Filmkritik

„Die Wochenendrebellen“ – Ein liebevoll-ironischer Film über Autismus

Stand
Autor/in
Simone Reber

Jason ist Autist. In der Schule tut er sich schwer, in schwierigen Situationen rastet er aus. Deshalb macht sein Vater mit ihm einen Deal: Sie besuchen ein Fußballstadion nach dem anderen, um herauszufinden, welcher Verein der richtige für Jason ist. Und Jason soll sich dafür in der Schule nicht mehr so leicht reizen lassen. Mit liebevoller Ironie, ohne erhobenen Zeigefinger oder rosarote Brille erzählt der Film von der Reise zum Herzen dieses Landes.

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Jedes Wochenende im Stadion

Steh auf, wenn ihr Schalker seid: Das Stadion bebt von den Sprechchören der Fans und mitten unter ihnen sitzt Jason, das Kind mit dem Asperger-Syndrom. Der Junge, der Berührungen nur schwer ertragen kann, der Geräusche kaum aushält und Gefühle nicht versteht.

Eigentlich natürlich eine Schnapsidee, die Wochenenden in deutschen Fußballstadien zu verbringen, auf der Suche nach einem Lieblingsverein. Für Jasons Vater liegt die Antwort sowieso auf der Hand.

 Der autistische Jason hat Mühe in der Schule

Der Regisseur Marc Rothemund inszeniert die Geschichte der „Wochenendrebellen“ Mirco und Jason von Juterczenka anrührend und geradlinig. Jason ist noch klein, als seine Eltern die Diagnose Autismus erfahren.

Filmstill
Mirco (Florian David Fitz) ist beruflich bedingt viel unterwegs. Bild in Detailansicht öffnen
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Seine Frau Fatime (Aylin Tezel) organisiert das fordernde Familienleben. Ihr zehnjähriger Sohn Jason (Cecilio Andresen) ist Autist und sein Alltag besteht aus täglichen Routinen und festen Regeln. Bild in Detailansicht öffnen
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Vater und Sohn schließen einen Pakt: Jason verspricht, sich alle Mühe zu geben, sich in der Schule nicht mehr provozieren zu lassen, wenn Mirco ihm hilft, einen Lieblingsfußballverein zu finden. Bild in Detailansicht öffnen
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Allerdings will Jason sich erst für einen Verein entscheiden, wenn er alle 56 Mannschaften der ersten, zweiten und dritten Liga live in ihren jeweiligen Stadien gesehen hat. Bild in Detailansicht öffnen

In der Schule tut er sich schwer, er wird er von seinen Mitschülerinnen und Mitschülern geschnitten. Beim Fußballspielen verhöhnen ihn die anderen. In solchen kniffligen Situationen rastet er aus.

Jason will Astro-Physiker werden

Als die Schulleitung den Eltern empfiehlt, ihren Sohn auf die Förderschule zu schicken, gerät die ganze Familie aus dem Gleichgewicht. Denn Jason träumt davon, Astro-Physiker zu werden.

Deshalb macht sein Vater mit ihm einen Deal: Sie besuchen ein Fußballstadion nach dem anderen, um herauszufinden, welcher Verein der richtige für Jason ist. Jason soll sich dafür in der Schule nicht mehr so leicht reizen lassen.

 Jason und Mirco von Juterczenka als reale Vorbilder

Weil Jason und Mirco von Juterczenka als reale Vorbilder ein Mitspracherecht an der Geschichte hatten, versteht man sowohl den Vater als auch den Sohn. Man versteht Jasons Bedürfnis nach Regeln, seinen glasklaren Verstand, aber auch seine manchmal beschwerliche Starrheit.

Cecilio Andresen als Jason ist großartig in seiner Entschlossenheit, seiner Intensität und Dünnhäutigkeit. Florian David Fitz hält sich fair und unterstützend im Hintergrund.

Einmal sieht man, wie der Vater seinen Sohn beobachtet. Das Kind hat einen Astronautenhelm auf und sortiert die Wappen der Fußballvereine. Ein geliebter Außerirdischer.

Der eigentliche Anker der Familie aber ist Joachim Król als Jasons Großvater. Mit seiner Ruhe, seinen Pausen, verleiht er der linearen Geschichte Tiefe und Witz.

 Film von liebevoller Ironie

Etwas undankbar geraten die Szenen aus dem Arbeitsleben von Mirco von Juterczenka. Da muss Leslie Malton als Chefin an einem leeren Schreibtisch sitzen und den Satz sagen: „Wir sind alle eine Familie.“ Das ist aber schnell verziehen, wenn die Story zurückkehrt zur Reise von Vater und Sohn.

Mit liebevoller Ironie, ohne erhobenen Zeigefinger oder rosarote Brille erzählt der Film von der Reise zum Herzen dieses Landes. Er erzählt von Jasons Einschränkungen, aber auch von seinen besonderen Fähigkeiten.

Am Ende hält er sogar die Gesänge in der Fankurve aus. Das muss man erst einmal schaffen.

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