Einer der größten Feinde von Seeleuten war bis ins 18. Jahrhundert die Mangelerkrankung Skorbut. Die Symptome Fieber, Schmerzen, Zahnausfall und Schlimmeres rafften ganze Schiffsbesatzungen dahin. Der Brite James Cook schaffte es als erster großer Kapitän, seine Mannschaften auf den monatelangen Überfahrten vor dem fatalen Vitamin-C-Mangel zu bewahren – mit Hilfe von Sauerkraut und Zitronensaft. Das Kraut trat auf die Weltbühne und wurde zum Gamechanger für die Globalisierung, wie man heute sagen würde.
So gesund ist Kohlgemüse
Einem Teil der Menschheit wäre ohne die Expeditionen von Cook in die Südsee und anderen sogenannten Entdeckern wohl viel Leid und Unterdrückung erspart geblieben. Nun aus historischen oder ethischen Gründen auf den Verzehr von Kohlgemüse aus der Familie der Kreuzblütler (Brassicacea) zu verzichten, wäre jedoch die falsche Konsequenz.
Denn Kohl – je nach Region und Sorte auch Kraut genannt – hat jede Menge Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente, dafür jedoch wenig Kohlenhydrate. Gut für die Darmflora soll er auch noch sein.
Vom Wildkohl der Antike bis heute
Dass in der Kulturpflanze Kohl viel Gutes steckt, wusste man schon in der Antike. Die alten Griechen und Römer kultivierten den damals noch wilden Kohl und bauten ihn als Gemüse und zu Heilzwecken an. Aristoteles und Hippokrates rühmten seine Heilwirkungen.
Der römische Staatsmann Cato (234-149 v. Chr.) schrieb: „Es ist der Kohl, der an der Spitze aller Gemüsearten steht. Iss ihn entweder gekocht oder roh. Wenn du ihn roh isst, tunke ihn in Essig ein. Wunderbar hilft er verdauen, führt guten Stuhlgang herbei.“
Die ganze Welt kennt Kohl
Kohl-Varianten werden heute in der ganzen Welt angebaut und haben über Jahrhunderte ganze Gesellschaften mit Nährstoffen versorgt. In Polen gibt es Bigos mit Weißkohl, Farikal in Norwegen, Borschtsch in Russlands. In den USA isst man Cole Slaw, Palmkohl gehört in Portugals Caldo Verde, Chinakohl in koreanisches Kimchi.
Auch in der Kunst und Kultur schlägt sich diese Bedeutung nieder. Regionale Bräuche und unzählige Darstellungen in der Kunst greifen Kraut- und Kohlmotive auf.
Comeback der Fermentation
Warum sind Grünkohl, Brokkoli, Wirsing & Co. aber heute so unbeliebt bei vielen Menschen? Liegt es am Geruch bei der Zubereitung? Oder den Nebenwirkungen, mit denen mancher empfindliche Magen-Darm-Trakt auf den Verzehr reagiert?
Während Corona erlebte so manche altbewährte Haushaltstechnik ein Revival, die Lebensmittel verträglicher oder haltbarer machen soll: Zum Beispiel das Backen mit Sauerteig oder das Fermentieren, also Haltbarmachen mithilfe von Bakterien – wie bei Sauerkraut und Kimchi.
Doch schon vor Corona war auch abseits der traditionellen Küche eine Rückbesinnung aufs Kraut zu erkennen. Nach sogenannten Superfoods wie Gojibeeren oder Chiasamen, die oft von weit weg und aus wenig nachhaltigem Anbau stammen, rückten regionale und nachhaltigere Alternativen in den Blick der Ernährungsexperten und Superfood-Fans. Auch der Spitzkohl und seine Verwandten.
Aus Kraut kann man auch Kunst machen
Der Kohl ist also zurück! Auch in der Kunst. In Stuttgart arbeitet aktuell das Superkraut Festival an einem Image-Update für die Kraut- und Kohlfamilie. Mit einem Mix aus Gegenwartskunst und kulinarischen Events.
„Kraut und Kohl gehören nicht nur auf den Teller, sondern sind Teil unserer Kultur, Geschichte und Kunst“, sagt Dr. Torben Giese, Gastgeber und Direktor des StadtPalais – Museum für Stuttgart.
Für die Ausstellung „Superkraut Art“ hat der bekannte Esslinger Künstler und Kraut-Fan Tim Bengel sein Netzwerk durchforstet, weltweit zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler recherchiert und um Kohl-Kunst gebeten. Fast alle Werke sind extra fürs Festival entstanden.
Bis zum 24. September dreht sich im StadtPalais – Museum für Stuttgart alles ums Kraut. Und natürlich darf auch gekostet werden. Vielleicht finden Kohl und Kraut so ja neue Fans.