Vor 60 Jahren wurde der Grimme-Preis erstmals verliehen. Mittlerweile hat er sich zur wichtigsten Auszeichnung für hochwertige Fernsehunterhaltung entwickelt. Das Deutsche Kabarettarchiv in Mainz beschäftigt sich in einer Sonderausstellung mit Satiresendungen und KabarettistInnen, an die der Preis ging und beleuchtet, wie sich Kabarett und Fernsehen gegenseitig beeinflussen.
Archivleiterin Martina Keiffenheim ist regelmäßig Gast bei der Verleihung der Grimmepreise. Der Auszeichnung nun eine große Ausstellung zu widmen, dränge sich förmlich auf, sagt sie. Zum Beispiel, um zu zeigen, was Fernsehkabarett vom Kabarett auf einer Kleinkunstbühne unterscheidet
Kabarett hat mehr Freiheiten auf Kleinkunstbühne als im Fernsehen
„Im Solokabarett kann der Kabarettist frei schalten und walten, letztendlich hat er dort alle Freiheiten. Im Fernsehen hat er das nicht unbedingt. Früher, so in den 80er Jahren, war das gesellschaftspolitisch halt auch sehr besetzt. Da konnte man sich eben nicht so frei äußern. Also müssen beide Seiten Kompromisse schließen.“
Der BR nahm nach Tschernobyl eine Scheibenwischer-Nummer aus dem Programm
Dass es trotz solcher Kompromisse immer wieder zu Skandalen rund um Satire im Fernsehen kam, zeigt die Ausstellung an verschiedenen Medienstationen. Zum Beispiel in einem Beitrag der Sendung Scheibenwischer von 1986, dem Jahr der Tschernobyl-Katastrophe.
Ein im radioaktiven Regen vergessener Opa nach der Tschernobyl-Katastrophe von 1986 – Dieser Beitrag der renommierten Kabarattsendung „Die Scheibenwischer“ war für den Bayrischen Rundfunk zu viel. Der Sender klinkte sich aus der Ausstrahlung der Scheibenwischer-Episode aus.
Wenige Wochen zuvor hatte Scheibenwischer-Mitbegründer Dieter Hildebrandt noch einen Grimme-Preis bekommen, die Original-Trophäe ist nun im Kabarettarchiv zu sehen. Das Beispiel zeigt – Kabarett und Fernsehen gingen nicht immer gut zusammen.
Grimme-Preis 2015 ging an die ZDF-Sendung „Die Anstalt“
Dass aber die Programmverantwortlichen mit den Jahren mutiger geworden sind, betonen die Kabarettisten Max Uthoff und Claus von Wagner. Sie haben 2015 den Grimme-Preis für die ZDF-Sendung „Die Anstalt“ bekommen, treten beide außerdem als Solo-Kabarettisten auf. Bei der Ausstellungseröffnung in Mainz erzählen sie, dass der Einfluss von Kabarett, vor allem im Fernsehen, nicht unterschätzt werden sollte, auch wenn man nur ein von vielen Stimmen im Diskurs sei.
Entwicklung des Kabaretts ist Spiegel der Gesellschaft
Wie vielfältig die Debatten sind, die von Kabarett und Satire in den vergangenen 60 Jahren aufgegriffen wurden, zeigt die Ausstellung an Schautafeln, Hör- und Videostationen. Außerdem gibt es einem Raum, in dem die Besucher selbst in die Rolle der Preisträger schlüpfen können, inklusive rotem Teppich und Blitzlichtgewitter. Von Loriot über Jan Böhmermann bis hin zu Sarah Bosetti beleuchtet die Schau alle Facetten und Akteure preisverdächtiger Fernseh-Satire. Und verrät dabei vor allem etwas über unsere gesellschaftliche Entwicklung von 1964 bis heute.
Mehr Comedy und Kabarett bei SWR Kultur
Gespräch Kalle, Frau Adelheid, Dudu und Leonie - der Figurenkosmos von Murzarella
Murzarella, mit bürgerlichem Namen Sabine Murza, ist Bauchredner- und Bauchsängerin. Für ihr Comedy- und Kabarettprogramm ist sie schon mehrfach ausgezeichnet worden, unter anderem mit der renommierten „Tuttlinger Krähe“ und erst kürzlich mit dem „Baden-Württembergischen Kleinkunstpreis“.
Zentral bei Murzarellas Show ist, dass alle Figuren ein ausgeprägtes Eigenleben führen, sich und ihr ständig ins Wort fallen oder zu singen anfangen. Wenn etwa Kalle, die „Kanalratte aus Wanne-Eickel“, vor sich hinproletet oder die Opernsängerin Frau Adelheid Mozarts „Königin der Nacht“ anstimmt.
Gespräch Der Freundliche im politischen Kabarett - Wilfried Schmickler über seinen verstorbenen Freund Richard Rogler
Roglers Programm „Freiheit aushalten“ habe ihn dazu gebracht, selbst Kabarett zu machen, erzählt Wilfried Schmickler in SWR Kultur anlässlich des Todes von Richard Rogler. Zutiefst beeindruckt hätten ihn Roglers direkter Stil und seine Art, mit dem Publikum umzugehen.
Treffpunkt Musik Zu Gast im Studio: Gisa Flake, Schauspielerin, Sängerin, Kabarettistin
"Sie werden keine Chance in diesem Job haben!" Das bekommt Gisa Flake an der Schauspielschule prophezeit. Der Grund: ihre Körperform. Doch Gisa Flake geht sehr erfolgreich ihren Weg als Schauspielerin im Schlankheits-verliebten deutschen Fernsehen. Heute spielt sie u.a. als Polizeiruf-Kommissarin und Mitglied der ZDF heute-show. In SWR Kultur Treffpunkt Musik erzählt sie vom Kampf gegen Dicken-Klischees, ihrer Liebe zum Kabarett und ihrem Debüt als Operettendarstellerin an der Komischen Oper Berlin.