Identitätspolitik und die Folgen
„In einer pluralistischen Gesellschaft kommt es darauf an, die Widersprüche und die Mehrdeutigkeit auszuhalten“, sagt die Politikwissenschaftlerin, Publizistin und Pädagogin Saba-Nur Cheema. Dabei übt sie Kritik an den gegenwärtigen Erscheinungsformen der Identitätspolitik. Es herrsche gewissermaßen eine „Sakralisierung der Betroffenenperspektive“, so Cheema.
Wenn jemand beispielsweise frage: „Woher kommst Du?“, dann sei das gleich Rassismus. Damit finde eine totale Verkürzung dessen statt, um was es eigentlich gehe. „Wir müssen Rassismus, genau wie andere Formen von Diskriminierung wie Antisemitismus oder Sexismus objektiv erst mal definieren, um dann sagen zu können, ok, das hat was mit Rassismus zu tun und das nicht.“
NSU Morde, Hanau und das politische Klima
Grundsätzlich hätten die NSU Morde und der Anschlag von Hanau das politische Klima in Deutschland eindeutig verändert. „Ich würde sagen, es ist ein anderes Bewusstsein entstanden und seitdem gibt es viel intensivere Auseinandersetzungen mit dem Thema Rassismus auf verschiedenen Ebenen“, beobachtet die Politikwissenschaftlerin.
Hanau habe zu viel größerer Sensibilisierung der Mehrheitsgesellschaft und zu diversen politischen Initiativen geführt. Für die migrantische Community sei Hanau eine echte Zäsur gewesen, stellt Cheema fest. „Hanau war für sie so etwas wie ein sehr, sehr krasser Einschnitt in ihre Wahrnehmung über sich selbst und ihre Rolle in dieser Gesellschaft.“
Gegen Feindbilder, für differenzierte Betrachtung
In der Debatte über muslimischen Antisemitismus vertritt Cheema eine eindeutige Position: „Das Benennen von antimuslimischem Rassismus und muslimischem Antisemitismus gehören zusammen“, so ihre feste Überzeugung.
Anstatt diese beiden Phänomene tatsächlich zusammen zu betrachten, gäbe es die Tendenz, bei Reden über Antisemitismus unter migrantischen Jugendlichen zu pauschalisieren. „Das klingt dann immer so als ob muslimische Jugendliche dazu neigen, Antisemiten zu sein“, kritisiert Cheema. Sie wolle gar nicht behaupten, dass Antisemitismus in dieser Gruppe keine Rolle spiele. Dennoch: „Wir dürfen auf keinen Fall wegsehen, aber auch nicht sagen, das ist das Hauptproblem und alles andere vergessen wir.“