Wer waren wir im ersten Jahrtausend? Archäologische Funde zeigen schlaglichtartig, was an fünf zentralen Plätzen im Land – in Lauchheim, Ulm, Sülchen, Diersheim und Güglingen – bei Grabungen entdeckt wurde. „Ein Kaleidoskop“ an Geschichten, so Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Petra Olschowski und keine chronologische Erzählung. Dabei werden fünf zentrale Lebenswelten thematisiert, die die damaligen Gesellschaften, Traditionen und Veränderungen widerspiegeln.
Wie haben die Menschen hier gelebt?
Ein ganzes Jahrtausend in einer Ausstellung ablichten zu wollen, ist ein gewagtes Unterfangen. Kaum zu bewältigen angesichts der Stofffülle und Komplexität historischer Ereignisse. „THE hidden Länd“ setzt daher besondere archäologische Fundstücke aus Baden-Württemberg des ersten Jahrtausends in Szene.
Anstatt also der üblichen Chronologie zu folgen, haben die Ausstellungsmacher fünf archäologische Zeitfenster in die Vergangenheit geöffnet, die exemplarisch bestimmte Lebenswelten thematisieren: Migration, Integration, Kommunikation, Spiritualität und Macht.
Gräber erzählen vom Zusammenleben der Kulturen
Die Brandgräber von Diersheim aus dem 1. und 2. Jahrhundert sind ein Beispiel, das vom Zusammenleben der Kulturen erzählt: „Fakt ist ja: Die politische Macht, die, die Entscheidungen getroffen hat, das war sicher das Römische Imperium. Gar keine Frage“, sagt Claus Wolf, Direktor des Ärchäologischen Landesmuseums. Doch die Grabbeigaben zeigen laut Wolf, dass die Toten Germanen waren.
„Indem zum Beispiel eine Reihe von Waffenbeigaben drin sind, verbogene Schwerter, was typisch germanisch ist. Gleichzeitig finden sich in diesen Gräbern aber auch römische Funde. Das heißt: Wir haben hier eine Annäherung von Menschen, die sicherlich ursprünglich germanischer Herkunft waren, die dann Dinge des römischen Lebens integriert haben“, sagt Wolf, der auch das Landesamt für Denkmalpflege im Regierungsbezirk Stuttgart leitet.
Mehr als 10.000 Objekte geborgen
Ein kleines Gräberfeld in der Nähe von Tauberbischofsheim weist dagegen überhaupt keine römischen Spuren auf. Ob und wieweit sich die verschiedenen Kulturen in diesem 1. Jahrtausend aufeinander eingelassen haben, zeigt dieses erste Themenfeld „Integration“.
Um „Kommunikation“, im Sinne von Repräsentation und Selbstdarstellung, geht es bei dem Reihengräberfeld von Lauchheim, das von der Mitte des 5. bis ins späte 7.Jahrhundert genutzt wurde. Über 1.300 Körper haben die Archäologen geborgen, mehr als 10.000 Objekte.
Gabriele Graenert, Archäologin am Landesamt für Denkmalpflege, zeigt auf eine Vitrine mit Waffen, die in einem Grab entdeckt wurden:
„Das ist das Grab eines kleinen Jungen, der viel zu klein war, als dass er hätte Waffen tragen können. Aber er ist im Grab mit Waffen bestattet worden, woraus wir schließen, dass es hier offensichtlich darum ging, das Kind als Informationsträger für die eigene Darstellung von sozialen Positionen zu nutzen. Und das Kind hat natürlich in seinem Leben diese Position, diesen Rang gar nicht erreicht. Aber es war wohl wichtig, dass man das in diesem Grab zeigt, was diesem Kind mal hätte anstehen können“, erklärt sie.
Und wie von Geisterhand schwebt über der Vitrine ein Bild des Kindes – eine digitale Projektion zeigt einen jungen Krieger bewaffnet mit Schild und Schwert, um sich dann wieder im Nichts aufzulösen.
Eine ähnlich raffinierte Projektionstechnik verhilft auch dem Thema Christianisierung zu einem ästhetisch sehr gelungenen Auftritt. Eine Lichtinstallation lässt Mauern im großen Kuppelsaal des frisch sanierten Kunstgebäudes wachsen: Umrisse der Sülchenkirche von Rottenburg: „Die älteste Kirche Baden-Württembergs genau in eins zu eins“, schwärmt der Archäologe Claus Wolff von den Relikten einer Kirche aus dem 7./8.Jahrhundert, die bei Grabungen unter der Sülchenkirche entdeckt wurden.
Die Ausstellung „THE hidden LÄND – Wir im ersten Jahrtausend“ erzählt Geschichten davon, wie es einmal war. Weniger, um daraus zu lernen, als Erfahrungen abzugleichen.
Mehr zur Landesausstellung
Diskussion Ferne Vorfahren – Was ist vom ersten Jahrtausend geblieben?
Der Untergang des römischen Reiches im fünften Jahrhundert nach Christus brachte die bis dahin gekannte Ordnung durcheinander. Auf dem Gebiet des Südwestens folgten die Stämme der Sueben oder Alemannen. Germanische Königsdynastien übernahmen die Macht, konkurrierten miteinander und formten das Land. Wie haben unsere Vorfahren gelebt? Was haben sie geglaubt? Und was ist von ihrem Erbe heute noch gültig? Marie-Christine Werner diskutiert mit Dr. Gabriele Graenert – Archäologin im Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart; Dr. Tanja Kinkel – Autorin historischer Romane aus Bamberg; Prof. Dr. Matthias Wemhoff – Direktor des Museums für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin
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