Die Amerikanerin Joy Williams, geboren 1944, hat sowohl Romane als auch Short Stories geschrieben. Im vergangenen Jahr erschien in Deutschland eine im Original bereits 2015 erschienene Sammlung von Kurzgeschichten mit dreizehn Texten aus fünf Dekaden. Raymond Carver, der als Referenzgröße in diesem Genre gilt, hat Williams‘ Geschichten als „Wunder“ bezeichnet. Trotzdem ist sie hierzulande noch immer kaum mehr als der berüchtigte Geheimtipp.
Nun ist Williams’ Debütroman, den sie im Jahr 1973 veröffentlicht hat, in der Übersetzung der Schriftstellerin Julia Wolf erschienen: „State of Grace“ oder „In der Gnade“ erzählt in einer ungewöhnlichen Sprache und in der Ich-Form aus der Perspektive einer Frau, die einen Ausbruch und einen Neubeginn gewagt hat: Kate heißt sie und ist geflohen vor ihrem Vater, einem Prediger. Nun sitzt sie in einem Wald in der Nähe des Golfs von Mexiko und denkt nach: „Das Moos fühlt sich an wie die Hände meines Vaters, die ohne erkennbaren Grund immer sehr rau waren. So viele Dinge sind gleich beschaffen. So viele Ansichten. Beinahe alle Lippen und Arme und Mittage sind gleich, Wut fühlt sich immer gleich an, und Liebe auch.“
Kate hat Grady kennengelernt, ihren Mann. Sie erwartet ein Kind. Zusammen leben die beiden in einem Campinganhänger im Wald. Die Struktur des Romans ist so undurchdringlich wie Kates Seelenzustand. Erinnerungen an die Zeit davor tauchen auf. „Der beste Roman des Jahres“ sei „In der Gnade“, urteilte seinerzeit Truman Capote nach seiner Lektüre.