Während des Nationalsozialismus waren queere Menschen in allen Milieus anzutreffen – in Großstädten, aber auch in ländlichen Gebieten oder sogar in der NSDAP. Nicht nur von Polizei und Justiz ging Gefahr aus, sondern auch von der breiten Bevölkerung. Das zeigt die Wanderausstellung „Gefährdet leben – Queere Menschen 1933-1945“, die jetzt in Heidelberg und später in Mannheim zu sehen ist.
Queeres Leben vor 1933 in Großstädten ziemlich normal
Die Ausstellung präsentiert sehr klassisch mit Stellwänden, die mit eindrücklichen Dokumenten, Grafiken und Fotos bestückt sind. Eingeteilt ist sie in fünf Kapitel und das erste trägt die Überschrift: „Zerschlagung der queeren Infrastruktur.“ Diese war vor 1933 nämlich erstaunlich gut ausgebaut.
„Also in den Großstädten war es schon ziemlich normal. Es war ein eher urbanes Phänomen, wo auch eine gewisse Art an Anonymität herrschte, es gab eine Club-Kultur, es gab Bars, es gab Orte, wo queere Menschen sich treffen konnten.“ so die Religionswissenschaftlerin Insa Eschebach, langjährige Leiterin der Gedenkstätte Ravensbrück.
In den 1930er Jahren gab es Szene-Zeitschriften an Kiosken
Eschebach hat die Ausstellung zusammen mit zwei weiteren Wissenschaftlern kuratiert. Um die Zerschlagung der Infrastruktur zu dokumentieren, zeigen sie ein Foto, auf dem ganz selbstverständlich Szene-Zeitschriften an einem 1930er-Jahre- Kiosk angeboten wurden. Und ein anderes davon, wie der Besitz des damaligen Instituts für Sexualwissenschaft geplündert wurde.
Selbstbehauptung queerer Menschen zeigen
In den anderen Kapiteln der Schau geht es um Strafgesetze und Haftorte, aber auch um Selbstbehauptung und den emanzipatorischen Neustart nach 1945.
Eschebach:„Uns ging es vor allen Dingen darum, queere Menschen nicht nur als Opfer darzustellen. Erstens war es ja so, dass ungefähr 90 Prozent aller Schwulen und Lesben und Transpersonen – wenn man das jetzt mal so grob sagen kann –gar nicht strafverfolgt wurden. Weil sie in diskreten Partnerschaften oder sich sonst diskret verhalten haben. Aber natürlich waren alle potentiell gefährdet.
Queere Menschen in allen Milieus anzutreffen
Deutlich machen wollte das Kuratoren-Team außerdem, dass queere Menschen in allen Milieus anzutreffen waren – auch in ländlichen Gebieten oder in der NSDAP. Und dass nicht nur die Polizei und die Justiz gefährlich waren für sie, sondern die Bedrohung von der breiten Bevölkerung ausging.
Am Ende der Ausstellung steht dann noch ein Tisch mit Mappen, in denen Einzelschicksale ausführlicher nachzulesen sind. Etwa das eines Schutzpolizisten oder einer Haushälterin.
Insgesamt ist die Ausstellung „gefährdet leben“ eine sachlich-dokumentarische Aufarbeitung dessen, was passiert, wenn eine Gesellschaft Homogenität zur Norm erheben will. Wer Regenbogenfarben oder sonstige politische Statements erwartet, wird sie also hier nicht finden.
Auch regionale Schicksale zu finden
Wer dagegen nach regionalen Bezügen sucht, kann zum Beispiel die Geschichte von Klaus Schirdewahn entdecken. Schirdewahn wurde 1947, also nach dem Krieg, in Ludwigshafen geboren und als 17-Jähriger wegen seiner Homosexualität zur Therapie verurteilt. Ein Foto zeigt ihn zwei Jahre danach. Heute tritt der 77-Jährige immer wieder als Zeitzeuge auf.
Bei der Gedenkstunde im Bundestag 2023 hielt er die zentrale Rede. Seine Botschaft: „Obwohl ich ja vieles kenne und ein paar mal gehört habe: Es berührt mich immer wieder, was Menschen mit Menschen machen. Das tut immer wieder weh.“
Dokumentationszentrum Deutscher Sinti und Roma
Beginn des Neubaus ab 2025 Heidelberg: Dokuzentrum Deutscher Sinti und Roma soll erweitert werden
Das Heidelberger Dokumentationszentrum Deutscher Sinti und Roma soll erweitert werden - und zwar ab Anfang 2025. Die geplante Architektur ist umstritten.
Bürgerinitiative und Organisationen der Sinti und Roma Sinti und Roma Heidelberg: Viele Stimmen zum Erweiterungsbau Dokumentationszentrum
Das Heidelberger Dokumentationszentrum Deutscher Sinti und Roma in der Altstadt soll erweitert werden. Unterschiedliche Gruppen fordern mehr Mitsprache an der Planung des Neubaus.