SWR1 Leute live – Das Sommerspecial

Virologe Christian Drosten und Journalist Georg Mascolo: Die nächste Pandemie kommt bestimmt

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Moderator/in
Jens Wolters
Moderator Jens Wolters aus dem SWR1 Team moderiert regelmäßig die Sendung SWR1 Leute mit spannenden und interessanten Gästen

In ihrem Buch fragen sie "Alles überstanden?" und verraten in SWR1 Leute, was in Politik, Wissenschaft und Medien während der Corona-Pandemie hätte besser laufen können.

Vergessen kann ja etwas sehr Heilsames sein. Aber Staaten können sich das nicht leisten. Deshalb ist die Frage 'Wie blicken wir zurück, was lernen wir daraus für das nächste Mal?' geradezu zwingend. 

Drosten und Mascolo zur Corona-Pandemie: "Alles überstanden?"

Um die Lehren aus der Corona-Zeit geht es Virologe Christian Drosten und Journalist Georg Mascolo. Deshalb haben sie sich zusammengesetzt und ein Buch geschrieben, nennen es ein überfälliges Gespräch und fragen im Buchtitel "Alles überstanden?".

Das Buch, so Georg Mascolo, wehre sich massiv gegen den Versuch der Umdeutung – derzeit werde an ganz vielen Stellen versucht, im Grunde eine völlig andere Geschichte der Pandemie zu erzählen.

[Im letzten Herbst wurde] diese Umdeutung sehr sichtbar in der Öffentlichkeit, dass gesagt wird 'es ist ja doch alles relativ und wer weiß, was denn wirklich richtig war'. Das ist etwas, was mich stört als jemand, der sich sehr stark mit den Fakten beschäftigt hat. 

Das Buch soll die Pandemie, die Rolle von Politik, Wissenschaft und Medien aufarbeiten und für eine realistische und faire Darstellung der Ereignisse sorgen. Es kombiniert Drostens wissenschaftliche Expertise mit Mascolos journalistischen Recherchen zu den tatsächlichen Abläufen und internen Dokumenten des Krisenmanagements.

Corona-Pandemie: Fakten contra Fehlinterpretationen

Christian Drosten war eines der Gesichter der Pandemie. Der Chef-Virologe der Charité war Berater der Bundesregierung unter Angela Merkel, anschließend unter Olaf Scholz. Seine Einschätzungen hatten Gewicht. Für einige war Christian Drosten die erklärende Stimme, für andere der Buhmann, der Verbote vorgab.

Bundesweit bekannt wurde er durch den wissenschaftlich und journalistisch orientierten Corona-Podcast im NDR – ein, wie er betont, hochqualitatives Produkt, das Informationen für alle geliefert habe. Dass diese über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk allen Menschen zugänglichen Informationen von einigen dann aber so verdreht wurden, wie es gerade gebraucht worden sei, sei ihm vorab vollkommen unklar gewesen.

Eine weitere Erfahrung von Drosten, durchaus auch mit Spitzenpolitikern: Er habe sich an mancher Stelle auch benutzt gefühlt. Er habe die wissenschaftlichen Fakten geliefert, sei aber für Entscheidungen der Politik verantwortlich gemacht worden, die er nie getroffen habe.

Krisenmanagement von Politik und Robert Koch Institut

Den Leak der ungeschwärzten, 3.800 Seiten starken Corona-Protokolle des Robert Koch Instituts bewerten Drosten und Mascolo leicht unterschiedlich. Georg Mascolo bezeichnet die anfänglichen Schwärzungen in den Protokollen des RKI als außerordentlich ärgerlich.

Das halte ich für grundfalsch, weil der Eindruck entsteht, man habe etwas zu verbergen. Wir reden ja nicht über diplomatische oder militärische Geheimnisse. [...] Ich finde, der Staat schuldet seinen Bürgerinnen und Bürgern genau diese Transparenz: Wie sind eigentlich solche Entscheidungen getroffen worden? Das muss zumindest im Nachhinein vollständig transparent gemacht werden.

Drosten kann allerdings sehr gut verstehen, warum das Robert Koch Institut ein Interesse daran haben kann, dass bestimmte interne, damals noch nicht abgeschlossene Diskussionen ungefiltert an die Öffentlichkeit kommen: Manchmal seien nicht belegte Aussagen oder Hörensagen in diese Diskussionen eingeflossen und hätten noch keine Qualitätskontrolle durchlaufen.

Die Kommunikation des RKI während der Pandemie lobt Christian Drosten: Sie sei immer sehr substanziell und belegt gewesen – aus dem RKI sei niemals etwas wirklich Falsches kommuniziert worden.

Schulschließungen und Lockdown: Wer trägt die Lasten der Pandemie?

Zurück zu schauen und zu sagen 'was machen wir beim nächsten Mal auf keinen Fall so, was sind die Punkte, an denen wir besonders sensibel sein müssen?': Dazu gehört ganz sicher die Frage 'wer trägt in der Pandemie welche Lasten?'. Ich glaube, [...] dass in der nächsten Pandemie nicht die Kinder und die Jugendlichen diejenigen sein sollten, die die Hauptlast tragen.

Christian Drosten steuert in SWR1 Leute eine weitere Beobachtung bei, wie Deutschland mit der Pandemie umgegangen sei, besonders in und nach der zweiten Welle – auch daraus könne man Schlüsse für die Zukunft ziehen.

In der ersten Welle war ja Deutschland international unter denen, die es am besten gemacht haben. Das führte dazu, dass wir in Deutschland wenig Erfahrung mit den schweren Konsequenzen hatten. Das führte dann zu einer gewissen 'laissez faire'-Haltung über den Sommer [...] und dann kam diese Winterwelle, die klar abzusehen war.

Obwohl die Wissenschaft klar vor der Winterwelle gewarnt hatte, seien immer wieder Zweifel gestreut worden – die seiner Einschätzung nach verunsicherte Politik habe dann in der Folge nicht richtig und konsequent reagiert. Eine große Zahl von Toten und eine große gesellschaftliche Kontroverse sei die Folge gewesen.

Um solche Zweifel, solche Unsicherheiten künftig zu vermeiden, rät Georg Mascolo mit Blick nach vorne:

Es wäre besser gewesen, die Wissenschaftler hätten [...] ihre Erkenntnisse und Empfehlungen schriftlich der Politik gegeben – damit wäre eindeutig  zu erkennen gewesen: 'Hier gibt es den Rat der Wissenschaft, den kann auch jeder nachlesen, aber die Entscheidungen werden politisch getroffen'.

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Vom 30. Juli bis 4. August 2024 haben wir beim SWR1 Leute live  – Das Sommerspecial aus dem mobilen Studio in Berlin und Pforzheim gesendet und hatten spannende Gäste und Geschichten.