Healing Art & Architecture

Malerei statt Medikamente: Wie Architektur und Kunst beim Heilen helfen können

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Autor/in
Steffen König
Steffen König, Autor und Redakteur, SWR Kultur

„Der Mensch braucht Schönheit“, sagt die Kunsthistorikerin Isabel Grüner, „und Schönheit ist eben auch Farbe und Bewegung und Form und Vielfalt.“ Grüner ist Kunsthistorikerin und leitet die Abteilung „Healing Art“ im Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart. Kranke haben ihrer Meinung nach nicht nur medizinische Bedürfnisse, die ein Krankenhaus befriedigen sollte.

Neuer Ansatz: Kunst soll beim Heilen helfen

Die meisten Patientinnen und Patienten kennen Krankenhäuser als karge Bedarfsbauten mit Neonbeleuchtung und pflegeleichten Linoleumböden. Dabei, so glauben Forschende, kann das Umfeld einen Beitrag zur Genesung leisten.

Diese non-medizinischen Bedürfnisse werden bei der „Healing Art“, also der heilenden Kunst, und der „Healing Architecture“, der heilenden Architektur, gezielt berücksichtigt. 

Kunst auf einem Krankenhausflur. Das Bild zeigt blaue Punkte, die an Wasser erinnern und die schemenhafte Darstellung einer Turmspringerin.
Dieser Flur im Robert-Bosch-Krankenhaus wurde von der Künstlerin Anna Ingerfuth gestaltet.

Gebäude, insbesondere Gesundheitsbauten, sollen so gestaltet werden, dass sie einen positiven Einfluss auf das körperliche und seelische Wohlbefinden der Patientinnen und Patienten haben.

Ziel ist es also nicht, wie bisher nur die medizinische Behandlung zu optimieren, sondern die Architektur selbst als therapeutisches Element zu verstehen – und eine möglichst heilsame Umgebung zu schaffen.

Man kann mehrere wissenschaftlich erwiesene Faktoren aufzählen, die einen wesentlichen Einfluss auf die Gesundheit und die Genesung haben. Einige davon stellen wir hier vor.

Isabel Grüner vom Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart im Interview:

Keep it simple: Offene Ausschilderung sorgt für Sicherheit

Orientierung ist im Krankenhaus besonders wichtig, weil die Patienten und Patientinnen ohnehin schon aufgeregt und schnell überfordert sind. Wenn Wege dann auch noch kompliziert zu finden oder missverständlich ausgeschildert sind, verstärkt das ihre Verunsicherung.

Aussicht und Weitsicht zu schaffen kann helfen: „Das, was man nicht sieht, macht Angst. Und deshalb lautet in vielen Bereichen der Klinik das Konzept: mehr Transparenz zu haben, mehr Durchblick zu haben, um Angst einflößende Sachen zu reduzieren.“, erklärt Thomas Vraetz, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin und Baubeauftragter für die neue Kinder- und Jugendklinik in Freiburg.

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Malerei an den Decken gegen die Verwirrtheit 

Im Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhaus haben die Mitarbeitenden der Intensivstation eine interessante Beobachtung gemacht: Sinnliche Reize an der Decke sorgen dafür, dass Menschen nicht so schnell ins Delir fallen. „Tatsächlich hat sich gezeigt, dass Menschen unter einer farbigen Decke nicht so häufig diesen Zustand akuter Verwirrtheit erleiden”, erklärt die Leiterin der Abteilung „Healing Art“ Isabel Grüner.

Bunte, symmetrisch angeordnete Flächen an der Decke im Aufwachraum eines Krankenhauses.
Orientierung an der Decke kann Verwirrung bei den Patienten und Patientinnen nach der Narkose verhindern.

Farben für die richtigen Emotionen

Statt weiß-grauer Wände und Neonlicht, dem üblichen sterilen Krankenhaus-Look, rufen Farben Emotionen hervor und beeinflussen so unsere Stimmung.

Im Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart wurde die Notaufnahme umgestaltet: beruhigende Farben und gesundes Licht für Behandlungsräume und Flure. Ausgedacht hat sich dieses Konzept der Stuttgarter Lichtkünstler Laurenz Theinert und ließ dafür spezielle Folien entwickeln: ein Gesamtkunstwerk aus Licht, Schatten und Farben.

Kunst und Architektur geben heilsame Impulse

Auf allen Ebenen sollen, statt der häufig negativen Erfahrungen bei Krankenhausaufenthalten, bewusst positive und freundliche Impulse gesetzt werden. Ein besonders gelungenes Beispiel, wie ein Krankenhaus für Kinder auch aussehen kann, ist das Prinses Máxima Centrum im niederländischen Utrecht:

Bei der Gestaltung geht es um die Ablenkung: „Wie kann man den Patienten von seinen Ängsten, Schmerzen, Unruhe und so befreien? Da sind eine bunte Decke, Tapeten, Bilder an den Wänden sehr hilfreich. Dadurch werden die Patienten einfach von ihren inneren Sorgen und Ängsten abgelenkt“, bestätigt die Krankenschwester Susanne Gottwald-Lerch vom Robert-Bosch-Krankenhaus. 

Bild im Flur eines Krankenhauses: Ein Mädchen springt auf einem Trampolin
Motive, die den Fokus auf sich ziehen: Diese Wand im Robert-Bosch-Krankenhaus hat die Künstlerin Anna Ingerfurth gestaltet.

Der inneren Uhr beim Ticken helfen

Biodynamisches Licht auf den Krankenstationen kann den Schlaf-Wach-Rhythmus regulieren, indem es die Produktion von Melatonin und Serotonin steuert. Nicht nur für Patientinnen und Patienten, sondern auch für Menschen, die im Schichtdienst arbeiten, kann so eine natürliche Lichtsituation hilfreich sein. Am besten wirkt aber natürlich echtes Licht.

Tageslicht verbessert die Stimmung, reduziert das Risiko von Depressionen, stärkt das Immunsystem und unterstützt die Knochenbildung. Und damit das Tageslicht seinen Weg in die Räume findet, hilft eine Architektur, die das berücksichtigt.

Abstrakte, bunte Kunst an der Wand im Patientenzimmer.
Auch auf den Zimmern sollen abstrakte Kunstwerke, hier von Klaus Martin Treder, die Patientinnen und Patienten dazu bewegen, sich auf Farben und Formen zu konzentrieren.

Was bringt das am Ende?

Das richtige Zusammenspiel dieser einzelnen Faktoren begünstigt Heilungsprozesse. Bei Bauvorhaben sollte entsprechend berücksichtigt werden, dass Geräusche, Farben, Tageslicht, Orientierung und andere Elemente nicht nur ästhetisch sind, sondern einen direkten Einfluss auf Gesundheit und Wohlbefinden haben. Sinnvoll kombiniert entsteht so eine Umgebung, die den Heilungsprozess unterstützt und die Lebensqualität verbessert.

Die SWR Kultur Dokumentation „Heilende Architektur: Neue Konzepte für Krankenhäuser“ stellt zwei Krankenhäuser aus Baden-Württemberg vor, die sich bereits heute darum bemühen, die wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Gestaltung ihrer Gebäude einzubeziehen.

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