Deutschlandweit rund 10.000 Kunst-am-Bau-Werke

Architektur trifft auf Kulturförderung: Baut der Bund, gehört Kunst dazu

Stand
Autor/in
Hannegret Kullmann
Hannegret  Kullmann, Autorin bei SWR Kultur

Staatliche Kunstförderung, politisches Statement oder doch nur schmückendes Element? Die sogenannte Kunst am Bau kann vieles sein. Seit den fünfziger Jahren gehört sie in beiden Teilen Deutschlands zur Pflichtaufgabe beim öffentlichen Bauen.

Rostbraune Skulptur "Berlin" von Eduardo Chilida vor dem Bundeskanzleramt in Berlin
Fünf Meter hoch und knapp 90 Tonnen schwer: Die Skulptur „Berlin“ von Eduardo Chillida (2000).

Ohne die Eisenplastik des baskischen Künstlers Eduardo Chilida ist das Bundeskanzleramt nicht mehr vorstellbar. Der fünfeinhalb Meter hohe Koloss mit dem Titel „Berlin“ taucht beinahe täglich in den Fernsehnachrichten auf und ist ein prominentes Beispiel für das Thema Kunst am Bau.

Bronzeskulptur "Large Two Forms" vor dem früheren Bundeskanzleramt in Bonn
Henry Moores Bronzeskulptur „Large Two Forms“ vor dem ehemaligen Bundeskanzleramt in Bonn (1979).

Chilidas Eisenplastik in Verbindung mit der eigenwilligen Architektur ist zum Symbol für die Berliner Republik geworden, genauso wie Henry Moores Bronzeskulptur „Large Two Forms“ lange Zeit für die Bonner Republik stand.

Die beiden Plastiken gehören zu knapp 10.000 Kunst-am-Bau-Werken, die seit den fünfziger Jahren im Auftrag des Bundes entstanden sind, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit.

0,5 bis 1,5 Prozent der Bausumme für Kunst sind Pflicht

Die Kunst am Bau beruht auf einer Selbstverpflichtung: Überall da, wo der Bund als Bauherr antritt, muss er 0,5 bis 1,5 Prozent der Bausumme für Kunst ausgeben, die vor, im, am oder auf dem Gebäude platziert ist.

Die meisten Aufträge werden über Wettbewerbe vergeben. Also: Kein Ministerium, keine Behörde, keine Forschungsanstalt oder deutsche Botschaft ohne Kunst. Ähnliche Regelungen findet man auch in den Bundesländern und in einigen Kommunen.

Bunte Glaswand mit Arbeitermotiven im Stil des sozialistischen Realismus, DDR-Kunst
„Aus der Geschichte der Arbeiterbewegung“ - Glaskunst von Walter Womacka im ehemaligen Staatsratsgebäude in Berlin (1964).

Ebenfalls in den fünfziger Jahren beschloss auch die DDR, bildende Künstlerinnen und Künstler in die Gestaltung von staatlichen Bauten einzubinden.

Ob Glaskunst, Reliefs oder Wandmalereien: Die Kunstwerke entstanden oft im Stil des sozialistischen Realismus und spiegeln das Selbstverständnis der DDR als Arbeiter- und Bauernstaat wider.

Helles Wandrelief mit Taube, Fabrikschloten und Weizenähren
„Die Wirtschaft der DDR unter dem Zeichen des Friedens“ von Fritz Kühn im ehemaligen Staatsratsgebäude in Berlin (1964).

Die Kunst am Bau kann auch politische Debatten anstoßen: So wie Hans Haackes Projekt für einen Lichthof des Berliner Reichstagsgebäudes.

In einem großen Beet mit Grünpflanzen installierte er aus Neonröhren den Schriftzug „Der Bevölkerung“. Damit nahm er direkten Bezug zur historischen Inschrift „Dem deutschen Volke“ am Hauptportal von 1916.

Schriftzug aus Pflanzen "Der Bevölkerung" in Innenhof des Reichtagsgebäudes
Das Kunstprojekt von Hans Haacke sorgte 2000 für kontroverse Diskussionen und eine Abstimmung im Bundestag.

Palmen vorm Bundesnachrichtendienst sorgen für Gerüchte

Für wilde Gerüchte sorgte die Kunst am Bau im Falle des Bundesnachrichtendienstes in Berlin. Für die Rückseite des Gebäudes entwarf Ulrich Brüschke zwei riesige künstliche Palmen, mit denen er dezent auf die internationale Spionagetätigkeit des BND anspielen wollte.

Manche Betrachter hielten die Kunstwerke anfangs für getarnte Mobilfunkmasten oder Überwachungsanlagen.

Ein Kunstwerk in Form einer Palme steht vor einem Gebäude des BND in Berlin
Die sogenannten Abhör- oder Spionage-Palmen auf dem Gelände des BND in Berlin gaben vielen Betrachtern Rätsel auf (2018).

Viele Kunstwerke sind für die Öffentlichkeit nicht zugänglich

Die höchste Dichte an Kunst-am-Bau-Werken gibt es natürlich am Regierungssitz Berlin. Aber auch an vielen anderen Orten Deutschlands kann man baubezogene Kunst finden.

Allerdings ist sie nicht immer öffentlich zugänglich, sondern nur denen vorbehalten, die im Bundestag oder anderen Bundes-Institution arbeiten.

Deshalb hat das verantwortliche Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung eine Online-Plattform entwickelt. Im „Museum der 1000 Orte“ sollen nach und nach alle Kunstwerke – zumindest virtuell – gezeigt werden.

Rot-blau gemusterte Wand in der Mensa der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg
All-Over-Strukturen von Francois Morellet zieren diese Wand in der Mensa der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr in Hamburg (1976).

Zentrum Baukultur „70 Jahre Kunst am Bau“: Mainzer Ausstellung zeigt architekturbezogene Kunst aus sieben Jahrzehnten

1950 beschlossen die BRD und die DDR unabhängig voneinander, dass die Gegenwartskunst bei der Gestaltung staatlicher Bauten eine feste Rolle spielen soll. Die Ausstellung „70 Jahre Kunst am Bau“ im Zentrum für Baukultur in Mainz präsentiert ausgewählte Projekte.

SWR Kultur am Mittag SWR Kultur

Mehr Architektur bei SWR Kultur

Healing Art & Architecture Malerei statt Medikamente: Wie Architektur und Kunst beim Heilen helfen können

„Healing Architecture“ und „Healing Art“ sind neue Konzepte für den Einsatz von Kunst und Architektur in Krankenhäusern zur Unterstützung des Heilungsprozesses.

SWR Kultur Doku SWR

Von der Fuggerei zum Quartier Vauban Mehr als ein Dach über dem Kopf: Wohnsiedlungen in Deutschland

Vor 12.000 Jahren begannen unsere Vorfahren sesshaft zu werden. Von den ersten Lehmziegelhäusern bis hin zur Planung ganzer Wohnsiedlungen war es ein weiter Weg. Fünf Musterbeispiele aus der Neuzeit.

Mainz

Bauarbeiten für Venus beginnen Göttliche Bushaltestelle in Mainz

In Mainz können Fahrgäste demnächst in einer Göttin auf den Bus warten. Ein Bushaltestelle wird durch eine Venus-Skulptur ersetzt. Jetzt beginnen die Arbeiten für das Projekt.

SWR4 RP am Morgen SWR4 Rheinland-Pfalz

Mannheim

Landesdenkmalämter tagen in Mannheim Mehr Bürgerbeteiligung: Wie erreicht Denkmalschutz die Gesellschaft?

Wie erreicht Denkmalpflege die Gesellschaft? Darüber diskutieren die Fachleute der Landesdenkmalämter auf ihrer Jahresfachtagung in Mannheim.

Gespräch „Hin und weg“ – Berliner Humboldt Forum zeigt Ausstellung zum Palast der Republik

Im Palast der Republik wurde 1900 die deutsche Einheit beschlossen. Das Humboldt-Forum, das an seine Stelle trat, widmet ihm jetzt eine Ausstellung.

SWR Kultur am Morgen SWR Kultur