Platz 10 (25 Punkte)

Hans Joachim Schädlich: Das Tier, das man Mensch

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Das Gulasch-Prinzip: Man würzt und kocht es, bis ein kraftvolles, hochkonzentriertes Gericht übrigbleibt. Hans Joachim Schädlich, mittlerweile 87 Jahre alt, ist einer der raffiniertesten literarischen Gulaschköche, die die deutschsprachige Gegenwartsliteratur hat. In seinem neuen Buch versammelt Schädlich knappe Texte, die durch die Epochen hindurch historische Grausamkeiten und Verheerungen aufzeichnen.

Der Titel des Buches stammt von Jonathan Swift: „... hauptsächlich hasse und verachte ich das Tier, das man Mensch nennt, obwohl ich herzlich John, Peter, Thomas usw. liebe.“ Man kann dieses Buch aufschlagen, wo immer man will, und stößt auf hoch interessante Geschichten: Da ist das Jahr 1926, in dem der Psychoanalytiker Professor Zalkind dem Kommunistischen Jugendverband der Sowjetunion erklärt, dass das Sexuelle stets den Interessen der Arbeiterklasse zu dienen habe und die körperliche Kraft nicht dafür verplempert werden dürfe. Da ist der Mann, der sein Pferd verloren hat und wieder und wieder in seine Kutsche steigt, „mit einem Eifer, der einer besseren Sache würdig gewesen wäre.“

Oder die Erzählung von Herrn Kaczmarek, der mit Frau und Kinderwagen im Tiergarten spazieren geht und dem „Trotzdem“ alles Gute gewünscht wird, obwohl er kein Deutscher ist. Nicht länger als zwei, drei Seiten sind diese Texte. Das macht ihre Wucht aus.

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Autor/in
SWR