FAZ-Kolumnen in Buchform

„Muslimisch-jüdisches Abendbrot“ mit Meron Mendel und Saba-Nur Cheema: Interreligiöser Alltag in Deutschland

Stand
Das Interview führte
Wilm Hüffer
Interview mit
Doris Maull

Eine interreligiöse Ehe, sie Muslimin, er Jude. Kann das gut gehen in diesen Zeiten besonders großer Spannungen zwischen Juden und Muslimen? Das Ehepaar Saba-Nur Cheema und Meron Mendel schreibt seit drei Jahren in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ über seinen interreligiösen und dadurch nicht immer spannungsfreien Alltag. Jetzt sind die Kolumnen in Buchform erschienen, unter dem Titel „Muslimisch-jüdisches Abendbrot. Das Miteinander in Zeiten der Polarisierung“. SWR Kultur-Redakteurin Doris Maull hat das Buch vorab gelesen und empfiehlt die Lektüre.

Muslimisch? Jüdisch? Abendbrot?

SWR Kultur: Der Titel klingt ein bisschen nach Bibelkreis: „Muslimisch-jüdisches Abendbrot“. Oder nicht?

Doris Maull: Ich finde, der Titel leuchtet ein. Zum einen „muslimisch-jüdisch“: Saba-Nur Cheema ist Muslimin. Ihre Eltern sind in den 1970er-Jahren aus Pakistan geflüchtet. Sie selbst ist in Frankfurt geboren und aufgewachsen, sehr stark geprägt vom konservativ-muslimischen Gemeindeleben ihrer Eltern. Meron Mendel ist Jude, er ist in einem Kibbuz in Israel geboren und hat dort die ersten 25 Jahre seines Lebens verbracht, praktiziert bis heute sein Judentum.

Soviel zum einen Teil des Titels. Und die beiden leben ihre jeweilige Religion, sitzen beim Abendbrot in ihrem deutschen Zuhause beisammen und reden über das, was ihnen im Alltag so passiert, was sie lesen, was sie hören, was Freunde ihnen erzählen und tauschen sich darüber aus. Und wie diese Gespräche, diese Dialoge ablaufen, das halten sie dann eben in der FAZ-Kolumne fest.

Und im Vorwort des Buches betonen sie, dass es nach dem 7.Oktober, also nach dem Attentat der Hamas, noch viel schwieriger geworden sei, zu vermitteln, wie es ihnen eigentlich gelingt, als muslimisch-jüdisches Paar mit dieser gespannten politischen Situation umzugehen.

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Wissenschaftler und Publizistin | 28.1.2024 Prof. Meron Mendel und Saba-Nur Cheema: Gegen Hass und Hetze

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Der Alltag liefert die Themen

SWR Kultur: Gesprächsthemen haben die beiden in jedem Fall genug. Aber wie bekommt man da Ordnung rein, wovon handeln diese einzelnen Kolumnen?

Doris Maull: Ordnung gibt es nicht so richtig. Aber es ist dennoch sehr interessant, weil Mendel und Cheema ein breites inhaltliches Spektrum abdecken: Von der Frage, wie man ein muslimisch-israelisch-jüdisch-pakistanisch-hessisches Kind erzieht bis hin zu Fragen der Transgender-Politik, um das Für und Wider von Aktivismus, um die Auseinandersetzung über kulturelle Aneignung.

Es geht aber auch um die geringe Repräsentanz von Menschen mit migrantischen Wurzeln in der Politik. Ich habe zum Beispiel gelernt, dass nur fünf von insgesamt 335 Oberbürgermeistern und Oberbürgermeisterinnen in Deutschland einen Migrationshintergrund haben.

SWR Kultur: Nun liest man diese Kolumnen auch vor dem Hintergrund des sich immer weiter verschärfenden Nahost-Konflikts. Wie aktuell wirken denn die Kolumnen? Die Entwicklung ist ja rasant ...

Doris Maull: Die Kolumnen im Buch sind zwischen Juli 2021 und März 2024 entstanden, sind also überwiegend aktuell. Es gibt zum Beispiel einen Text zur AfD, überschrieben mit „Keine gepackten Koffer – Warum wir das Land nicht der AfD überlassen.“ Darin berichten Cheema und Mendel über ihren Urlaub an Ostern 2024 in Thüringen. Allerdings muss man auch sagen: Die Kolumne ist im März 2024 entstanden und nicht im September.

Zeitgenossen Meron Mendel: „Mein Ziel ist, dass wir alle vorurteilsbewusst werden.“

„Dass die Künstler aus dem globalen Süden uns provozieren, ist an sich nicht zu kritisieren“, sagt Meron Mendel, der Leiter der Bildungsstätte Anne Frank Frankfurt. Rund um die Antisemitismusvorwürfe gegen die diesjährige Documenta hat sich der Publizist, Historiker und Pädagoge unermüdlich für den Dialog eingesetzt. Ohne Erfolg.

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Dialog – auch, wenn’s schwerfällt

SWR Kultur: Da haben wir ja inzwischen eine andere Situation. Gerade weil die Kolumnen so aktuell angelegt sind, fragt man sich: Kann dieses Buch den gesellschaftlichen Konflikten gerecht werden? Auch dem Nahost-Konflikt?

Doris Maull: Klar sind auch Kolumnen im Buch enthalten, die sich mit dem Nahost-Konflikt beschäftigen. Eine ist zum Beispiel der sogenannten Boykott-Kultur gewidmet. Da wird auch noch einmal ganz deutlich, welcher Zerreißprobe diese Ehe tatsächlich ausgesetzt ist.

Darin beschreiben Cheema und Mendel, wie sie nach dem 7. Oktober noch auf Nachrichten von Freunden aus den überfallenen Kibbuzim warteten und währenddessen im pakistanischen Fernsehen sahen, wie das Hamas-Attentat auf den pakistanischen Straßen und in pakistanischen Talkshows gefeiert wurde.

Und dennoch plädieren sie am Ende dafür, Boykottforderungen von beiden Seiten abzulehnen und es stattdessen mit Voltaire zu halten, dem der Satz zugeschrieben wird: „Ich missbillige, was Sie sagen, aber ich werde bis zum Tod Ihr Recht verteidigen, es zu sagen.“

Zeitgenossen Saba-Nur Cheema: „Sensibilisierung für Rassismus und Antisemitismus hat zugenommen.“

„In einer pluralistischen Gesellschaft kommt es darauf an, die Widersprüche und die Mehrdeutigkeit auszuhalten“, sagt die Politikwissenschaftlerin Saba-Nur Cheema. Die Tochter muslimisch-pakistanischer Eltern ist als Geflüchtete nach Deutschland gekommen. Heute lehrt sie an der Frankfurt University of Applied Sciences und ist als Referentin an der Anne-Frank Bildungsstätte aktiv.

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Lesen? Lesen!

SWR Kultur: Warum sollte man dieses Buch lesen?

Doris Maull: Weil es gut und anschaulich geschrieben ist. Und weil es tatsächlich nahezu alle Streitthemen der aktuellen aufgeheizten Debatten aufgreift und unterschiedliche Perspektiven auf ein und denselben Sachverhalt aufzeigt. Weil es wichtige Fragen stellt.

Und last but not least, weil dieses Buch eben ein Beispiel dafür liefert, wie zwei Menschen, die unterschiedliche Religionen haben, unterschiedlich sozialisiert sind, es in diesen aufgeheizten, polarisierten Zeiten tatsächlich schaffen können, sich gepflegt und friedlich auseinanderzusetzen und trotz aller Unterschiede eine Ehe zu führen, beziehungsweise eine Partnerschaft zu leben.

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