Eine Teenagerin wird zur Kriegerin für Liebe und Gerechtigkeit
Viele, die in den 1990er-Jahren aufgewachsen sind, werden bei diesen Worten strahlende Augen bekommen. Es ist die magische Formel, mit der sich die Teenagerin Usagi Tsukino in eine tapfere Kämpferin verwandelt. Für die Fans von früher sind es fünf Worte pure Nostalgie.
Usagi ist eigentlich ein eher durchschnittliches Mädchen, eine Tagträumerin mit guter Laune und schlechten Noten, die sehr nah am Wasser gebaut ist. Ihr Leben ändert sich von einem Moment auf den nächsten, als sie die Katze Luna vor einer Horde tyrannischer Grundschüler rettet. Luna kann sprechen und wurde vom Mond herabgeschickt, um Usagi zur „Kriegerin für Liebe und Gerechtigkeit“ auszubilden.
Von da an kämpft Usagi als Sailor Moon gegen dunkle Mächte, die es auf die Erde und die Menschheit abgesehen haben. Nach und nach trifft sie andere Schülerinnen, die sich ebenfalls in Sailor-Kriegerinnen verwandeln können und die ihre Kräfte aus den Planeten des Sonnensystems ziehen.
In der Popkultur viel zitiert: So verwandelt sich Usagi Tsukino in Sailor Moon
„Sailor Moon“ definierte ein Genre neu
Mädchen mit magischen Kräften, die gemeinsam das Böse bekämpfen – Mit dieser Idee gelang es Manga-Autorin Naoko Takeuchi, ein populäres Genre neu zu definieren. Zwar gab es schon zuvor andere Manga über „Magical Girls“, in denen Mädchen mit der Hilfe magischer Gegenstände zaubern konnten, aber meist gingen diese über lustige Alltagsabenteuer nicht hinaus.
Takeuchi verknüpfte das Magical-Girl-Genre mit dem Konzept der in Japan enorm populären Sentai-Superheldenserien. Auch hier kämpfen Helden in Teams zusammen, klassischerweise ist dabei jeder Figur ein Symbol und eine Farbe zugeteilt. In Deutschland wurden Sentai-Serien in einer stark amerikanisierten Fassung unter dem Titel „Power Rangers“ vermarktet.
Hier retten die Mädchen die Welt!
Das erste Kapitel des Manga „Pretty Guardian Sailor Moon“ veröffentlichte Naoko Takeuchi im Februar 1992, eine Adaption als Zeichentrickserie ging zeitgleich in Produktion. Schnell entwickelte sich die Serie zum internationalen Hit.
Kinder und Jugendliche weltweit sahen Sailor Moon und ihren Freundinnen zu, wie sie aus eigener Kraft ein ums andere Mal den Planeten retten und neben den Kämpfen auch gemeinsam die alltäglichen Teenager-Sorgen meistern: der Leistungsdruck an der Schule, die hohen Erwartungen der Eltern, Mobbing durch Mitschülerinnen oder die Verwirrungen der ersten Liebe.
Fünf Staffeln mit 200 Folgen und drei Kinofilme wurden bis 1997 in Japan produziert. Vieles, was „Sailor Moon“ in dieser Zeit ansprach, war für die 1990er-Jahre überraschend progressiv: sexuelles Verlangen unter Jugendlichen, gleichgeschlechtliche Liebesbeziehungen zwischen den Heldinnen oder Figuren mit fließender Geschlechtszugehörigkeit.
In den europäischen Synchronfassungen wurden diese Themen möglichst vorsichtig umschifft: feminin aussehende Männer bekamen Frauenstimmen, aus lesbischen Geliebten wurden Cousinen.
Initialzündung für den deutschen Manga-Boom
Während in Japan die Serie 1997 ihren Abschluss fand, startete in Deutschland der „Sailor Moon“-Boom. War die Serie zwei Jahre zuvor noch relativ unbeachtet im Kinderprogramm des ZDF gelaufen, wurde sie im Nachmittagsprogramm von RTL2 zum Hit. Über Jahre lief „Sailor Moon“ dort in Dauerschleife. Mangas, ein Magazin, CDs, Bücher und Videokassetten erschienen mit den Abenteuern der Sailor-Kriegerinnen.
Bis heute steht „Sailor Moon“ emblematisch für die große Anime-und-Manga-Welle der späten 1990er- und frühen 2000er-Jahre. Im Fahrwasser der „Sailor-Moon-Manie“ holte RTL2 Erfolgsserien wie „Dragon Ball“, „One Piece“ oder „Pokémon“ ins Programm, ihre Popularität etablierte Manga als Comicsparte auf dem deutschen Buchmarkt. Heute, mehr als 25 Jahre später, sind zwei von drei verkauften Comics in Deutschland Manga.
Deutsches Opening der Original-Serie (1995)
„Sailor Moon Cosmos“ – Remake für Manga-Nostalgiker
Da die TV-Serie der 1990er-Jahre parallel zur Publikation der Mangas von Naoko Takeuchi produziert wurde, weicht sie in ihrer Handlung teils gravierend von der Vorlage ab. Zum 20-jährigen Jubiläum wurde deshalb mit „Pretty Guardian Sailor Moon Crystal“ ein Remake auf Grundlage des Manga angekündigt.
Ab 2014 erschienen eine Serie mit 3 Staffeln und zwei Kinofilme. Der neue Film-Zweiteiler „Pretty Guardian Sailor Moon Cosmos“, der am 22.08.2024 bei Netflix erscheint, ist das große Finale dieses Remake-Projekts.
In „Sailor Moon Cosmos“ müssen Sailor Moon und ihre Freundinnen einmal mehr gegen das Böse ankämpfen, diesmal in Form von Sailor-Kriegerinnen aus anderen Sonnensystemen. Um die stärkste Kriegerin des Universums zu werden, raubt Sailor Galaxia anderen Kriegerinnen ihre Sternenkristalle, die Quelle ihrer Lebenskraft. Sailor Moon und ihre Freundinnen sind ihre letzten – und stärksten – Gegnerinnen.
Zu sehr seiner Manga-Vorlage verhaftet
Wie schon bei den vorherigen Remakes hält sich auch „Sailor Moon Cosmos“ fast schon sklavisch an die Manga-Vorlage. Über weite Strecken kopiert die Verfilmung bis hin zur Bildkomposition die von Naoko Takeuchi gestalteten Comic-Seiten. Wenngleich das der Serie eine schöne, illustrative Ästhetik verleiht, lässt es nicht viel Raum für Neues oder Überraschendes.
Auch das Tempo der Filme leidet unter zu viel Ehrfurcht vor der Vorlage: Akribisch arbeitet der Film die mitunter redundante Comic-Handlung ab. Verschnaufpausen für die Zuschauenden, Comedy oder wirklich emotionale Szenen zwischen den Protagonistinnen kommen dabei zu kurz. Damit spart „Sailor Moon Cosmos“ dort, wo die Original-Serie in den 1990er-Jahren mit viel Charme zum Kult-Klassiker wurde.
Wenigstens Fans und Nostalgiker können sich mit „Sailor Moon Cosmos“ auf ein wunderschön animiertes neues Abenteuer ihrer Jugend-Heldinnen freuen. Für Neueinsteiger ist der Zweiteiler allerdings nur bedingt geeignet.