Mut zum Experiment beim Staatstheater Mainz: Im neuen Format „Try-Out“ werden dem Publikum Zwischenstände aus den Proben präsentiert und Stückideen ausprobiert. Den Anfang macht eine Adaption des Klassikers „Michael Kohlhaas“.
Ein Ort zum Probieren
Ein kleiner Raum im Kurfürstlichen Schloss zu Mainz wird zum Probierlabor. Ein wenig abseits vom „großen“ Theater findet das erste „Try-Out“ des Staatstheaters statt. Das Konzept: Dem Publikum wird kein fertiges Stück, sondern ein Zwischenstand aus den Proben präsentiert. Wie das fertige Produkt am Ende aussieht, ist zweitrangig. Es geht eher um den Weg dorthin, erklärt Katharina Greuel, vom Leitungsteam der „Mainz Residenz“.
„Es ist eben ein Ort zum Probieren. Man darf probieren, man darf experimentieren und es ist nicht der Anspruch oder der Druck: In sechs Wochen muss die perfekte Premiere rauskommen, sondern es ist ein Prozess und zu dem laden wir Publikum mit ein: Teilzuhaben und vielleicht auch mal Proben in einem Stand zu sehen, wo man sonst gar nicht hinter die verschlossenen Türen des Theaters gucken kann.“
Auf der Bühne: der Klassiker „Michael Kohlhaas“.
Auf dem Programm steht eine Adaption des Klassikers „Michael Kohlhaas“. Das Original ist im 16. Jahrhundert angesiedelt, die Inszenierung möchte den Stoff auch auf seine heutige Gültigkeit überprüfen.
Es geht um den Pferdehändler Kohlhaas, der auf einer Reise nach Dresden betrogen wird. Da ihm ein Passierschein fehlt, muss er seine Tiere unterwegs als Pfand bei einem Burgherrn zurücklassen. Als er seine Pferde wieder an sich nehmen will, muss er feststellen, dass die Tiere auf dem Feld eingesetzt wurden. Nun sind sie abgemagert und wertlos.
Kohlhaas bittet darum, seine gesunden und wohlgenährten Rappen zurückzubekommen. Seine Bitten werden nicht erhört. Kohlhaas will vor Gericht klagen, hat jedoch keinen Erfolg. Von diesem Moment an schwört der Pferdehändler Rache, koste es, was es wolle. Eine Geschichte über Betrug, Gerechtigkeit und Selbstjustiz, die sich in ihren Grundzügen überall und zu jeder Zeit ereignen könnte.
Eine Chance, mit wenig Druck Neues auszuprobieren
Inszeniert wurde das Stück von Luis Dekant. Normalerweise ist er am Staatstheater als Regieassistent tätig. Dass er bei diesem Projekt selbst inszenieren durfte, hat er der „Mainz Residenz“ zu verdanken.
„Theater an sich ist kein super niedrigschwelliges System“, erzählt er. „Und es gibt ganz viele Leute, die Lust haben, Dinge zu zeigen und auszuprobieren und zu machen. Für mich ist das ein Grund, warum das hier so eine krasse Möglichkeit ist: dass man das alles machen kann, in einem geschützten Raum. Es ist aber einfach auch eine Chance, sich zu zeigen.“
Ohne Erwartungen und mit möglichst wenig Druck Neues ausprobieren können: Das ist der Vorteil eines „Try-Outs“ für die Theaterschaffenden.
Feedback vom Publikum ist dringend erwünscht
Und die Zuschauer? Die dürfen Theaterarbeit mit Ecken und Kanten erleben. Da merkt man dann vielleicht, dass eine Pointe noch nicht ganz so gut sitzt, ebenso die ein oder andere Textstelle.
Trotzdem bekommt man einen runden Theaterabend geboten. Manchmal kann man auch schon erahnen, an welchen Stellen das Ensemble noch arbeiten wird und welche schon bühnenreif sind. Feedback vom Publikum ist dringend erwünscht, zum Beispiel nach der Vorführung beim Gespräch im Foyer.
„Lass dich überraschen!“ ist also ein Stück weit das Motto der „Try-Outs“. Das gilt auch für die Zukunft des jeweiligen Projekts nach der Testphase. Ob die Stücke weiterentwickelt werden und ihren Weg in den regulären Spielplan finden ist unklar und hängt sicher auch von den Rückmeldungen des Testpublikums ab.
Die Zuschauer haben die Chance, brandneue Stücke in ihren Anfängen zu erleben. So kann man Zeuge werden; entweder von einem gescheiterten Experiment oder der Geburt des nächsten, großen Theaterhits.
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