Gespräch

Neuer Blick auf Bausünden in Mannheim: „Wir können uns keinen Abriss mehr leisten“

Stand
Interview
Rainer Volk

Umbauen und säubern, aber nicht abreißen: Das empfiehlt die Architekturhistorikerin und Urbanistin Turit Fröbe im Umgang mit maroden Verwaltungsgebäuden und Betonburgen. Sie plädiert nach einem Stadtspaziergang zu „Mannheims schönsten Bausünden“ im Gespräch mit SWR2: Nehmt Euch Zeit – und entdeckt die Schönheit der Bauten neu!

Audio herunterladen (6,9 MB | MP3)

Gute und schlechte Bausünden

„Ich war sehr überrascht, dass es soviel Anklang gefunden hat“, sagt Turit Fröbe über ihre Stadtführung am Wochenende. Das Publikum bei dem Spaziergang zu drei umstrittenen Gebäuden – dem Parkhaus am Dalbergplatz, dem Stadthaus und der Sparkasse – sei aus allen Berufs- und Altersgruppen gekommen, berichtet Fröbe: „Es waren nicht alles Architekten, sondern auch interessierte Bürgerinnen und Bürger.“ Für sich selbst hat die Expertin zwei Kategorien entwickelt: gute Bausünden und schlechte.

Die guten Bausünden sind die, die ins Auge springen, die von einer gewissen Ambition zeugen, die Fantasie zeigen.

Schwieriger sei es mit den Investorenbauten, die zu hunderten an den Einfallstraßen aller Städte stehen: „Die sind so banal und hässlich, dass das Auge abrutscht. Die sind tückisch, die bemerkt man gar nicht.“

Mannheim und Ludwigshafen im Vergleich

Für Mannheim stellt Fröbe fest: „Die Stadt hatte auf jeden Fall in den 70er-Jahren eine ambitionierte Bauarchitektur.“ Paradoxerweise seien deshalb Bauten aus dieser Zeit heute umstritten, denn der Baugeschmack sei labil und Moden ausgesetzt. „Man kann nach 20 bis 25 Jahren nicht mehr ausstehen, was einmal gefallen hat“, erklärt Fröbe das Phänomen.

Auf der anderen Rheinseite, in Ludwigshafen, sei das anders. „Da sticht nichts hervor, das Herausragende fehlt mir – die ganzen expressiven Bausünden.“

Mannheim

Bausünde oder Baukultur? Diesen fünf Gebäuden in Mannheim droht die Abrissbirne

Ist das Baukultur oder kann das weg? Das fragt die Mannheimer Initiative MOFA in Bezug auf ungeliebte Betonbauten. Sie kämpft für den Erhalt von sogenannten „Bausünden“.

Plädoyer fürs Umbauen

Generell empfiehlt Fröbe Stadtplaner*innen und Architekt*innen, sich beim Umgang mit älteren Gebäuden Zeit zu geben und nachzudenken. Denn Abreißen und einen Neubau planen sei kaum noch zeitgemäß angesichts der miserablen Klimabilanz des Bausektors. „Wir wissen heute, dass wir uns im Prinzip überhaupt keinen Abriss mehr leisten können. Wir müssen zu einer Umbaukultur kommen“, empfiehlt sie angesichts des anfallenden Energieaufwands. Oft genüge es sogar, ein Gebäude nur zu säubern, um dann dessen Ursprungsidee wiederzuentdecken.

Wir wissen heute, dass wir uns im Prinzip überhaupt keinen Abriss mehr leisten können. Wir müssen zu einer Umbaukultur kommen.

Von ihrem Stadtspaziergang hat Fröbe den Eindruck mitgenommen, dass die Menschen in Mannheim einen sehr entspannten Umgang mit den so genannten Bausünden in ihrer Stadt pflegen. Am meisten diskutiert worden sei noch das Parkhaus am Dalbergplatz: „Die haben gesagt: Es gibt so eine große Wohnungsnot Warum können wir da nicht Wohnungen haben?“

Mannheim

Bausünde oder Baukultur? Diesen fünf Gebäuden in Mannheim droht die Abrissbirne

Ist das Baukultur oder kann das weg? Das fragt die Mannheimer Initiative MOFA in Bezug auf ungeliebte Betonbauten. Sie kämpft für den Erhalt von sogenannten „Bausünden“.

Mainz

Leben & Gesellschaft 50 Jahre „Elsa“ – Mainzer Hochhaussiedlung mit bewegter Geschichte

Die bis zu 23 Stockwerke hohen Betonklötze in der Mainzer Elsa-Brändström-Straße gefallen nicht jedem. Doch sie haben ihren eigenen Charme, sagt Kunsthistoriker Robinson Michel, der selbst in der „Elsa“ wohnt.

SWR2 Journal am Mittag SWR2

Stand
Interview
Rainer Volk