Als er nicht mehr malen durfte, dichtete er: Fritz Ascher wurde als Maler verfemt und der als Jude verfolgt. Selbst im Keller-Versteck fand er einen Weg, sich künstlerisch auszudrücken. Das Haus der Grafischen Sammlung im Freiburger Augustinermuseum widmet dem Berliner Expressionisten in Kooperation mit der Fritz Ascher Society in New York eine Ausstellung.
Augustiner Museum Freiburg ehrt jüdischen Maler
Wie wäre Fritz Aschers künstlerische Entwicklung fortgeschritten, wäre er nicht von den Nazis gestoppt worden? Dieser Gedanke erfasst den Ausstellungsbesucher spätestens beim Anblick von Aschers „Tanzenden“: Acht Nackte fassen sich hier bei den Händen und tanzen im Kreis Die ausdrucksstarke Tusche-Zeichnung entstand 1921, offensichtlich als Antwort auf den „Tanz“ von Henri Matisse.
„Man sieht erst eine Parallele zu Matisse, aber wenn man länger drauf schaut, sieht man deutlich einen Unterschied“, erklärt Jutta Götzmann, Leiterin des Augustiner Museums Freiburg. „Bei Matisse ist es eigentlich ein sehr heiteres Tanzmotiv. Wenn wir hier genauer hinschauen, sieht man, dass das ganz ernste Gesichter sind. Es hat etwas sehr Wildes und sehr Dionysisches.“
Große Gewalt auf den Straßen übersetzt Ascher in Kunst
Fritz Aschers großes Talent wird früh entdeckt. Bereits als 16-Jähriger studiert er bei Max Liebermann, kurz darauf bei Lovis Corinth. 1916 muss der 24-Jährige in den Ersten Weltkrieg, er kämpft aber wegen eines Herzleidens nur kurz an der Front. Nach Kriegsende befreundet er sich mit Malern der Brücke-Gruppe.
Seine Motive findet er beim Sport und im Theater. Ringende, leidende Körper interessieren ihn. Mythologische und religiöse Themen wie den Frauenraub des Theseus oder den Berg Golgatha wählt er vor allem, um starke Gefühle, verzweifelte Gesichter, zu zeigen.
Ascher sei auch auch Zeit-Chronist, sagt Jutta Götzmann: „Er erlebt in Berlin diese Straßenschlachten, diese bürgerkriegsähnliche Situation. Und wir sehen hier drastische Bilder von Revolutionären und Ordnungskräften, die auf sie einprügeln. Also die große Gewalt, die herrscht, bringt er in eine Form und künstlerische Sprache.“
Im Krieg versteckt sich Ascher im Kartoffelkeller
Über fünfzig Zeichnungen und Gouachen zeigt die Freiburger Ausstellung, alle entstanden vor 1933. Danach beginnt Aschers Verfolgungsgeschichte. Seine Werke gelten den Nazis als „entartet“, als Jude muss er sich versteckt halten, die Jahre zwischen 1942 bis 1945 verbringt er im Kartoffelkeller einer Freundin seiner Mutter.
Weil er nicht malen kann, schreibt er Gedichte. Die Freiburger Kuratorinnen ließen einen Kubus in die Mitte des Ausstellungsraumes bauen, der an Aschers Versteck, den engen Keller, erinnert und rund zehn dieser Gedichte präsentiert. Mitkuratorin Rachel Stern erzählt: „In der Situation schreibt er eben über Künstler, die er bewundert hat, über den Krieg, die Ratte, kleine Eisblumen, die er am Fenster sieht. Gleichzeitig transportiert er sich gedanklich in die Landschaft, schreibt viel über Sonnenauf- und -untergänge und über Bäume.“
Rachel Stern ist Direktorin der New Yorker Fritz Ascher Society. Diese hat sich zur Aufgabe gemacht, verfolgte jüdische Künstler der Nazi-Zeit auszustellen und ihre Geschichte bekannt zu machen. Die Exponate stammen zu einem Großteil aus New Yorker Privatsammlungen.
Nach dem Krieg kein Interesse mehr an menschlichen Figuren
Fritz Ascher überlebte den Zweiten Weltkrieg, verlor aber sein Interesse an seinem Hauptthema, der menschlichen Figur. Und er verliert den Anschluss an die künstlerische Avantgarde. Er malt weiter, will aber nicht mehr ausstellen.
„Die Figur, der Mensch, spielt in seinem Werk nahezu keine Rolle mehr. Es gibt nur ganz wenige Ausnahmen aus seinem engsten Umfeld, wo er noch mal einen Menschen bildlich wiedergibt“, sagt Museumsleiterin Götzmann. „Ansonsten ist sein Vertrauen in die Menschheit soweit verloren, dass er sich, sehr stark zurückgezogen, im Grunewald Landschaftsthemen widmet.“
Mehr aktuelle Ausstellungen
Ausstellung Viel mehr als eine Ausstellung: „Grafik für die Diktatur“ im Stuttgarter Kunstmuseum
Mit der neuen Ausstellung „Grafik für die Diktatur“ legt die Provenienzforschung im Kunstmuseum die Hintergründe seiner Entstehungsgeschichte offen.
Kunst Max Oppenheimer: Weintraub’s Syncopators, 1927 im Jüdischen Museum Berlin
Eine „faire und gerechte Lösung“ sieht die sogenannte Washingtoner Erklärung bei verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern vor.
Das Jüdische Museum Berlin konnte eine solche Lösung erzielen, um ein Bild des Malers Max Oppenheimer zu erwerben. Es entstand 1927 und zeigt die Jazzband „Weintraub’s Syncopators“.
Lange war seine Provenienz unklar, jetzt kann es in die Museumssammlung aufgenommen werden.