Staatstheater Mainz

„Das Ende von Eddy“ - Édouard Louis' Roman auf der Bühne

Stand
Autor/in
Hannegret Kullmann
Hannegret  Kullmann, Autorin bei SWR Kultur

Als der französische Schriftsteller Édouard Louis 2014 seinen Debütroman „Das Ende von Eddy“ veröffentlichte, war das eine literarische Sensation: Das autofiktionale Buch erzählt von einem schwulen Jungen im homophoben Arbeitermilieu. Regisseur Jan Friedrich inszeniert den Stoff für das Mainzer Staatstheater. Keine leichte Aufgabe, den schonungslosen Text auf die Bühne zu bringen.

40 Quadratmeter für die ganze Familie, feuchte Flecken an den Wänden, nackter Betonboden. Wenn der kleine Eddy fragt, warum es im Haus keinen Teppichboden gibt, reagiert seine Mutter verlegen. Es ist eine der vielen bitteren Szenen aus der Kindheit von Eddy Bellegueule, dem Ich-Erzähler aus Edouard Louis' autofiktionalem Roman.

Szene aus Theaterstück "Das Ende von Eddy"
Der erwachsene Eddy (Lennart Klappstein, rechts) erinnert sich an den freudlosen Alltag seiner Mutter (Stephanie Kämmer). Als Vorlage für das Bühnenbild diente ein Originalfoto von Edouard Louis' Elternhaus in Nordfrankreich.

Traumatische Kindheit im Arbeitermilieu

Regisseur Jan Friedrich und sein Team haben den Coming-of-Age-Roman für die Bühne des Mainzer Staatstheaters adaptiert. Ein schonungsloser Text, der nicht nur vom Aufwachsen in ärmlichsten Verhältnissen erzählt, sondern auch von der schmerzvollen Identitätssuche eines jungen Schwulen in einer homophoben Welt voller Diskriminierung und Gewalt.

Szene aus Theaterstück "Das Ende von Eddy"
Eddy wächst in den 1990er-Jahren in prekären Verhältnissen auf. Regisseur Jan Friedrich setzt eine Live-Kamera ein und bringt dadurch eine weitere Ebene in seine Inszenierung (im Bild: Benjamin Kaygun, Leandra Enders).

Der Roman zeigt, wie konkret Menschen unter Homophobie leiden und wie schwer die seelischen Wunden sind, die da geschlagen werden“, sagt Jan Friedrich. Das Buch habe ihn sehr berührt. Gerade jetzt, wo es nach der Wiederwahl von Donald Trump in den USA einen Backlash gebe, sei der Stoff wieder besonders aktuell.

Inszenierung stellt den Text in den Vordergrund

Der Regisseur hat die Rolle des Eddy auf vier Schauspielende verteilt. Es gibt einen kindlichen Eddy, der von einer Frau gespielt wird. Ihm zur Seite stehen drei erwachsene Eddys, die von Männern dargestellt werden. Die Schauspieler fühlen sich nicht in die Figur ein, sondern präsentieren den Text nüchtern, beinahe wie im Dokumentartheater.

Das Ende von Eddy
Rassismus, Homophobie und Gewalt sind in Eddys Familie an der Tagesordnung (v.l.n.r. Benjamin Kaygun, Johannes Schmidt, Lennart Klappstein, Stephanie Kämmer).

Dazu passt auch das Grau-in-Grau, das sich im Bühnenbild und den Kostümen widerspiegelt. „Die Farbe erzeugt einen Verfremdungseffekt“, sagt Jan Friedrich,. Sie lege sich wie ein Graufilter über Eddys Vergangenheit und über dessen schlimme, gewaltvolle Kindheit.

Der Protagonist unterwirft sich seinen Peinigern

Eddy wird ins Arbeitermilieu hineingeboren, das von einem archaischen Männerbild geprägt ist, von Zigaretten, Alkohol und Prügeleien. Wegen seiner hohen Stimme und der eher weiblichen Attitüde gilt er als Sonderling.

Nicht nur im Dorf, auch in der Schule ist er täglich Beleidigungen und roher Gewalt ausgesetzt. Er fügt sich in die Opfer-Rolle.

Szene aus Theaterstück "Das Ende von Eddy"
Mit nüchternem Blick: Der erwachsene Eddy erinnert sich an seine traumatische Kindheit (Benjamin Kaygun am Mikrofon, Friedrich Brückner auf der Leinwand).

Permanente Demütigungen und Schläge – wie kann man diese Brutalität auf die Bühne bringen, ohne Klischees zu reproduzieren?

Bei der Gewaltdarstellung setzt der Regisseur auf gestische oder akustische Andeutungen, die die Zuschauer und Zuschauerinnen im Kopf ergänzen können. Außerdem hat das Team die vielen Rassismen im Originaltext eingekürzt.

Durch den Text und von dem allein, was da stattfindet, wird sich das schon übertragen. Und das ist dann, glaube ich, auch genug. Das ist ja beim Lesen schon hart, ohne Bilder.

Die Inszenierung zeigt den Teufelskreis aus Armut, Bildungsferne und toxischer Männlichkeit. Eddy weiß, dass er kein „echter Kerl“ werden wird und empfindet sich als Gefangener seines Körpers.

Trotz aller Widrigkeiten: Am Ende scheint es aber doch noch eine Perspektive für ihn zu geben.

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