Deutsches Kabarettarchiv in Mainz

„Ich glotz TV“ – Was ist anders beim Kabarett im Fernsehen?

Stand
Autor/in
Mareike Gries
Mareike Gries, Autorin und Moderatorin bei SWR Kultur

Vor 60 Jahren wurde der Grimme-Preis erstmals verliehen. Mittlerweile hat er sich zur wichtigsten Auszeichnung für hochwertige Fernsehunterhaltung entwickelt. Das Deutsche Kabarettarchiv in Mainz beschäftigt sich in einer Sonderausstellung mit Satiresendungen und KabarettistInnen, an die der Preis ging und beleuchtet, wie sich Kabarett und Fernsehen gegenseitig beeinflussen.

Archivleiterin Martina Keiffenheim ist regelmäßig Gast bei der Verleihung der Grimmepreise. Der Auszeichnung nun eine große Ausstellung zu widmen, dränge sich förmlich auf, sagt sie. Zum Beispiel, um zu zeigen, was Fernsehkabarett vom Kabarett auf einer Kleinkunstbühne unterscheidet

Martina Keiffenheim, Leiterin des Deutschen Kabarettarchivs
Martina Keiffenheim, Leiterin des Deutschen Kabarettarchivs

Kabarett hat mehr Freiheiten auf Kleinkunstbühne als im Fernsehen

„Im Solokabarett kann der Kabarettist frei schalten und walten, letztendlich hat er dort alle Freiheiten. Im Fernsehen hat er das nicht unbedingt. Früher, so in den 80er Jahren, war das gesellschaftspolitisch halt auch sehr besetzt. Da konnte man sich eben nicht so frei äußern. Also müssen beide Seiten Kompromisse schließen.“

Der BR nahm nach Tschernobyl eine Scheibenwischer-Nummer aus dem Programm

Dass es trotz solcher Kompromisse immer wieder zu Skandalen rund um Satire im Fernsehen kam, zeigt die Ausstellung an verschiedenen Medienstationen. Zum Beispiel in einem Beitrag der Sendung Scheibenwischer von 1986, dem Jahr der Tschernobyl-Katastrophe.

Ein im radioaktiven Regen vergessener Opa nach der Tschernobyl-Katastrophe von 1986 – Dieser Beitrag der renommierten Kabarattsendung „Die Scheibenwischer“ war für den Bayrischen Rundfunk zu viel. Der Sender klinkte sich aus der Ausstrahlung der Scheibenwischer-Episode aus.

Grimmepreis-Ausstellung Kabarettarchiv Mainz
Ausstellungsansicht im Kabarettarchiv Mainz: Fernsehzimmer der 60er Jahre.

Wenige Wochen zuvor hatte Scheibenwischer-Mitbegründer Dieter Hildebrandt noch einen Grimme-Preis bekommen, die Original-Trophäe ist nun im Kabarettarchiv zu sehen. Das Beispiel zeigt – Kabarett und Fernsehen gingen nicht immer gut zusammen.

Grimme-Preis 2015 ging an die ZDF-Sendung „Die Anstalt“

Dass aber die Programmverantwortlichen mit den Jahren mutiger geworden sind, betonen die Kabarettisten Max Uthoff und Claus von Wagner. Sie haben 2015 den Grimme-Preis für die ZDF-Sendung „Die Anstalt“ bekommen, treten beide außerdem als Solo-Kabarettisten auf. Bei der Ausstellungseröffnung in Mainz erzählen sie, dass der Einfluss von Kabarett, vor allem im Fernsehen, nicht unterschätzt werden sollte, auch wenn man nur ein von vielen Stimmen im Diskurs sei.

Max Uthoff (l) und Claus von Wagner nach der Jubiläumssendung der ZDF-Politsatire „Die Anstalt“ 2024 im TV-Studio.
Max Uthoff (l) und Claus von Wagner nach der Jubiläumssendung der ZDF-Politsatire „Die Anstalt“ 2024 im TV-Studio.

Ich glaube, dass trotzdem immer noch eine Grundhoffnung liegt, dass man eben Debatten anreichert mit Argumenten, die dann in die generelle Debatte übergehen“.

Entwicklung des Kabaretts ist Spiegel der Gesellschaft

Wie vielfältig die Debatten sind, die von Kabarett und Satire in den vergangenen 60 Jahren aufgegriffen wurden, zeigt die Ausstellung an Schautafeln, Hör- und Videostationen. Außerdem gibt es einem Raum, in dem die Besucher selbst in die Rolle der Preisträger schlüpfen können, inklusive rotem Teppich und Blitzlichtgewitter. Von Loriot über Jan Böhmermann bis hin zu Sarah Bosetti beleuchtet die Schau alle Facetten und Akteure preisverdächtiger Fernseh-Satire. Und verrät dabei vor allem etwas über unsere gesellschaftliche Entwicklung von 1964 bis heute. 

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