Die Ballade von Yoko und John
Man muss es so deutlich sagen: Yoko Ono war das Beste, was John Lennon passieren konnte. Denn Yoko Ono war 1968 eine angesehene Avantgarde-Künsterin mit revolutionären Ideen, die John Lennon mit ihren Visionen inspiriert hat.
John Lennon ließ sich dankbar auf diese neuen Horizonte ein. Yoko Ono hat John Lennon mit zeitgenössischer Kunst in Berührung gebracht und es ihm ermöglicht, sich von den Beatles zu emanzipieren.
Yoko Ono: Pionierin der feministischen Performancekunst
Schon in den 50er und 60er Jahren kannte man Yoko Ono in Avantgarde-Kreisen als visionäre und mutige Künstlerin. Sie arbeitete mit den Fluxus-Künstlern John Cage und Nam June Paik zusammen – lange bevor sie John Lennon kennenlernte.
Porträt Yoko Ono – Künstlerin, Friedensaktivistin, Feministin
In einer feministischen Performance ließ sich Yoko Ono 1964 die Kleidung vom Körper schneiden. Sie beeinflusste die feministische Kunst und gilt doch als kaum beachtete Künstlerin.
Yoko Ono war die Pionierin der Performance-Kunst. Als bahnbrechend gilt ihr feministisches Werk „Cut Piece“. Da sitzt Yoko Ono auf der Bühne, die Schneiderschere liegt neben ihr. Das Publikum ist aufgefordert, Stücke aus ihrer Kleidung zu schneiden.
Es ist eine verstörende Performance: Die Künstlerin verliert nach und nach die Kleidung, liefert sich schutzlos aus. Währenddessen macht das Publikum sich mitschuldig an ihrer öffentlichen Erniedrigung.
Yoko Ono führte „Cut Piece“ erstmals 1964 auf. Das war Jahrzehnte bevor Marina Abramovic mit ähnlichen Ideen ein Millionenpublikum erreichte.
Ono und Lennon prägen die Friedensbewegung
1966 beginnt die Liebesgeschichte zwischen der Fluxus-Avantgardistin Yoko Ono und Beatles-Megastar John Lennon: zwei Menschen von überbordender Kreativität und politischem Bewusstsein. Den medialen Hype um ihr Privatleben wussten sie geschickt zu nutzen, um mit pazifistischen Botschaften in Form von Aktionskunst die Anti-Kriegsbewegung entscheidend mitzuprägen.
Bei ihrem „Bed-in for Peace“ blieben sie mehrere Tage im Bett, um auf dem Höhepunkt des Vietnamkriegs für Frieden zu werben. Sie nahmen die Anti-Kriegs-Hymne „Give Peace a Chance“ auf und plakatierten die Metropolen der Welt mit ihrem berühmten Slogan „War is over if you want it“.
Rebellisch wie einst Brecht und Kurt Weill
Wie Bertolt Brecht und Kurt Weill der 70er Jahre hätten sie sich gefühlt, sagte Yoko Ono später über ihre Hochphase der kreativen Schaffenskraft. Gemeinsam nehmen sie mehrere avantgardistische Musikalben auf.
Der musikalische Einfluss von Yoko Ono auf John Lennon sorgt auch beim Beatles-Sound für experimentelle Impulse, zum Beispiel auf dem „White Album“.
Hatte die obskure Japanerin die Fäden in der Hand?
Die Beziehung zu John Lennon katapultiert Yoko Ono quasi über Nacht in den Fokus der medialen Weltöffentlichkeit. Als die Beatles sich 1970, vier Jahre nach ihrer ersten Begegnung, trennen, ist die Schuldige schnell zur Hand.
Yoko Ono muss es gewesen sein, die obskure Japanerin, die die Öffentlichkeit nie durchschaut hatte. Als stiller Schatten tauchte sie plötzlich an der Seite des Beatles-Superstars John Lennon auf und folgte ihm überall hin.
Für Beatles-Fans muss es ein Schock gewesen sein: Ihr hoch verehrter John Lennon kehrt der Band den Rücken, um sich von nun an dieser schrillen, atonalen Avantgarde-Musik zuzuwenden, die seine Frau ihm vermeintlich eingeimpft hatte. Mit der vertrauten Beatles-Ästhetik hatte das rein gar nichts mehr zu tun.
Was bildet sich diese Frau eigentlich ein?
Und überhaupt – wer war diese Frau, die sich anmaßte, sich an der Seite des Genies nicht auf die Rolle der Muse zu beschränken? 1970 muss es eine Provokation gewesen sein, dass Yoko Ono als eigenständige Künstlerin ihren berühmten Partner auf Augenhöhe begegnete.
John Lennon und Yoko Ono versuchten sich an dem Traum, eine völlig gleichberechtigte Partnerschaft zu führen. Dass sie zur Hochzeit beide Weiß trugen, war dafür ein Symbol.
Yoko Ono ist noch immer eine Provokation
Medial wurde Ono dafür aufs Schafott getragen. Die Boulevardpresse der 70er Jahre verspottete sie, erklärte sie zur Dämonin, die John Lennon buchstäblich verhexte, um den Jungs unten im Bandkeller den Spaß zu ruinieren.
Selbst Ex-Beatle Paul McCartney hat inzwischen deutlich gemacht, dass Ono mit der Trennung der Band nichts zu tun hatte: „Sie hat die Gruppe sicher nicht zerstört, die Gruppe hat sich selbst zerstört“, sagte er in einem Interview.
Die meistgehasste Frau der Popgeschichte
Doch Yoko Ono hat das nicht rehabilitiert. Sie ist weiterhin die meistgehasste Frau der Popgeschichte. Auch wenn die Welt rund 50 Jahre später eine andere zu sein scheint: Die Erzählung, Yoko Ono hätte mutwillig die Beatles zerstört, hält sich hartnäckig über Generationen und Kontinente hinweg.
Keine andere Figur der Popkultur erfährt so viel Spott und Verachtung wie sie. Kein Youtube-Video, kein Social Media-Post zu ihrer Person, dessen Kommentarspalte nicht geflutet ist mit frauenfeindlicher Häme und Verspottung ihrer Person und ihrer Kunst. Im Fall von Yoko Ono scheint es völlig legitim zu sein, seiner Misogynie freien Lauf zu lassen.
Hatte John Lennon keine eigene Meinung?
Die Sache ist ja die: Selbst wenn John Lennon die Beatles wegen Ono verlassen hat – wie kommt man auf die Idee, nicht etwa ihn für die Entscheidung verantwortlich zu machen, sondern sie? Als wäre Lennon kein Mensch mit eigener Handlungsfähigkeit.
Wieso erzählt man die Geschichte nicht so, wie sie offensichtlich gelaufen ist: Es kam ein Mensch in sein Leben, der hat ihn umgehauen – und umgekehrt. Die beiden haben sich künstlerisch und geistig beflügelt. Alles was war, war plötzlich nicht mehr wichtig: Eine gewöhnliche Liebesgeschichte eben.
Der Yoko-Ono-Effekt – die Frau als ewiger Sündenbock
Es ist paradox, doch glücklicherweise gibt es dafür einen Namen – nämlich ihren: Der Yoko-Ono-Effekt. Er bennent das Stereotyp der ewig Schuld tragenden Frau.
Denn Yoko Ono ist der klassische Sündenbock. Anstatt Ringo, Paul, George und John für das Scheitern ihrer Band verantwortlich zu machen, hat man Yoko Ono dafür geopfert.
Wer hatte nochmal alles vom Apfel gegessen?
Das Phänomen ist uralt. So alt wie die Sünde selbst. Angefangen bei Adam und Eva – dem Prototyp des Sündenfalls. Adam und Eva haben beide vom Apfel gegessen und sind dafür aus dem Paradies geflogen. Doch wer wird dafür verantwortlich gemacht? Natürlich sie.
Auch 2023 schlägt der Yoko-Ono-Effekt zu: Beispiel Meghan Markle. Sie ist das Opfer einer ungeheuerlichen Schmutzkampagne durch die Medien. Auch bei ihr und Prinz Harry haben wir es mit einer Liebesgeschichte zu tun, die in der Öffentlichkeit ausgeschlachtet wird.
Ist Meghan Markle die Yoko Ono von heute?
Noch mehr Parallelen: Meghan Markle machte man – wie Yoko Ono und die Beatles – von Anfang an konsequent verantwortlich für den Bruch des armen Prinzen mit seiner königlichen Familie. Sie wurde dafür dämonisiert und sexistisch und rassistisch beleidigt – wie Ono.
Solche Legenden darf man gern in Frage stellen. Bei Markle gehen wir dem medial kreierten Mythos nicht mehr so schnell auf dem Leim. Jetzt, zu Yoko Onos 90. Geburtstag am 18. Februar 2023, ist es an der Zeit, auch die Fluxus-Pionierin für das anzuerkennen, was sie ist: Eine feministische Künstlerin, Musikerin und Friedensaktivistin, die das vergangene Pop-Jahrhundert entscheidend mitgeprägt hat.