Im Rahmen des europäischen Theaterfestivals „Achtung Freiheit“ zeigt das Schauspiel Stuttgart eine Eigenproduktion der ukrainischen Hausautorin Maryna Smilianets. Ein wenig überzeugender Abend über einen bevorstehenden atomaren Angriff. Mit Humor soll das Stück den Zustand der heutigen Welt erträglicher machen - und schafft es nicht, diesem Anspruch gerecht zu werden.
Verlorene Figuren stranden in einer Bar
In einer Karaokebar dröhnen aus dem Radio beunruhigende Nachrichten: Ein atomarer Angriff steht kurz bevor. Die Kellnerin Marta und der Barkeeper Patrick warten dennoch auf die ersten Gäste.
Nur noch wenige Menschen harren in der Stadt aus, die meisten sind auf der Flucht. Vor diesem Hintergrund stranden ein paar verlorene Figuren in der Bar. Adam und Eva – ein streitendes Paar, das sich trennen will.

Eine Tochter, die damit abschließen will, dass ihr Vater sich nie um sie gekümmert hat. Und zwei über 70-jährige, die sich zu einem letzten Date verabreden, trotz oder gerade wegen der Bedrohung.
Figuren ohne Tiefe
Dramedy – eine Mischung aus Drama und Comedy – so nennt die ukrainische Autorin Maryna Smilianets ihr Stück „Willkommen am Ende der Welt“. Denn nur mit Humor lasse sich die schreckliche Situation, in der sich die Welt befinde, noch aushalten, so lautet die steile These im Programmheft.
Leider misslingt dieser Ansatz gründlich. Die Figuren bleiben ohne Tiefe. Hysterisch aufgeregt und völlig überdreht agiert das Ensemble, um dann im nächsten Moment ins Ernste zu kippen.

Weisheiten, die an Kalendersprüche erinnern
Dabei befeuert es das Publikum mit flachen Witzen und banalen Weisheiten, die an Kalendersprüche erinnern. Wie etwa, das Schicksal ist das, was wir nicht rechtzeitig geändert haben. Da ist die Rede vom richtigen Karma.
Und das Publikum darf auch mal 30 Sekunden die Augen schließen, um an etwas Gutes zu denken. Im Stück landet das Ensemble nach einer gewaltigen Explosion schließlich in einem alten Bunker unter der Bar.
Eine junge ukrainische Filmemacherin sucht ebenfalls Schutz. Die Schicksalsgemeinschaft überschüttet die junge Frau mit Vorurteilen gegenüber Kriegsflüchtlingen. Ihre Ankunft auch noch mit Affenlauten zu begleiten ist mehr als geschmacklos.
Ein ärgerlicher Theaterabend
Überhaupt ist das Stück mit zu viel offensichtlicher Symbolik überladen. Adam und Eva – vertrieben aus dem Paradies, das sie nicht zu schätzen wussten. Sie bringen ihr riesiges schwarzes Kaninchen mit, das ihnen eine Moralpredigt hält. Und am Ende im Bunker von Adam verspeist wird.

Selbst der renommierte ukrainische Regisseur Stas Zhyrkov bringt da wenig wirklich anrührende Momente zustande. Nur gelegentlich blitzt ein bisschen Tiefe auf. Zum Beispiel, wenn per Videogroßaufnahme eine junge Ukrainerin erzählt, wie viele Beerdigungen sie schon besucht hat.
Plötzlich fühlt sich der Krieg ganz nah an. Bis auf solche Ausnahmen ist dieser Theaterabend aber ein großes Ärgernis.
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