„Es wird oft über uns gesprochen”
Es gibt unzählige Klischees über Menschen, die für Geld ihre Körper verkaufen. Dabei sind ihre Charaktere und Biografien genauso mannigfaltig wie in jedem anderen Berufsfeld auch. Doch dem ältesten Gewerbe der Welt haftet bis heute der Nimbus des Verwerflichen und Sündhaften an.
Die Betroffenen fühlen sich dadurch missverstanden und sind frustriert, dass ihre Perspektive beim politischen Diskurs häufig außen vor bleibt. Viele der ins Feld geführten Argumente gehen an ihrer Lebenswirklichkeit vorbei.
In Heilbronn stehen bei der Performance „A Stripper's Closet” drei dieser Betroffenen auf der Bühne des Theaterschiffs. Kennengelernt haben sie sich über das Berlin Strippers Collective. Die Bühne nutzen sie als Plattform für ihre Kunst und für ihre Perspektive zum viel diskutierten Umgang mit Sexarbeitenden in unserer Gesellschaft.
Freiheit der Sexarbeit ist eine Frage körperlicher Selbstbestimmung
Für River Roux ist die Debatte um Sexarbeit eng verbunden mit der Debatte um die körperliche Selbstbestimmung von Frauen und Männern. Sie findet, dass Sexarbeit nicht als legitimer Beruf wahrgenommen und gesellschaftlich akzeptiert wird, weil „die körperliche Selbstbestimmung von Frauen nicht anerkannt wird. Dass uns nicht zugesprochen wird, selbst zu entscheiden, was wir mit unseren Körpern wann, wofür und mit wem tun.”
Ginge es nach River Roux, sollte sich das schleunigst ändern. Es gehe den Performer*innen vor allem darum, dass ihre Perspektive bei der Frage nach dem gesellschaftlichen Umgang mit Sexarbeit gehört wird.
„Wir bringen die Leute dazu, unser Leben besser zu verstehen, in all seiner Komplexität”, sagt auch Performance-Künstlerin Mia Onacid, „die meisten unserer Themen sind letztlich gar nicht so fremd und anders als die Anliegen anderer Beschäftigter.” „Damit”, ergänzt River Roux, „setzen wir der Dehumanisierung, die in den Medien passiert, etwas entgegen.”
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Entkrimininalisierung keine Meinungsfrage, sondern eine Notwendigkeit
Am meisten mache es ihr zu schaffen, dass die Diskussion schon im Kern falsch geführt werde, erklärt River Roux. Das Thema müsse abseits von Meinungsbeiträgen behandelt werden. Im Vordergrund dürfe eben nicht die Frage stehen, ob man Sexarbeit moralisch gut oder schlecht findet. Für die Entscheidungsfindung sei ausschließlich die Auswertung von Fakten relevant.
Diese zeigen eins ganz klar, sagt River Roux: „Dass die vollständige Dekriminalisierung zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen, gesundheitlichen und sozialen Situation von Sexarbeiter*innen führt. Und daher ist das keine Meinungsfrage, sondern eine Notwendigkeit.”
Die Interpretation der Studien ist aber, wie so oft, von der politischen Agenda der Interpretierenden geprägt. Dass Zwangsprostitution, Menschenhandel und prekäre Sexarbeit gezielt bekämpften werden müssen, sei dabei selbstverständlich. Aber die drei Performerinnen wollen nicht länger als Opfer gesehen werden, sondern als selbstbestimmte Berufstätige.
Sexarbeit: Ein Beruf wie jeder andere?
Der politische Diskurs wird nach Meinung der Betroffenen über die Köpfe der Sexarbeitenden hinweg geführt, aber gleichzeitig auf ihrem Rücken ausgetragen. Das könne sich erst ändern, wenn Sexarbeit als legitime Erwerbstätigkeit anerkannt werde.
Nur dann können auch die gleichen sinnvollen Regelungen zum Schutz vor arbeitsbedingten Sicherheits- und Gesundheitsgefährdungen etabliert werden, wie sie in anderen Branchen üblich sind. Das sei im Rahmen der aktuellen Gesetzeslage schlicht nicht gegeben.
Die Frage nach einer angemessenen gesetzlichen Regelung von Sexarbeit ist komplex. Ein objektiver Diskurs häufig durch subjektive moralische Überzeugungen verwässert. Es würde allen Beteiligten gut zu Gesicht stehen, die Betroffenen bei der Suche nach einer sinnvollen Gesetzesgestaltung stärker einzubeziehen.