herzschmerz hinweghelfen kann. Doch Essen als Ersatz fördert auch emotionale Essattacken bis hin zu Essstörungen. Ist also keine echte Dauerlösung. Was auch kurzfristig helfen kann, sind tatsächlich Schmerzmittel: Denn interessanterweise wird sozialer Schmerz im Gehirn fast genauso wahrgenommen wie körperlicher Schmerz, so dass sie auch ähnlich mit Medikamenten gelindert werden können. Studien haben gezeigt, dass Schmerzmittel wie Paracetamol und Ibuprofen auch sozialen Schmerz, wie Trauer oder Ausgrenzung, verringern können.
Zusammengefasst: Herzschmerz ist nicht nur emotional ist, sondern er hat auch eine echte physische Grundlage.
Quellen und Literatur
- Brenton Boyd: Takotsubo cardiomyopathy – Review of broken heart syndrome. Journal of the American Academy of Physician Assistants 33(3), März 2020 | https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32039951/
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