Der Philosoph Giordano Bruno war kein Freund von Denk-Tabus. Ein Alptraum für die Kirche, die den Freidenker 1600 verbrannte. Der Historiker Volker Reinhardt entwirft in seiner großartigen Biografie das Porträt eines faszinierenden Unangepassten, der mit Vehemenz für Toleranz stritt.
Acht Jahre verbrachte Giordano Bruno in den Kerkern der Inquisition, bevor er am 17. Februar 1600 in Rom öffentlich verbrannt wurde. Immer neue Verhöre sollten zutage bringen, wie gefährlich dieser Mann war, der jegliche Gesinnungskontrolle ablehnte. Bruno war ein Freidenker par excellence, dessen Ideen den Orthodoxiewächtern ein Alptraum waren. Der Philosoph ging nicht nur – wie Kopernikus bereits vier Jahrzehnte zuvor – davon aus, dass sich die Erde um die Sonne dreht – und nicht umgekehrt die Sonne um die Erde, wie es die Gralshüter des christlichen Weltbildes für erwiesen hielten. Er erkannte auch, dass jeder Fixstern am Himmel eine Sonne wie die unsere ist.
Bruno wollte Gott, Zeit und Mensch völlig neu denken
Der Mann aus Nola bei Neapel, der sich gern schlicht als „der Nolaner“ bezeichnete, betrachtete das Universum als unendlich und war davon überzeugt, dass es unendlich viele Lebewesen auf anderen Planeten gibt. Sein revolutionäres Konzept zwang dazu, so der Biograf Volker Reinhardt, Gott, Zeit und Mensch völlig neu zu denken:
Bruno war ein Gegner aller Religionen, da diese die Massen bloß verdummten. Jesus hielt er nicht für Gottes Sohn, sondern für einen Hochstapler und gemeinen Betrüger. Nicht von ungefähr hält die katholische Kirche bis heute an ihrer Frontstellung gegenüber Giordano Bruno fest, während etwa der Naturforscher Galileo Galilei oder der Theologe Jan Hus rehabilitiert wurden. Die Hinrichtung sei zwar Unrecht gewesen, erklärte der Papst im Jahr 2000, eine weiterreichende versöhnliche Erklärung war mit diesem Eingeständnis allerdings nicht verbunden.
Die Kapitel zu den Bruno-Verhören lesen sich wie ein Krimi
Volker Reinhardt zeichnet in seiner spannenden Biografie den Weg Brunos präzise nach: vom Eintritt in den Mönchsorden, der Flucht aus dem Kloster und der jahrelangen Wanderschaft durch ein zerrissenes Europa, die ihn von Genf über Paris und Oxford nach Wittenberg und Prag führte, bevor er einer Einladung nach Venedig folgte. Hier geriet er ins Visier der Inquisition. Sein Fall wurde zum Politikum, Bruno zum Spielball der Mächtigen zwischen Venedig und Rom, wohin er schließlich überstellt wurde. Volker Reinhardt hat erstmals neu aufgefundene Dokumente zu den Hintergründen des Verfahrens ausgewertet. Die Kapitel zu den Verhören lesen sich wie ein Krimi. Mit großem detektivischem Spürsinn folgt der Biograf akribisch den zahlreichen Wendungen und Volten des Falles – bis zum erschütternden Ende. Sein Fazit: Der Verlauf des Prozesses in Venedig und in Rom habe das Todesurteil nicht rechtfertigen können. Mehr noch:
Ein großes Denkmal für einen faszinierenden Unangepassten
Seinen Mut hat der von der Haft gezeichnete Giordano Bruno bis zuletzt nicht verloren. Als das Todesurteil gegen ihn verkündet wurde, schleuderte er seinen Richtern den berühmt gewordenen Satz entgegen: „Ihr verhängt das Urteil vielleicht mit größerer Furcht, als ich es annehme!“ Von dem ihm entgegengestreckten Kruzifix wendete er sich verächtlich ab.
Die Nachwelt hat dem faszinierenden Unangepassten ein Denkmal gesetzt. An der Stelle, an der Giordano Bruno verbrannt wurde, auf dem Campo de’ Fiori im Zentrum Roms, steht seit 1889 eine überlebensgroße Bronzestatue. Volker Reinhardt zeigt einen streitbaren, furchtlosen Mann, der keinerlei Tabus akzeptierte und mit schonungsloser Vehemenz für uneingeschränkte Gewissens-, Denk und Schreibfreiheit stritt. Seine Biografie macht deutlich, wie diese Freiheit zu Giordano Brunos Zeiten rigoros beschnitten wurde, aber auch wie gefährdet sie heute immer wieder ist.