Die Bigband-Musik der 1920er-Jahre sei die moderne Popmusik jener Zeit gewesen, sagt Nikko Weidmann. Der musikalische „Supervisor“ der erfolgreichen Fernsehserie Babylon Berlin leitet das Moka Efti Orchestra, das eigens für die Serie gegründet wurde. Derzeit ist das Orchester mit Schauspieler Benno Führmann auf Konzert-Lese-Reise.
Biographische Bezüge erklären die Faszination von Babylon-Berlin
Die Faszination für den Babylon-Berlin-Kosmos erklärt sich Weidemann mit dem biographischen Bezug vieler deutscher Familien zur NS-Zeit. „Es ist ein Symptom dafür, dass wir als Gesellschaft das Monströse, was in der Nazizeit passiert ist, gar nicht packen können und ein Stück weit verdrängen müssen. Es ist einfach zu viel fürs menschliche Fassungsvermögen“, sagt der Musiker im Gespräch mit SWR Kultur.

Für Tom Tykwer ist die Zeit vor der Machtergreifung untererzählt
Über die Zeit zwischen 1933 und 1945 werde viel gesprochen, zum Beispiel im Schulunterricht. Tom Tykwer, der Regisseur von Babylon Berlin, finde aber, dass die Zeit vor der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten untererzählt sei. Dabei sei die besonders spannend: Deutschland, vor allem Berlin sei ein Zentrum für fortschrittliche Wissenschaft und Kunst gewesen.
Es war eine zugespitzte Zeit, die anders hätte ausgehen können: das Licht war ganz nah am Schatten.
Das alles erinnere uns auch ein Stück weit an die Gegenwart, obwohl er das nicht überstrapazieren wolle. „Dennoch hoffe ich, dass unsere Demokratie diesmal stärker ist“.
Bigband-Musik der 20er-Jahre
Die musikalische Umsetzung der Live-Musik in Babylon Berlin mit dem Moka Efti Orchester beschreibt Weidemann als spannende Aufgabe. Die Bigband-Musik der 1920er-Jahre sei ein Stiefkind der symphonischen Musik, aber eben auch die moderne Popmusik dieser Zeit gewesen: „Der Hot Jazz war in den 20er-Jahren das gleiche wie Techno oder House heute“.
Tom Tykwer habe ihm damals gesagt, man sollte in der Serie eine Musik erahnen lassen, wie sie hätte sein können, wenn die Nazis nicht gewonnen hätten. „Er sagte: stell Dir vor wie „Relax“ von Frankie goes to Hollywood 1928 geklungen hätte!“
Mehr zu „Babylon-Berlin“
Neuer Podcast des Autors hinter „Babylon Berlin“ „Ausgrenzende Politik führt immer zu Mord“ – Volker Kutscher über den Aufstieg der NS-Diktaktur
Seine Bücher sind die Grundlage für die ARD-Serie „Babylon Berlin“: Im zehnteiligen Podcast „Babylon zerfällt“ widmet sich Volker Kutscher nun der Zeit zwischen 1929 bis 1938.