Großen Anteil am Erfolg von Netflix hatte in den letzten Jahren die britische Teenie-Serie „Sex Education“. Klingt nach Aufklärungsserie, ist aber eher Anschauungsunterricht für unverkrampften Umgang mit dem eigenen Körper. Mittendrin der anfangs ziemlich verklemmte Milchbubi Otis Milburn, Sohn einer Sexualtherapeutin, der bei sich ebenfalls das Talent entdeckt, anderen gute Ratschläge in Sexfragen zu geben. Damit erleichtert er sich und seinen Mitschüler*nnen das Heranwachsen deutlich.
Vierte Staffel beginnt mit Schulwechsel an einen Hort der Diversität
Drei Staffeln lang haben sich Otis Milburn und sein bester Freund Eric durch die Schulzeit in der Moordale Secondary geschlagen, jetzt kommen sie an eine neue, sehr andere Schule: das Cavendish College. Selbstbestimmung und sexuelle Toleranz werden hier ganz groß geschrieben.
Cavendish ist ein Hort der Diversität, an dem sich weder Lesben Schwule, Transmenschen oder solche die es noch werden wollen, ausgeschlossen fühlen sollen. Dementsprechend bunt geht es zu, von der Tischdeko bis zum Essensbuffet und so sieht die ganze Schule aus wie ein Gebäude gewordener Bubbletea. Eine Blase für die Regenbogengesellschaft, in der alle lieb und nett sein wollen.
Aber auch dieses Umfeld birgt Probleme: Zum Beispiel gibt es hier schon eine Sextherapeutin, was Otis in seinem Selbstverständnis massiv stört. Seine Liebe zu seiner früheren Therapie-Businesspartnerin Maeve bleibt kompliziert und seine Mutter versucht vergeblich, ihren Beruf und das neue Leben mit einem frisch geborenen Baby unter einen Hut zu bringen.
Clevere Mischung aus Teenie- und Therapieserie: Wer bin ich und wer will ich sein?
Die Serie „Sex Education“ lebt auch in der vierten Staffel von ihren besonderen Charakteren und dem respektvollen Umgang mit Sexualität. Es gibt ein paar neue, sehr liebevoll gezeichnete Figuren, daneben viele bekannte Gesichter aus den früheren Staffeln. Das nervöse, unsichere oder freudig erregte Entdecken des eigenen und des fremden Körpers ist nun aber vollends einer ernsteren Auseinandersetzung mit der eigenen Identität gewichen. Wer bin ich und wer will ich sein?
Serie schwankt zwischen Ironie und Kitsch
Dabei verliert die Serie zumindest zeitweise ein Stück ihrer Leichtigkeit und ihres Charmes. Eric entdeckt Gott in Gestalt einer weiblichen schwarzen Schönheit, der querschnittgelähmte Isaac und Maeves beste Freundin Aimee schwingen sich zu Vorkämpfern für Barrierefreiheit auf, der etwas tumbe und bisexuelle Adam umarmt Pferde - zu oft schwankt die Serie, ob sie diese verschiedenen Erweckungserlebnisse nun ironisch brechen oder unter schwerem Kitschverdacht einfach ernst nehmen will.
Friede-Freude-Eierkuchen - Letzte „Sex Education“ Staffel ist die schwächste
Auch weil man ihr anmerkt, dass die Serie viele Storys noch schnell zu einem Friede-Freude-Eierkuchen Ende bringen will, ist die letzte Staffel wohl die schwächste. Und doch sieht man ihr insgesamt gerne bis zum Schluss zu. Dafür ist ihr Tonfall, ihre farbenfrohe Ausstattung und ihr beeindruckendes Schauspielensemble einfach zu gut. Und ihre Bedeutung ist nicht zu unterschätzen als Mutmacher, das Leben unten wie obenrum unverkrampft anzugehen und seinen eigenen Weg zu finden.