Weil sie Zucker ohne Ende aßen, hatten Adlige im 18. Jahrhundert oft entsetzliche Zähne. Die Folge: Kieferschonende Gerichte wie Pasteten und Pürees wurden erfunden. Die Reiss-Engelhorn-Museen tauchen ein in die Geschichte des Essens von der Steinzeit in die Gegenwart - und nehmen mit auf eine Körperreise durch die menschliche Darmflora.
Kochen wie in der Steinzeit
Schon in der Steinzeit war das so, vor rund 800.000 Jahren: Wer sein erlegtes Wild genießbar zubereiten wollte, brauchte einen guten Herd, sprich: ein anständiges Feuer.
Im „Zeitreise“-Teil der Ausstellung im Mannheimer Zeughaus-Museum können Besucherinnen und Besucher da gleich selbst Hand anlegen, bei einer von vielen Mitmachstationen.
Wenn das Feuer brennt, geht’s ans Zubereiten. An Wand-Bildschirmen laufen Filme, die zeigen, wie Steinzeitmenschen das so gehandhabt haben: „Fleisch wird in Gras verpackt, auf die heißen Steine gelegt, und mit heißen Steinen und Erde zugedeckt. Das funktioniert wie ein Ofen. Nach mehreren Stunden ist der Braten fertig.“
Das älteste Kaugummi der Welt
Die kulturgeschichtliche Essens-Zeitreise: Gespickt mit vielen Kuriositäten. Wie zum Beispiel ein uraltes Kaugummi. Ausgestellt in einer Vitrine hinter eine Lupe: Ein dunkelbraunes, zerknautschtes, unappetitlich aussehendes Etwas.
„Das älteste Kaugummi der Welt ist vor ein paar Monaten entdeckt worden, in Skandinavien. Es ist 10.000 Jahre alt“, sagt die Ausstellungsmacherin Gaelle Rosendahl. Es besteht aus Birken-Pech, also dem destillierten Teer von der Birke. „Das ist wahrscheinlich als Zahnpflege benutzt worden.“
Reiche Leute hatten entsetzliche Zähne
In diesem Fall scheinen die Urzeitmenschen tatsächlich fortschrittlicher gewesen zu sein, als manch ein Nachfahre. Zum Beispiel in der Zeit des Barock. Erlesene Speisen gab es damals, zumindest bei reichen Adligen, im Überfluss.
Ein zuweilen ungesunder Überfluss. So hatten viele Damen und Herren eine sehr unvorteilhafte Vorliebe für Zucker. Passend dazu: Das Exponat einer Gebiss-Prothese aus Porzellan aus dem pfälzischen Frankenthal aus dem 18. Jahrhundert.
„Die reichen Menschen, die sich den Zucker leisten können, haben entsetzliche Zähne, schon mit Mitte 20“, sagt Rosendahl. „Deswegen werden ganz neue Erfindungen gemacht durch Köche: Nämlich Püree, Terrinen, Pasteten - damit die Menschen nicht mehr kauen müssen, aber das Fleisch trotzdem essen können.“
Eine Körperreise durch die Darmflora
Schauplatz des zweiten Ausstellungsteils ist das benachbarte Museum „Weltkulturen“. Dort unternimmt man die Reise der Nahrung durch den Körper.
Und zwar in einem schlauchförmigen Rundgang, der Mundhöhle, Speiseröhre, Darm samt Darmflora nachempfunden. „Die Darmflora ist in den letzten Jahren in den Fokus geraten, weil wir feststellen, wie wichtig sie für die Gesundheit ist, sagt Gaelle Rosendahl.
In der gesamten Körperreise-Schau wimmelt es nur so von Dingen zum Anfassen, Riechen, Fühlen und Spielen. Der Weg vom Kauen übers Schlucken bis zur Verdauung sei ein faszinierendes Universum, das wir noch gar nicht ganz begreifen würden, so Gaelle Rosendahl. „Es ist spannend, ein Verständnis zu haben dafür, was in uns passiert. Und was ich machen kann. Uns ist wichtig zu zeigen, was für eine faszinierende Geschichte das alles ist, was wir Tag für Tag in uns haben.“
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