Malcolm X, Martin Luther King, John F. Kennedy – sie alle waren Opfer politischer Attentate in den USA. Der erste Mordanschlag auf einen US-amerikanischen Präsidenten war die Ermordung von Abraham Lincoln. Er geschah wenige Tage nach dem Ende des amerikanischen Bürgerkriegs, nachdem Lincoln verkündet hatte, die Sklaverei abzuschaffen. Die neue Apple-TV-Serie „Manhunt – nach dem Attentat“ rekapituliert die Jagd auf den Präsidentenmörder John Wilkes Booth, der sich auf ein weites Netzwerk verlassen konnte.
Amerikas schönster Mörder, ein Schauspieler
Politischer Extremismus sieht manchmal richtig gut aus – John Wilkes Booth galt einigen als „schönster Mann Amerikas“. Als Spross einer Schauspielerdynastie war er populär, glänzte aber vor allem in Nebenrollen und konnte seinem Bruder und vor allem seinem Vater wohl nicht das Wasser reichen.
Auf den Auftritt seines Lebens hat er sich aber gut vorbereitet. Mit Messer und Pistole schleicht er sich am 14. April 1865 ins Washingtoner Ford-Theatre in die Präsidentenloge, schießt Abraham Lincoln in den Kopf und springt in Manier eines Filmstunts auf die Bühne.
John Wilkes Booth inszenierte sich als Symbol des Widerstands
Bei dem Sprung bricht er sich ein Bein, kann aber zu Pferd fliehen. Als Tyrannenmord hat der passionierte Südstaatler seine Tat wohl gesehen, und so, wie Anthony Boyle ihn in der Serie von Monica Beletsky darstellt, ist auch eine große Portion Narzissmus dabei. Er will ein Symbol des Widerstands sein.
Booth ist der eine Pol der Geschichte, auf der anderen Seite steht Edwin Stanton, Kriegsminister unter Lincoln und dessen Vertrauter. Stanton baut nach dem Attentat einen großen Polizeiapparat auf, schreibt Kopfgelder aus, auch auf die Komplizen von Booth, die in der gleichen Nacht versucht hatten, den Innenminister und den Vizepräsidenten zu ermorden. Zwischen der Verfolgungsjagd, Rückblenden und Erinnerungen an Lincoln springt die Serie in der Chronologie ein bisschen zu wild hin und her.
Politisch-historische True Crime Geschichte
Erschwerend kommt hinzu, das man als Europäer vielleicht nicht alle Details präsent hat, wie zum Beispiel die Mason-Dixon-Linie, die historische Grenze zwischen den Nord- und den Südstaaten, oder auch den Underground Railroad, das Schleusernetzwerk, über das viele Sklaven schon vor 1865 aus dem Süden in den Norden flüchteten. Oder dass die Republikaner damals noch die sozial progressive Partei Abraham Lincolns waren.
Insgesamt bleibt die Jagd nach Booth und die Suche nach seinen Verbindungen zu Wall-Street-Spekulanten und Südstaaten-Politikern nachvollziehbar und macht die Serie zu einer ziemlich spannend erzählten politisch-historischen True-Crime-Geschichte.
Das Attentat auf Lincoln: Ein Anschlag auf die amerikanische Demokratie
„The Crown“-Star Tobias Menzies glänzt als Edwin Stanton, einer der vielleicht angesehensten US-Politiker seiner Zeit, verantwortlich für den Wiederaufbau nach Kriegsende und einer der konsequentesten Fürsprecher für die Rechte von Schwarzen. Man mag das etwas zu didaktisch finden, aber der Serie geht es im Detail nicht in erster Linie um historische Korrektheit, spürbar werden sollen auch Parallelen zur Gegenwart.
Das Attentat auf Lincoln schildert sie als Anschlag auf die amerikanische Demokratie, verübt vor allem aus Angst, Revanchismus und Geltungssucht. Man muss nicht allzu phantasievoll sein, um das auf die Ereignisse um den Sturm auf das Kapitol 2021 zu übertragen. Die gesellschaftlichen Risse der US-Demokratie, sie sind immer noch da.
Trailer „Nach dem Attentat“, Apple TV +
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