1939 bis 1945

Radio im Zweiten Weltkrieg

Stand

Im Radio verkündet Admiral Dönitz die bedingungslose Kapitulation der Deutschen Wehrmacht. Damit endet ein Krieg, der zum ersten Mal in der Geschichte auch mit dem Rundfunk als Propagandamittel geführt wurde. Was hat das Radio im Krieg bewirkt?

Die Töne im Kontext

Christoph König im Gespräch mit dem Rundfunkhistoriker Prof. Konrad Dussel

Zweite Sitzung des neuen Reichstages, 23. März 1933: Abstimmung über das "Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich" (sog. Ermächtigungsgesetz). Adolf Hitler während seiner Regierungserklärung zum "Ermächtigungsgesetz". Auf dem Stuhl des Parlamentspräsidenten: Hermann Göring

23.3.1933 Hitlers Machtübernahme im Parlament: Das Ermächtigungsgesetz

23.3.1933 | Adolf Hitler tritt erstmals im Parlament auf. Er kündigt an, den vermeintlichen Reichstags-Brandstifter hinrichten zu lassen. Das Ermächtigungsgesetz wird verabschiedet. | Der Reichstag vor Hitler: Parlamentsdebatten 1931 bis 1933

2.7.1935 Wie der NS-Rundfunk sein soll – Reichssendeleiter Eugen Hadamovsky

2.7.1935 | Zur 12. Funkausstellung in Berlin skizziert Reichssendeleiter Eugen Hadamovsky die Ideen für den deutschen Rundfunk in seiner Rede an die Mitarbeiter der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft am 2. Juli 1935.

Genialer Chirurg mit Nähe zum NS-Regime Ferdinand Sauerbruch

Ferdinand Sauerbruch (1875 - 1951) war einer der einflussreichsten deutschen Chirurgen im 20. Jahrhundert. Doch sein Verhalten in der Nazi-Zeit war ambivalent.

7.12.1938 Sigmund Freud über die Psychoanalyse und die Gründe seiner Flucht

7.12.1938 | 1938, nach einigem Zögern, entscheidet sich der 82-jährige Sigmund Freud (* 6. Mai 1856), seine langjährige Heimat Wien zu verlassen. Vorausgegangen ist der Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich im März 1938 – und die Folgen für Wiener Juden: zunehmend judenfeindliche Maßnahmen und unangemeldete Besuche von SA und Gestapo.
Aber die Flucht aus Österreich ist nicht einfach, Großbritannien und die USA müssen Druck machen, Freunde eine "Reichsfluchtsteuer" vorstrecken, damit Freud mit dem Orientexpress nach Paris ausreisen darf. Von dort geht es weiter nach London, wo er am 6. Juni 1938 in der Victoria Station ankommt und von einem großen Presseaufgebot empfangen wird.
Freud lebt sich erstmal ein. Die BBC möchte ihn interviewen, doch aufgrund seines Alters ist ihm eine Live-Sendung nicht mehr zuzumuten. So bereitet er einen kurzen Text vor, den er in seiner Wohnung ins Mikrofon eines BBC-Reporters spricht. Zunächst erklärt er in wenigen englischen Worten sein Lebenwerk: Unter dem Einfluss eines älteren Freundes – damit meint Freud vermutlich seinen Kollegen Josef Breuer – habe er einige neue und wichtige Fakten über das Unbewusste, über Triebe und so weiter entdeckt. Doch die Menschen hätten seinen Erkenntnissen nicht geglaubt, es habe zunächst viel Widerstand gegeben, der Kampf sei noch nicht vorbei.
Dann wechselt Freud plötzlich ins Deutsche und fasst in einem Satz die Gründe für seine Flucht zusammen. Es ist die einzige Originalaufnahme Sigmund Freuds in den deutschen Rundfunkarchiven.
I started my professional activity as a neurologist, trying to bring relief to my neurotic patients. Under the influence of an older friend and by my own efforts I discovered some important new facts about the unconscious in psychic life, the role of instinctual urges and so on. Out of these findings grew a new science, Psychoanalysis, a part of psychology and a new method of treatment of the neuroses. I had to pay heavily for this bit of good luck. People did not believe my facts and thought my theories unsavoury. Resistance was strong and unrelenting. In the end I succeeded in acquiring pupils and building up an international Psycho-Analytic Association. But the struggle is not yet over. Im Alter von 82 Jahren verließ ich infolge der deutschen Invasion mein Heim in Wien und kam nach England, wo ich mein Leben in Freiheit zu enden hoffe. My name is Sigmund Freud.
10 Monate nach dieser Aufnahme stirbt Freud am 23. September 1939 in London.

1939 Schüler üben Umgang mit "Volksgasmaske"

1939 | Hitler und das NS-Regime bereiten den Krieg vor und stimmen die Bevölkerung darauf ein. Hier mit einer Übung an einer "Luftschutzhauptschule", an der Schüler die "Volksgasmaske" ausprobieren. Quelle: Deutsches Rundfunkarchiv

1939 Einrichtung von Luftschutzräumen

1939 | In Wohngebäuden werden in Vorbereitung auf den sich ankündigenden Krieg zunehmend Luftschutzräume eingerichtet. So wie im folgenden Vorzeigebeispiel in Schlesien."Wenn hier Fliegeralarm ist“, so der Reporter, "werden Schallplatten aufgelegt, damit die Stimmung gut ist". Quelle: Deutsches Rundfunkarchiv

29.7.1939 Luftschutzübung in Berlin

29.7.1939 | Ein Luftangriff auf Berlin wird simuliert. Zum Abschluss der Übung bedankt sich der Kommandeur bei der Bevölkerung. Sein Fazit: Wer sich an die Empfehlungen halte, habe bei einem Angriff nichts zu befürchten.

1.9.1939 Kampf gegen Tuberkulose: Die Röntgen-Reihenuntersuchungen

1.9.1939 | Um Tuberkulose-Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und so die Ansteckungsgefahr einzudämmen, wurde 1939 die Röntgen-Reihenuntersuchung eingeführt. Der Mediziner Hellmuth Ulrici erläutert Ende 1939 im Rundfunk die Wichtigkeit der neuen Untersuchung. | Mehr historische Aufnahmen zur Medizingeschichte: http://swr.li/medizingeschichte

1.9.1939 "Seit 5:45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen" – Hitler erklärt Kriegsbeginn und Pakt mit Stalin

1.9.1939 | Bei seiner Reichstagsrede zum Kriegsbeginn am 1. September 1939 donnert Adolf Hitler immer wieder frenetischer Applaus entgegen. Er rechtfertigt den Überfall auf Polen mit einem angeblichen polnischen Angriff auf den Sender Gleiwitz in Schlesien. Jetzt schieße man eben "zurück".

London

1.9.1939 BBC-Nachrichten zum Kriegsbeginn

1.9.1939 | Die BBC-Nachrichten zum Kriegsbeginn am 1. September 1939. Deutschland hat Polen angegriffen und zahlreiche Städte bombardiert. Großbritannien und Frankreich haben eine Generalmobilmachung angeordnet. Abends werde das Parlament in London zusammenkommen. Auch "Herr Hitler" wird mit einigen Äußerungen zitiert.

1.9.1939 Ex-US-Präsident Herbert Hoover: "USA sollen sich aus Krieg raushalten"

1.9.1939 | Herbert Hoover war zwar seit 1933 nicht mehr Präsident der Vereinigten Staaten, aber immer noch außenpolitisch aktiv. Er hatte nicht erwartet, dass Hitler Polen tatsächlich angreifen würde.

24.9.1939 Heile Welt bei der Reichsgartenschau in Stuttgart

24.9.1939 | Der Rundfunk soll im „Dritten Reich“ möglichst breite Teile der Bevölkerung ansprechen. Es gibt lange Reportagen und Interviews verschiedener Berufsgruppen, Vereine oder NS-Organisationen. Regionen und Städte werden porträtiert, wichtige Feiern oder Ereignisse. Ein Beispiel ist der Bericht von der Reichsgartenschau in Stuttgart 1939.

14.3.1940 NSDAP-Funktionär Walter Groß über Rassenpolitik im Krieg

14.3.1940 | "Rassenpolitik im Krieg" – zu diesem Thema hält Walter Groß, Leiter des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP, einen Vortrag auf einer Kundgebung in Linz. Es ist der 14. März 1940, anwesend sind Vertreter der Partei und der Wehrmacht. Groß propagiert die Zwangssterilisation von sogenannten "Erbkranken" und "Asozialen". Deutlich zeigen sich hierbei die rassenhygienischen Vorstellungen der NS-Regierung. Bereits im Juli 1933 hatte sie "das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" verabschiedet und damit die Grundlage für die Zwangssterilisation von vermeintlich "erbkranken" Menschen geschaffen. Ein solches Gesetz fordert Walter Groß in seinem Vortrag auch für sogenannte "Asoziale". Mit dem Begriff bezeichneten die Nazis Menschen, die gegen die Normen der (nationalsozialistischen)Gesellschaft verstießen. Darunter Obdachlose, Bettler und Prostituierte.
Zu dem Zeitpunkt waren die "Euthanasie"-Morde der Nazis bereits im vollen Gange und die als "asozial" stigmatisierte Personen wurden in Konzentrationslager verschleppt, in Anstalten eingewiesen oder zwangssterilisiert - auch ohne eigenes Gesetz. Bei dem Vortrag handelt es sich um eine der wenigen programmatischen Verlautbarungen aus dem engeren Führungskreis zum Vorgehen gegen sogenannte "Asoziale".

29.5.1940 Noch meldet die Wehrmacht Erfolge

29.5.1940 | Der Krieg findet auch im Rundfunk statt. Wichtig sind die Lageberichte der Wehrmacht. Anfangs sind sie noch von Erfolgsmeldungen geprägt und bleiben nah an der Realität. Erst als sich das Blatt wendet, lässt man das wahre Ausmaß der Niederlagen lieber unerwähnt. Im Jahr 1940 ist die Wehrmacht noch auf dem Vormarsch. Der Lagebericht vom 29. Mai 1940 meldet den Sieg gegen das britische Expeditionsheer.

11.3.1941 Kabarett gegen Hitler: Annemarie Hase im deutschen Dienst der BBC

11.3.1941 | Die BBC wollte die Bevölkerung direkt ansprechen. Das Programm umfasste Musik und Reden von Exilanten, aber auch Kabarett. Die emigrierte Kabarettistin Annemarie Hase tritt hier in ihrer Figur als „Frau Wernicke“ auf. Im Ausschnitt geht es um die sogenannten Feindsender, die im Deutschen Reich verboten sind.

8.12.1942 Krieg im Äther: Russische Störsender überlagern deutsche Propaganda

8.12.1942 | Im Zweiten Weltkrieg war auch der Rundfunk ein Schlachtfeld. Die Kriegsparteien versuchten, die Übertragung des gegnerischen Funks zu stören. Im Archiv findet sich eine eindrucksvolle Aufnahme. Während der deutschen Lagemeldung ist dröhnend Laut Gegenpropaganda zu hören, vermutlich von russischer Seite gesendet. Ein Sprecher brüllt: "Wo ist Rommel?", "in Italien geht alles drunter und drüber", "alles Lügen" oder "aus Russland kommt niemand zurück".

3.2.1943 Niederlage von Stalingrad in den Nachrichten

3.2.1943 | Monatelang dauerte die Schlacht von Stalingrad im Winter 1942/43. 700.000 Menschen kamen ums Leben. Es ist die vor allem psychologische Wende im Krieg gegen die Sowjetunion. Am 3. Februar kommt auch das Oberkommando der Wehrmacht nicht umhin, die Niederlage zu verkünden.

30.8.1944 Reichsrundfunk berichtet über Alfred Wegener und die Kontinentalverschiebung

30.8.1944 | Der Reichsrundfunk berichtet über Alfred Wegeners Theorie der Kontinentalverschiebung. Wegener hatte diese 1912 vorgestellt, allerdings waren seine Belege noch schwach.

Dresden

Februar 1945 Luftangriff auf Dresden – aus drei Perspektiven

Februar 1945 | Der Luftangriff der Alliierten auf Dresden vom 13. bis 15. Februar 1945 gehört zu den massivsten des Zweiten Weltkriegs. Weit mehr als 20.000 Menschen kamen dabei ums Leben. Es gab offenbar nur wenige Rundfunkberichte, zumindest sind kaum welche erhalten geblieben. Zu den wenigen gehören die folgenden drei. Sie unterscheiden sich stark, je nachdem, wer spricht: ein Soldat, ein Berichterstatter der sogenannten Propagandakompanie und eine Mutter.

15.2.1945 Diktat aus dem Propagandaministerium – So soll der Rundfunk über Jalta berichten

15.2.1945 | Wie Rundfunk in der NS-Zeit funktionierte, machen die sogenannten "Rundfunkarbeitsbesprechungen" deutlich. Praktisch täglich diktiert dort der Leiter der Rundfunkabteilung im Propagandaministerium, Hans Fritzsche, ob und wie der Reichsrundfunk über Ereignisse zu berichten hat. Zahlreiche dieser internen Besprechungen sind heute Teil des Deutschen Rundfunkarchivs.
Hier gibt Fritzsche Anweisungen bezüglich der Alliierten-Konferenz in Jalta im Februar 1945, die in den Tagen zuvor zu Ende ging. Dort haben die Staatschefs der USA, Großbritanniens und der Sowjetunion – Roosevelt, Churchill und Stalin – konkretisiert, was mit Deutschland nach einer Kapitulation passieren solle; insbesondere; wie es zwischen den Siegermächten aufgeteilt wird.
Hans Fritzsche diktiert, wie die Rundfunkdienste mit diesen Nachrichten umgehen sollen:
So solle die Schwäche der USA und Großbritanniens gegenüber Stalin zum Ausdruck kommen und die Konferenz von Jalta als "Sieg des Weltjudentums" dargestellt werden.
Hans Fritzsche hatte im Reichsrundfunk eine eigene Sendung mit dem Titel "Hier spricht Hans Fritzsche". Nach dem Krieg wurde er im Nürnberger Prozesss gegen die Hauptkriegsverbrecher angeklagt, aber freigesprochen, weil er vor dem Internationalen Militärgerichtshof Reue demonstrierte und ihm nicht nachgewiesen werden konnte, dass er von den zur Diskussion stehenden Kriegsverbrechen gewusst habe. Anschließend kam er in einer Spruchkammer erneut vor Gericht und wurde dort zu neun Jahren Arbeitslager verurteilt. 1950 kam er durch eine Amnestie vorzeitig aus der Haft, drei Jahre später starb er an einer Krebserkrankung.
Weitere Aufnahmen aus dem Zweiten Weltkrieg: http://swr.li/zweiter-weltkrieg

5.4.1945 Nazi-Sender „Werwolf“ ruft zum Widerstand gegen Besatzer auf

5.4.1945 | Die Alliierten dringen immer weiter vor. In den von ihnen eroberten Gebieten haben sie teilweise Ausgangssperren verhängt. Der nationalsozialistische Sender „Werwolf“ ruft zum Widerstand auf. Reichsführer SS Heinrich Himmler hatte die Aufstellung der Untergrundorganisation „Werwolf“ gegen Ende des Zweiten Weltkriegs befohlen.

21.4.1945 Goebbels ruft zur Verteidigung Berlins auf

21.4.1945 | Der Krieg, den Deutschland angefangen hat, ist praktisch schon verloren, als Joseph Goebbels im Rundfunk die Bewohner Berlins noch einmal zur erbitterten Verteidigung der Hauptstadt gegen den, wie er es nennt, "Mongolensturm" aufruft.

16.4.1945 Radioansprache von Anita Lasker nach ihrer Befreiung aus Bergen-Belsen

16.4.1945 | Am 15. April 1945 wurde die 19-jährige Anita Lasker von britischen Truppen aus dem KZ Bergen-Belsen befreit. Schon einen Tag später berichtete sie im deutschen Programm der BBC, was sie erlebt hatte.

Parlamentsdebatten 1931 bis 1933 Der Reichstag vor Hitler

Die Weimarer Republik war die erste parlamentarische Demokratie in Deutschland. In bisher unveröffentlichten Tonaufnahmen der Parlamentsdebatten wird ihr Scheitern erfahrbar.

Buchkritik Volker Ullrich - Acht Tage im Mai. Die letzte Woche des Dritten Reiches

Finales Inferno - Volker Ullrichs Darstellung der letzten Tage des Dritten Reichs überzeugt durch die Vielfalt der Perspektiven und Schauplätze. Ein Geschichtslesebuch sowohl für Kenner wie auch für Kennenlerner. Rezension von Wolfgang Schneider. Verlag C.H. Beck, München 2020 ISBN 978-3-406-74985-8 317 Seiten 24 Euro