Ausstellung

Bissige Plakatkunst – Klaus Staeck in der Stuttgarter Staatsgalerie

Stand
Autor/in
Silke Arning
Moderatorin Silke Arning

Mit scharfem Blick und noch schärferen Worten nimmt der Heidelberger Grafiker und Aktivist Klaus Staeck das politische Weltgeschehen aufs Korn. Mit seinen Plakaten und Postkarten mischt er sich in aktuelle Themen wie Krieg, Flucht, Migration, Umweltschutz und Artensterben ein. Die Stuttgarter Staatsgalerie, die über eine umfangreiche Plakatsammlung verfügt, zeigt eine Auswahl Staeck-Plakate von den 1970ern bis 1990ern – auch um die Aktualität dieser Werke zu demonstrieren.

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Kunst-Klassiker ironisch kommentiert

Albrecht Dürer, Édouard Manet, Caspar David Friedrich, Carl Spitzweg, Eugène Delacroix: Man könnte sich in einer Sammlung Großer Meister wähnen, wären da nicht diese sehr pointierten, ironischen Anmerkungen, mit denen Klaus Staeck seine Plakate gespickt hat. Da Vincis „Mona Lisa“ lächelt vom Rollstuhl aus. Darüber der Kommentar: „Niemand ist vollkommen“.

Spitzwegs „Armer Poet“ sinniert unter der fett gedruckten Überschrift: „Nur die Armut gebiert Großes“. Unterschrift: „Autoren fordern Tarifverträge.“ 

Mona Lisa im Rollstuhl: Plakat von Klaus Staeck aus der Ausstellung "Vorsicht Kunst! Das politische Plakat von Klaus Staeck in der Staatsgalerie Stuttgart"
„Niemand ist vollkommen“: Klaus Staecks Version der Mona Lisa sitzt im Rollstuhl.

Nahbare Kunst

Diese Klassiker der Kunstgeschichte, die vom Heidelberger Grafiker und Aktivist Klaus Staeck bearbeitet wurden, habe sie ganz bewusst für diese Ausstellung zusammengestellt, sagt Karin Eisenkrein, wissenschaftliche Volontärin an der Stuttgarter Staatsgalerie.

„Es geht eigentlich darum zu zeigen, dass Kunst, wenn sie im Museum hängt, und gerade wenn sie unter Glas ist, wenn sie in einer Vitrine liegt, auf den ersten Blick etwas unnahbar scheint“, so Eisenkrein. „Und er versucht eben dadurch, dass er sie auf Plakate druckt – und Plakate sind für die Öffentlichkeit bestimmt, für den öffentlichen Raum, für den Außenbereich – diese in die Gesellschaft zurückholt und sie zum Teil des politischen Diskurses macht.“             

Vorsicht Kunst! Das politische Plakat von Klaus Staeck in der Staatsgalerie Stuttgart
Kleine Sticker weisen den Weg in die Gegenwart: Die Apokalyptischen Reiter nach Albrecht Dürer von Plakatkünstler Klaus Staeck.

Es ist faszinierend, mit wie wenig Mitteln der Plakatkünstler Staeck maximale Wirkung erzeugt. Dürers „Apokalyptische Reiter“, eine schwarz-weiße Grafik, bekommen lediglich vier dicke rote Aufkleber verpasst: „Amazon, Facebook, Google und Apple“.  

Sehr subtil auch die Eingriffe bei der kleinen Gesellschaft von Manets „Frühstück im Grünen“: im Hintergrund parkt der Mercedes, Kühltasche und Cola-Dosen sind auch dabei. Geradezu harmonisch integrieren sie sich in das Picknickvergnügen.

„Störer der bequemen Verhältnisse“

Mit seiner Arbeit in die Öffentlichkeit zu kommen, ist für den „Störer der bequemen Verhältnisse“, wie sich Klaus Staeck selbst betitelt, durchaus eine Herausforderung.

Bereits 1971: Weil seine signierten und nummerierten Siebdrucke sowie Holzschnitte mit 25,30 DM den kleineren Galerien zu teuer sind, lässt er anlässlich der großen Dürer-Ausstellung 1971 in Nürnberg einen Versuchsballon platzen. Sein Motiv: Dürers Mutter – versehen mit der Unterschrift „Würden Sie dieser Frau ein Zimmer vermieten?“ 

„Er hat von seinem Partner, dem Drucker und Verleger Gerhard Steidl, 330 Plakate dieses Motivs drucken lassen, die sie dann im Rahmen der Plakat-Aktion anonym an Litfaßsäulen angebracht haben. Von dieser Aktion wusste niemand und die Resonanz war natürlich groß. Die Aktion sorgte für sehr viel Aufmerksamkeit. Ein glücklicher Zufall war, dass zur selben Zeit der Haus- und Grundbesitzerverein in Nürnberg tagte, die öffentliche Wirkung dadurch verstärkt wurde. Und seitdem ist er eben beim Plakat geblieben“, sagt Karin Eisenkrein.

Vorsicht Kunst! Das politische Plakat von Klaus Staeck in der Staatsgalerie Stuttgart
Klaus Staeck, Neue Ernte, 1986, Staatsgalerie Stuttgart, Graphische Sammlung (erworben 1987: Land Baden-Württemberg).

Plakat als Werkzeug im gesellschaftspolitischen Diskurs

Der Jurist und Aktivist Klaus Staeck, der aus der DDR 1956 nach Heidelberg gezogen ist, entdeckt das Plakat als Werkzeug, um sich zunehmend in gesellschaftspolitische Diskussionen einzubringen.

Und seine Kommentare sind ätzend: Vor dem Hintergrund einer vermüllten und mit Abgaswolken geschwärzten Landschaft posiert ein Hochzeitspaar. Überschrift. „Bis dass der Erstickungstod uns scheidet“. Mit diesem Plakat geht Staeck ganz direkt auf Konfrontation mit der Politik, in diesem Fall mit dem hessischen Umweltministerium.

Staeck-Plakate lösen „Bonner Bildersturm“ aus

1976 kommt es zu einem Vorfall, der als „Bonner Bildersturm“ in die Geschichte eingegangen ist, sagt Karin Eisenkrein von der Stuttgarter Staatsgalerie: „Wo eben Abgeordnete Staeck-Plakate, die in der Parlamentarischen Gesellschaft in Bonn ausgestellt waren, von den Wänden rissen und zerrissen. Als Reaktion darauf schuf er das Plakat ,Auf Eigentum kommt es hier nicht an‘, was eben eine Fotografie dieses Vorfalls und der am Boden liegenden zerrissenen Plakate zur Grundlage hat. Also das waren eben Parteien, die sich aufgrund der drastischen Motive angegriffen gefühlt haben.“

Vorsicht Kunst! Das politische Plakat von Klaus Staeck in der Staatsgalerie Stuttgart
„In jedem Urlaub werden Millionen Deutsche zu Ausländern“ textet Klaus Staeck zur perfekten Urlaubsidylle. Mit Plakaten wie diesem will der Künstler aufrütteln und Diskurse mitgestalten.

Umweltverschmutzung und Artensterben, Aufrüstung, Krieg und Flucht: Die Ausstellung „Vorsicht Kunst! Das politische Plakat von Klaus Staeck“ im Grafik-Kabinett führt auf unspektakuläre Weise vor, dass sich die Themen seit 50 Jahren eigentlich nicht verändert haben.

Das ist einfach nur sehr ernüchternd, zuweilen auch beschämend. So zeigt ein Plakat eine Szene aus dem Traumurlaub: ein junges Pärchen beim Sonnenbaden, weißer Sandstrand, grüne Palmen und herrlich blauer Himmel. Die perfekte Idylle. Darunter der trockene Kommentar von Klaus Staeck. „In jedem Urlaub werden Millionen Deutsche zu Ausländern.“

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