Die finnisch-estnische Autorin Sofi Oksanen beschreibt in ihrem Essay „Putins Krieg gegen die Frauen“ das Ausmaß systematischer sexueller Gewalt im Krieg gegen die Ukraine. Erklärungen dafür findet sie in der russischen Geschichte. Ein eindrückliches und besonders wichtiges Buch.
Besonders die direkten Nachbarstaaten Russlands, also etwa die baltischen Länder, schauen etwas befremdet auf unsere deutschen Debatten über Für und Wider verschiedener Waffensysteme. In Estland, Litauen oder Finnland warnen Politikerinnen, aber auch Autorinnen eindringlich vor der Bedrohung, die von Russland ausgeht.
Eine dieser Stimmen gehört der finnisch-estnischen Autorin Sofi Oksanen. Eine international sehr berühmte Autorin. Sie hat einen Essay geschrieben mit dem Titel „Putins Krieg gegen die Frauen“ – und beschreibt darin das Ausmaß sexueller Gewalt, das zu diesem Krieg gehört. In der ARD-Sendung „titel thesen temperamente" sagt sie vor kurzem:
Sofi Oksanen: Russland setzt systematisch sexuelle Gewalt ein
Das klingt wirklich dramatisch, wird aber absolut nachvollziehbar, wenn man liest, was Sofi Oksanen in ihrem Buch zusammenträgt. – Hier Auszug aus ihrem Essay „Putins Krieg gegen die Frauen“:
Sexuelle Gewalt hat eine lange Tradition in Russland
Sexuelle Gewalt gehört zu den ältesten Waffen der Welt, denn sie ist billig, effizient, in ihrer Wirkung geschlechtsübergreifend, und sie erfordert weder Logistik, noch Technik, noch Modernisierung. Dennoch ist die Kultur der Straflosigkeit nicht Bestandteil einer jeden Armee, obwohl solche Kommentare zu hören waren, nachdem die Kriegsverbrechen, die Russland in der Ukraine begangen hat, allmählich ans Tageslicht kamen. Der Historiker Antony Beevor hat die Vergewaltigungen, die die Rote Armee in Deutschland begangen hat, als die größte Massenvergewaltigung unserer Geschichte bezeichnet. Später hat die Russische Föderation dieselbe Waffe auch in Tschetschenien, in Syrien, seit 2014 in den russisch besetzten Gebieten der Ukraine sowie von der unter der Leitung des militärischen Nachrichtendienstes Russlands agierenden Wagner-Gruppe in zahlreichen afrikanischen Ländern eingesetzt.
Im Jahr 2022 griffen die Wagner-Söldner in der Zentralafrikanischen Republik eine Entbindungsklinik an und vergewaltigten die Mütter, die gerade entbunden hatten. Als eine Krankenschwester versuchte, die Männer daran zu hindern, wurde auch sie vergewaltigt.
Straflosigkeit der Armee eines der zentralen Probleme
Es klingt in diesem Auszug schon an: Es sind nicht nur die Grausamkeiten, von denen Sofi Oksanen berichtet, sondern was ihren Text so interessant macht ist, dass man sehr viel erfährt über das System hinter diesen Verbrechen.
Und die Autorin geht weit in die Geschichte Russlands und seiner Anrainerstaaten, um die heutige Gewalt, das imperialistische Gebaren und den Krieg zu erklären. Schon jetzt eines der wichtigsten Bücher zum Krieg in der Ukraine in diesem Jahr.
SWR2 lesenswert Kritik Sofi Oksanen: Hundepark
Die ukrainische Kinderwunschindustrie floriert. Das zeigt Sofie Oksanen in ihrem neuen Roman "Hundepark". Darin erzählt sie von einer Frau, die an der Vermittlung von Eizellen-Spenden gut verdiente, bis sie Geschäfte mit der Donezker Mafia machte. Nebenbei schildert die Finnin Oksanen ein zerrissenes Land, das von der permanenten Bedrohung durch russisches Militär geschwächt wird.
Aus dem Finnischen von Angela Plöger
Kiepenheuer & Witsch Verlag, 474 Seiten, 23 Euro
ISBN 978-3-46200-011-5
Gedichte und ihre Geschichte „Den Krieg übersetzen" - Aktuelle Gedichte aus der Ukraine
Ukrainische Lyrikerinnen und Lyriker erleben den aktuellen Krieg in ihrem Land als radikalen Einschnitt, als lebensbedrohende Konfrontation, der nicht zu entkommen ist. Die Übersetzerin und Ukrainistik-Dozentin Claudia Dathe von der Europäischen Universität Viadrina in Frankfurt/Oder beobachtet, dass sich diese Erfahrung unmittelbar auf die poetische Sprache auswirkt. Sie hat ein Übersetzungsprojekt gestartet, das sich Texten widmet, die seit 2022 entstanden sind und den Krieg thematisieren. Am 14. März 2024 erscheint unter Claudia Dathes Herausgeberschaft der Band „Den Krieg übersetzen" in der edition.fotoTAPETA.