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Popstar Taylor Swift – Lyrics für die Literaturwissenschaft

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Autor/in
Insa Köller

Taylor Swift ist einer der größten Popstars der Gegenwart. Ihre Songtexte sind voll literarischer Anspielungen. Einige Unis machen ihre Lyrics deshalb zum Lehrmaterial. Lassen sich so junge Leute für die Literatur begeistern?

Taylor Swift bezeichnet sich selbst als begeisterte Leserin. Bücher würden ihr beim Song-Schreiben helfen, in der Schule sei Englisch ihr Lieblingsfach gewesen – sagte die Sängerin bereits 2013 im Interview mit dem Literatur-Podcast Scholastic auf YouTube. Besonders angetan habe es ihr die Poesie, Reime, die – laut vorgelesen – klängen wie Songs.

„It sounded like a song, like when you have a line of poetry where the rhymes hit at the end of the sentences, it really sounds kind of like lyrics. So English class was always my favorite class because of the reading, because of the writing and mostly because of the poetry.“ (Taylor Swift)

Popsongs mit literarischen Anspielungen

Literarische Anspielungen ziehen sich wie ein roter Faden durch Taylor Swifts Diskographie. So erfindet ihr Song „Love Story“ die Geschichte von Shakespeares Romeo und Julia neu. Das Lied „Wonderland“ greift Elemente aus Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“ auf. Und in „The Lakes“ singt Taylor Swift über die Dichter des englischen Lake Districts und spielt dabei auf den Lyriker William Wordsworth an.

„…I’ve come too far to watch some namedropping sleaze tell me what are my Wordsworth. Take me to the lakes where all the poets went to die…“ (aus: The Lakes)

Die New York University verlieh Taylor Swift 2022 eine Ehrendoktorwürde der Kunstwissenschaften. An mehreren Universitäten in den USA und seit kurzem auch an der Uni im belgischen Gent können Studierende Taylor Swifts Lyrics im Seminar literaturwissenschaftlich analysieren.

Wird die Musik von Taylor Swift bald auch Lehrmaterial an deutschen Unis?

Literaturwissenschaftlerin Kim Kück, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bremen, könnte sich das gut vorstellen. Auch sie sieht die Parallelen zwischen Lyrics und Lyrik, von denen Taylor Swift im YouTube-Interview spricht.

Ich habe zuletzt ein Seminar gemacht zur Gedichtanalyse. Lyrikerinnen aus dem 19. Jahrhundert. Und im Endeffekt, was ich versucht habe den Studierenden beizubringen, bei qualitativer Analyse ist das gerade die Förderung von individuellen Blickpunkten darauf. Das kann man auf Lyrics, auf Songtexte genauso anwenden wie auf ein Gedicht.“ (Kim Kück)

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Popsongs literaturwissenschaftlich analysieren

Ein gutes Beispiel sei der Song „Anti-Hero“, in dem die Künstlerin über Unsicherheit, Ängste und Zweifel singt.

Wenn wir jetzt „Anti-Hero“ ganz klassisch nehmen, haben wir allein schon „midnights become my afternoons“, „I get older but never wiser“, dieser Widerspruch in sich. Wir assoziieren „older“ mit „wiser“ aber sie sagt, ich werde „older“ aber nicht „wiser“. (…) Die Binnenreime, die in den beiden Brücken drin vorkommen: „I should not be left to my own devices, they come with prices and vices“, das ist klassische Gedichtanalyse.“ (Kim Kück)

Und wie würde ein Literatur-Seminar zu Taylor Swift bei den Studierenden in Bremen ankommen? Fürs SWR2 lesenswert Magazin haben Jan-Lasse, Amelie und Chrissy mal eine erste literaturwissenschaftliche Analyse von „Anti-Hero“ versucht.

„Es ist eigentlich alles in diesem Song drin, was man gerne analysieren würde, wenn man eine Analyse von zum Beispiel einem Gedicht macht.“ (Chrissy, Studierende)
„Die dreifache Reimwiederholung, die in den Bridges auftritt, sehr schnell gesungen wird, wirkt für mich wie ein Ausdruck von so Gedankenströmen, die man nicht stoppen kann. (Amelie) Und allgemein hat es eine düstere Wirkung, da sie viel mit negativ besetzten Wörtern arbeitet, die durch diverse Stilmittel zum Leben erweckt werden.“ (Jan-Lasse, Studierender)

Lassen sich junge Leute über Taylor Swifts Musik fürs Lesen begeistern? Literaturwissenschaftlerin Kim Kück hält das für eine sinnvolle Methode.

„Um die Leute vielleicht ein bisschen mehr ranzukriegen, finde ich, ist es eigentlich ein sehr schöner Übergang. Auch so um die Stützräder erstmal anzusetzen. Machen wir die Gedichtanalyse  erstmal an 'nem Taylor Swift Song, der vertraut ist und dann können wir übertragen: Das haben wir jetzt bei Taylor Swift gesehen. Können wir das auch sehen bei Emily Dickinson, bei Elizabeth Barrett Browning, bei Emily Brontë, you name it?“ (Kim Kück)

Mit Taylor Swift Interesse an Literatur wecken

Ganz ähnlich möchte auch Literatur-Professorin Elly McCausland an der Uni Gent vorgehen. Sie hofft, jungen Menschen über Swifts Musik einen Schlüssel zum Verständnis älterer Texte zu liefern – von Shakespeare bis Sylvia Plath. Und das Interesse ist offenbar groß. Für das Taylor Swift Seminar meldeten sich in Gent auch etliche Studierende aus anderen Fachbereichen als der Literatur an sowie Menschen von außerhalb der Uni. Sie hätte noch nie so viele Anfragen von begeisterten Studierenden bekommen, die an dem Kurs teilnehmen wollten, sagte Elly McCausland im Interview mit der englischen Zeitung „The Guardian“. Der Professorin ist wichtig zu betonen, dass das Seminar aber seriös literaturwissenschaftlich arbeite und keine Fan-Veranstaltung sei.

Die Pop-Sängerin Taylor Swift, mit mehr als 252 Millionen verkauften Platten eine der erfolgreichsten Musikerinnen aller Zeiten, könnte künftig in akademischen Kreisen immer stärker auch als literarische Geschichtenerzählerin ernst genommen werden. Als letzte Ehrung für ihre literarischen Lyrics würde dann nur noch der Literatur-Nobelpreis fehlen. Den hat vor ihr bisher nur ein Musiker erhalten, nämlich 2016 Bob Dylan.

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Bernd Lechler diskutiert mit
Jakob Biazza, Journalist, Süddeutsche Zeitung
Prof. Dr. Jörn Glasenapp, Kulturwissenschaftler, Uni Bamberg
Jenni Zylka, Journalistin und Autorin

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Im Reclam Verlag erscheinen in der Reihe „100 Seiten" zwei Bücher über die beiden Pop-Stars Taylor Swift und Miley Cyrus, die sich deren Erfolg im Musikgeschäft widmen.

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Fakt ab! Eine Woche Wissenschaft Shook it off – Taylor Swift-Fans sorgen für Erdbeben

Diese Woche mit Julia Nestlen und Sina Kürtz.

Ihre Themen sind „besorgniserregend, aber interessant“:
- Auf der Schwäbischen Alb wurde ein Pferd gesichtet. Ein Bär? Ein Löwe? Wir wissen es nicht ... Aber das Tier ist aus Mammutelfenbein und 35.000 Jahre alt. Also alles halb so wild. (00:27)
- Die NASA hat den Kontakt zur Voyager II-Raumsonde verloren. Eine absolute Katastrophe, findet Sina! Aber etwas Hoffnung gibt es noch ... (04:34)
- Ein Forscher möchte einen gigantischen Sonnenschirm im All aufspannen, um die Erde vor Strahlung zu schützen. WTF? (12:50)
- Bei einem Konzert von Taylor Swift wurde ein kleines Erdbeben ausgelöst. Die Leute rasten halt einfach aus. (19:26)

Unser Podcast-Tipp: Levels & Soundtracks – der Podcast zur Musik in Videospielen. Sina meint: Ein Muss für alle Zocker :)
https://1.ard.de/podcast_levels

Weitere Infos und Studien gibt’s hier:
Fund aus der Eiszeit: Das Pferd ist jetzt ein Bär: https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/ulm/fund-des-jahres-2023-100.html
NASA Mission Update: Voyager 2 Communications Pause: https://voyager.jpl.nasa.gov/news/details.php?article_id=130
Mars Climate Orbiter scheitert an der Pfundkraftsekunde: https://www.swr.de/wissen/technik-fail-einheitenfehler-laesst-mars-climate-orbiter-zerschellen-100.html
Forscher will Schirm an Asteroiden binden, um die Sonne zu verdunkeln: https://futurezone.at/science/klimawandel-sonnenschirm-erde-abkuehlen-konzept-forschung/402543029
Space dust as Earth's sun shield: https://www.sciencedaily.com/releases/2023/02/230208155658.htm
Taylor Swift fans ‘Shake It Off,’ causing record-breaking seismic activity during Seattle shows: https://edition.cnn.com/2023/07/27/entertainment/taylor-swift-seismic-activity/index.html

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Was geht - was bleibt? Zeitgeist. Debatten. Kultur Fußball-EM und Taylor Swift: Warum Fans unverzichtbar sind

Fans füllen Fußballstadien, Konzerthallen und dominieren das Internet. Sie zeigen stolz ihre Kultur und Leidenschaft, sei es für einen Zweitligaverein oder einen Megastar wie Taylor Swift. Mitsingen ist erwünscht, und die Emotionen reichen von Ekstase bis tiefer Trauer.

Aber warum ist das so? Warum verehren und bewundern wir völlig Fremde oder Institutionen wie einen Verein? Warum verwandeln wir uns, wenn wir als Fans auftreten? Und war das schon immer so?

Die Autorin und Fußballfan Anne Hahn sagt: "Der Reiz liegt in der Gemeinschaft." Ihre Initialzündung erlebte sie bei einem Spiel des 1. FC Magdeburg, als ein verschwitzter älterer Mann sie in den Arm nahm. Ist Fan-Sein also eine soziale Utopie, eine selbstgewählte Gemeinschaft? Oder doch vor allem eine nie endende Adoleszenz, in der das Teenager-Gefühlschaos zur Norm wird?

Diese Fragen diskutieren wir in unserer aktuellen Folge zur Fußball-Europameisterschaft der Männer. Seid ihr Fan von Fans? Schreibt uns dazu an kulturpodcast@swr.de.
Hosts: Pia Masurczak & Christian Batzlen
Gast: Anne Hahn
Showrunner: Julian Burmeister

Mit Statements von: Harald Lange, Fanforscher und Gründer des Fan-Instituts, Taylor Swift-Fan Insa und Fußballfan Daniel
Anne Hahn empfiehlt: Choreo Magdeburg gegen Fürth: 50 Jahre Europapokalsieger der Pokalsieger https://www.youtube.com/shorts/x95BNe8dfCc
Das Buch “Mittendrin” von Anne Hahn und Frank Willmann findet ihr hier: https://www.bpb.de/shop/buecher/zeitbilder/265784/mittendrin/

Was geht - was bleibt? Zeitgeist. Debatten. Kultur. Taylor Swift und Co: Wird Popmusik immer flacher?

Eine Computeranalyse der Uni Innsbruck kommt zu einem bemerkenswerten Schluss: Die Songtexte erfolgreicher Popmusik würden seit 1970 immer simpler. Das heißt, sie verwenden weniger und weniger komplexe Worte, arbeiten viel mit Wiederholungen und sind außerdem grammatikalisch einfach gestrickt. Aber selbst wenn dieser Befund stimmen sollte: Muss denn einfach auch gleich schlecht sein? Und: Kann ein Computer wirklich die Qualität eines Textes erfassen?

Der Medien- und Literaturwissenschaftler Jörn Glasenapp ist da skeptisch. Sein Gegenbeispiel für die steile These der Studie ist der erfolgreichste Popstar unserer Zeit: Taylor Swift. “Komplexe Inhalte kann man nicht mehr brauchen”, glaubt wiederum die Musikerin Charlotte Brandi (ehemals Mitglied der Band “Me And My Drummer”). Der Kapitalismus habe uns so fest im Griff, dass sich die Texte den Vermarktungslogiken von Spotify und Co. unterwerfen müssten. Einfachheit also für die Verwertbarkeit?

Vielleicht sind “einfach” oder “komplex” aber auch die falschen Kategorien, um Musik zu bewerten. Wie wird ein Popsong also zu einem guten Song, der viele Menschen berührt?

Wenn ihr die Entwicklung der Musikindustrie ganz anders wahrnehmt oder Themen habt, die wir uns genauer anschauen sollten, dann schreibt uns eine Mail an kulturpodcast@swr.de.

Hosts: Pia Masurczak und Philine Sauvageot
Showrunner: Julian Burmeister

Links:
Jörn Glasenapp - “Taylor Swift. 100 Seiten”
https://www.reclam.de/detail/978-3-15-020709-3/Glasenapp__Joern/Taylor_Swift__100_Seiten
Charlotte Brandi - “Wind” feat. Dirk von Lowtzow (Tocotronic)
https://www.youtube.com/watch?v=OE-N8uBNTNI
Studie der Uni Innsbruck - “Song lyrics have become simpler and more repetitive over the last five decades”
https://www.nature.com/articles/s41598-024-55742-x

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Insa Köller