Poetry Slammerin Leah Weigand: Das muss sich in der Pflege ändern

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Moderator/in
Nicole Köster
Moderatorin Nicole Köster aus dem SWR1 Team moderiert täglich ausßer samstags zwischen 10 und 12 Uhr die Sendung SWR1 Leute

Der ehemaligen Pflegekraft Leah Weigand geht es um mehr WIR in Gesellschaft und Pflege. Deshalb steht in der Widmung ihres Buchs "Ein wenig mehr Wir" auch knapp und klar: FÜR UNS.

Ich wünsche mir in den kleinen Alltagssituationen ein bisschen mehr Menschlichkeit und den Blick auf die Leute, die um einen herum sind – dass man den Blick [nur auf sich] von sich abwendet: Wie kann ich auch einen positiven Einfluss auf die Welt und die Menschen um mich herum haben?

Wie gehen wir als Gesellschaft gemeinsam mit Herausforderungen um?

Bekannt wurde Leah Weigand durch das Video vom Auftritt ihres Poetry Slam Textes "Ungepflegt": Sie beschreibt darin ihre Erfahrungen in der Pflege. Das Video wurde in kürzester Zeit millionenfach geklickt. Über ihren Text sagte Prof. Dietrich Grönemeyer:

Ich habe noch nie in meinem ganzen Leben einen so schönen, berührenden und auf den Punkt gebrachten Text gehört.

Als Krankenpflegerin und Medizinstudentin bringt Leah Weigand ihre jahrelangen Erfahrungen mit außergewöhnlicher Wortgewandtheit und Empathie ein. Sie schafft dadurch auch außerhalb ihrer Bühnen-Performances ein Bewusstsein für die Probleme in der Pflege.

Pflegekräfte am Limit: Wie lässt sich Pflege verbessern?

Aktuell fehlen in Deutschland gut 200.000 Pflegekräfte. Und: Viele in diesem Beruf verlassen ihren Job. Wie erklärt sich Leah Weigand, dass viele Pflegende sagen: "Ich kann einfach nicht mehr"? 

Der innere Konflikt mit einem selbst [lässt einen in der Pflege so verbrennen]: Der moralische Stress, dass man jeden Tag gegen seine eigenen Ansprüche ankämpft, dass man nicht so arbeiten kann, wie man’s gerne würde. [...] Das ist immer das Traurigste, weil das oft die Menschen sind, die das aus Leidenschaft machen.

"Eigentlich braucht's nur mehr Leute", sagt Leah Weigand auf die Frage, wie man die Situation in der Pflege verbessern könnte. Die Wege dorthin seien vielfältig: Zum einen sollte man als Pfleger:in selbst ausstrahlen, was für ein schöner Beruf das ist.

Zum anderen müssten bessere Bedingungen geschaffen werden, die den Beruf attraktiver machen – auch für Männer oder für Menschen, die damit ihre Familie ernähren wollen. Das beinhalte auch bessere Modelle, die den schwierigen Schichtdienst besser anpassen und ihn familienverträglich machen. Um das zu erreichen, brauche es die Zusammenarbeit von Politik, den Pflege-Häusern und den Pflegenden. 

Mitleid für den Pflegeberuf ist kein guter Ansatz

Dass die problematische Situation in der Pflege sich so lange halten kann, liege auch daran, dass dort "so viele robuste Menschen arbeiten, die das immer noch so mittragen und mitmachen, weil sie den Job so gerne machen und sich leider ein bisschen den Bedingungen beugen". 

Problematisch findet Leah Weigand auch, dass in den vergangenen Jahren so etwas wie ein Mitleid für die Pflegenden entstanden sei:

'Ihr Armen! Was ihr da machen müsst, so einen schlimmen Beruf, ihr tragt so eine Bürde': Das fand ich eine ganz falsche Richtung, weil Pflege ist ein so schöner, wertvoller und toller Beruf, für den man sich ganz bewusst entscheidet. Da finde ich es schade, wenn man dann Mitleid bekommt dafür. 

Pflegekräften mehr zutrauen und mehr Verantwortung übertragen

"Pflegekräfte sind nur Hilfskräfte": Dieses Bild werde nicht nur in manch einer Fernsehserie vermittelt. Auch die Zusammenarbeit mit Ärzt:innen sei nicht immer frei davon. Die Pflegenden sollten, so Weigand, Selbstbewusstsein über ihr Können, ihre Kompetenz und ihr Verantwortungsbewusstsein ausstrahlen, denn das fördere den Respekt.  

Wir können der Pflege noch mehr zutrauen, denn wir haben drei Jahre Ausbildung, in der viel drin steckt. Oft hat man das Gefühl, dass da nicht so viel angewendet werden darf: Obwohl man so viel weiß und kann, muss man trotzdem alles absegnen lassen von den Ärzten. Da wünsche ich mir schon mehr Verantwortung.  

Was Propyhlaxe angehe, sagt Leah Weigand deutlich und selbstbewusst: In der Vorsorge kenne sich Pflege viel besser aus – auch besser als die Mediziner – um zum Beispiel Thrombosen oder Druckgeschwüre zu vermeiden. Und da, so ihre Forderung, brauche es mehr Eigenverantwortung. Das allerdings gehe nur, wenn die bestehenden Vorschriften entsprechend geändert würden. Dass das ein langer Weg ist, ist ihr klar. 

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Rechzeitig vorsorgen für den Pflegefall

Dass der Pflegefall eines Tages kommen wird, wissen wir alle – wir verdrängen es nur allzu oft. Auch ihr, sagt Leah Weigand, mache es durchaus ein wenig Angst, dass die Pflegekräfte im Moment immer weniger werden und die Pflegebedürftigen immer mehr. Deshalb sei es gut, sich gedanklich mit dem Thema Pflege zu beschäftigen und gemeinsam mit Eltern, Partnern, Angehörigen oder Freunden rechtzeitig darüber zu reden, wie man sich den Pflegefall vorstellt und individuelle Lösungen zu finden.

Das gibt mir immer wieder Hoffnung, dass ich auch in der Pflege so viele Menschen treffe, die einen guten Job machen wollen und ganz genau wissen, warum sie diesen Job machen. Das gibt mir Zuversicht. 

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