Jahrtausende alte Faszination
Die Faszination der Menschen für die Bienen, die in Völkern wie in Organismen zusammenleben, ist seit tausenden Jahren ungebrochen. Schon prähistorische Menschen hielten in Höhlenmalereien in den Cuevas de la Araña – den Spinnenhöhlen – in der spanischen Provinz Valencia im Osten des Landes Szenen mit Bienen fest.
Die archäologischen Schätzungen, wann die Malereien entstanden sind, schwanken zwischen 10.000 und 6.000 vor Christus. In der bekanntesten Zeichnung ist eine Person zu erkennen, die auf einen Baum klettert, um einem Bienenvolk den Honig zu stehlen. Schon damals spielen Bienen also eine Rolle im Alltag der Menschen.
Höhlenmenschen als Imker
Auch andere Höhlenmalereien lassen Rückschluss darauf zu, dass es damals schon erste Imker gab. In den Zeichnungen werden Praktiken wie das Verjagen von Bienen mit Rauch, um den Honig zu sammeln, festgehalten.
Komplexe Strukturen in den Bienenvölkern
Offenbar war den Menschen damals die Lebensweise der Bienen ein Rätsel, der Bienenstaat ein viel zu komplexes Konstrukt. Den Insekten haftete darum etwas Mystisches und Erhabenes an.
Das hat nicht nur mit dem „flüssigen Gold“ zu tun, das sie produzieren – dem Honig, der schon in der griechischen Mythologie einen wichtigen Platz einnimmt und schon damals von Ärzten bei Fieber und eiternden Wunden verschrieben wurde. Und als eine Art Dopingmittel bei den Olympischen Spielen: Hier sollten die Athleten durch den Honig schnell wieder zu Kräften kommen.
Die Biene als Lebensspenderin
Göttervater Zeus soll von seiner Mutter auf der Insel Kreta als Säugling vor seinem kinderfressenden Vater versteckt worden sein. Dort wurde er von Milch und Honig ernährt.
Aber auch in der ägyptischen Mythologie galt die Biene als Lebensspenderin und stand für Geburt, Tod und Auferstehung. Die Seelen Verstorbener sollten in Bienen übergehen und mit ihnen davonfliegen. Sie nennen den Honig „Speise der Götter“ – wir heute bezeichnen ihn immerhin noch als „Superfood“. Nicht ohne Grund war ein Zeichen der Hieroglyphen das Bild einer Biene.
Die Biene steht für Fleiß
Im Mittelalter spielt die Biene auch eine wichtige Rolle: Sie wird als Symbol des Fleißes entdeckt und taucht in allegorischen und wissenschaftlichen Darstellungen auf. Beispielsweise in den Bestarien.
Ein Bestarium war eine mittelalterliche Tierdichtung, die auf moralisierende Weise tatsächliche oder vermutete Eigenschaften von Tieren oder Fabelwesen allegorisch mit der christlichen Heilslehre verbindet. Beispielsweise das Bestiarium von Aberdeen: eine Bilderhandschrift, die vermutlich Ende des 12. Jahrhunderts in England entstanden ist.
Die Illustrationen sind sehr aufwendig und reichlich mit Blattgold überzogen. Das Bestiarium beginnt mit einem Schöpfungszyklus: Die Beschreibung der Tiere wird durch ein Portrait oder eine erzählende Illustration ausgestaltet. Die Biene taucht bei den Vögeln auf.
Bienen werden im Mittelalter – dem „dunklen Zeitalter“ – aus unterschiedlichen Perspektiven neu entdeckt. Nicht nur als Beispiel für Fleiß. Wobei sie dafür wirklich das ideale Symbol sind: Bienen schlafen täglich höchstens dreißig Minuten und arbeitet in unterschiedlicher Form ihr ganzes Leben lang.
In wissenschaftlichen Abhandlungen wurden Imker und ihre Bienen bei der Arbeit dargestellt. Interessant waren damals auch die medizinischen Eigenschaften des Honigs.
Amor als Honigdieb
In der Renaissance ist die Biene auch wieder zentrales Motiv unterschiedlicher Darstellungen. Berühmte Maler wie Lucas Cranach der Ältere oder Albrecht Dürer greifen das Sujet von Amor oder Cupido als Honigdieb auf.
Cranach zeigt links unten den nackten Amor, der aus dem hohlen Stamm eines Apfelbaums eine Honigwabe genommen hat, dabei aber von den ihn umschwärmenden Bienen gestochen wurde. Darüber beklagt er sich bei seiner ebenfalls nackten Mutter Venus rechts neben ihm. Das Motiv von Venus mit Amor als Honigdieb ist in mindestens 30 Varianten von Cranach bekannt.
Die dargestellte Szene wird auf ein Gedicht Theokritos (um 270 vor Christus) zurückgeführt. Hier stibitzt Amor den Bienen ihren Honig und wird von ihnen angegriffen. Er beschwert sich bei seiner Mutter, wie so kleine Wesen so große Schmerzen zufügen können. Die Mutter ermahnt ihn aber, dass auch er als kleiner Knabe mit seinen Pfeilen den Menschen große Schmerzen zufügen könne.
Bruegel: Das Motiv des Imkers
Gegen Schmerzen müssen wir uns schützen. Schon um 1568 zeigt der niederländische Künstler Pieter Brueghel der Ältere in „Der Bienenzüchter“ Imker in ihrer damaligen Schutzkleidung zusammen mit den Bienenkörben. Eine der ersten Darstellungen dieser Art.
Über den Gestalten in Schutzanzügen sitzt offenbar ein Junge im Baum. Sein Kopf ist vom Betrachter abgewandt, er scheint in Richtung einer der Bienenstöcke zu blicken, der etwas abseits steht. Vielleicht plant er, den Honig zu stibitzen. Was der Junge vor hat, bleibt aber offen. Was allerdings auf den ersten Blick im Bild fehlt: die Bienen, für die hier alle so einen Aufwand veranstalten.
Berninis Bienenbrunnen in Rom
Auf einer Reise nach Rom kann jeder auf Bienensuche gehen – auch im Winter. Und man muss dazu nicht mal ins Museum.
Papst Urban VIII. hatte drei Bienen in seinem Wappen und ließ sie plastisch an jedem der zahlreichen Prunkbauten in Rom anbringen, die er in Auftrag gab.
Ein berühmtes Beispiel: Der Bienenbrunnen von Gian Lorenzo Bernini von 1644. Der Brunnen war ursprünglich in die Fassade des Palazzo Soderini integriert. Am Balkon an der Ecke zur heutigen Via Sistina, unter dem er einst stand, sind, passend dazu, ebenfalls Bienen am Geländer zu entdecken.
In zahlreichen Familien- und Städtewappen sind Bienen oder der Bienenkorb dargestellt. Eine besondere Bedeutung hatte die Biene für Napoleon.
Napoleon und die Biene
Als sich Napoleon 1804 selbst zum Kaiser krönte, mussten neue Königssymbole her. Die Lilien standen als Wappensymbol für die vorrevolutionäre französische Monarchie – jetzt erinnerten sie an die Könige aus dem Adelsgeschlecht der Bourbonen.
Napoleon entschied sich für die Biene als neues Wappentier: als Symbol für Wiedergeburt und Unsterblichkeit. Auf sämtlichen Mänteln und Schleppen von Napoleon und seinen Würdenträgern taucht jetzt die Biene auf. Damit natürlich auch auf Portraits des neuen Kaisers.
Neue künstlerische Kontexte im 20. Jahrhundert
In ganz anderen künstlerischen Kontexten taucht die Biene im 20. Jahrhundert auf. Ein prominentes Beispiel: „Traum, verursacht durch den Flug einer Biene um einen Granatapfel, eine Sekunde vor dem Aufwachen“ von Salvador Dalí.
Obwohl die Biene auf dem ohnehin schon kleinen Gemälde fast unterzugehen droht, spielt sie doch eine entscheidende Rolle. Zu sehen ist eine schlafende Frau, wohl Dalís Ehefrau und Muse Gala. Sie schwebt über einem Felsen in einer ruhigen Meereslandschaft. Neben ihrem nackten Körper befinden sich zwei Wassertropfen, ein Granatapfel und eine Biene in der Luft.
Galas Traum, ausgelöst durch das Summen der Biene, ist im oberen Teil der Leinwand dargestellt. Aus einem explodierenden Granatapfel schießt ein Fisch hervor, aus dessen Maul zwei wilde Tiger mit einem Bajonett springen. Freud kehrt mit dem Bild zu einer „paranoisch-kritischen Methode“ zurück, mit deren Hilfe man sich sozusagen in einen Wahnzustand hineinsteigerte, um daraus neue Bildmotive ziehen zu können.
Biene als Traumauslöser
Die Methode, die Dalí entwickelte, wurde zum wichtigen Werkzeug der Surrealisten. Dabei bezieht er sich auf Sigmund Freunds Theorien zur Traumdeutung und Psychoanalyse. Dieses Werk kann als eine Art Versuch gedeutet werden, die Schritte der Traumlogik bildhaft nachzuvollziehen.
Für Salvador Dalí waren unterschiedliche Formen des Unbewussten – Traum, Wahn und Delirium – eine nie endende Fundgrube für sein Bildrepertoire. Zu sehen ist aber nicht nur der Traum, sondern auch dessen Auslöser: die summende Biene im unteren Bildfeld.
Auch wenn das Bild unzählige Deutungsmöglichkeiten hat: Der gelb-schwarze Pelz der Biene findet sich im Fell der Tiger wieder und der Insektenstachel könnte sich im Traum in ein gefährliches Bajonett verwandelt haben.
Beuys und die Bienen
Einen anderen Provokateur und Künstler begleiten Bienen schon seit den Anfängen seiner Karriere: Joseph Beuys. 1964 ist Beuys das erste Mal auf der documenta in Kassel vertreten. Unter anderem mit drei seltsam geformten Objekten: drei Wachsplastiken, ausgelegt auf Holzbrettern. Dazu Besteck, als könnte man sie essen.
Der Titel: „Bienenkönig I, II, II“. Die Exponate waren schon 1952 entstanden. Er war damals noch fast unbekannt – aber schon damals deutete sich Beuys individueller Kunstbegriff an. Zum Beispiel mit der Art der Beschäftigung mit der Idee des „Bienenstaates“, in der Beuys in der Produktion von Wachs und Honig eine Art Metapher für menschliche Arbeit las.
Auch die soziale Organisation der Bienen versteht Beuys als vergleichbar mit Individuum und Kollektiv bei den Menschen. Überlegungen und Materialien also, die auch in der weiteren Arbeit und Entwicklung des Künstlers eine Rolle spielen sollten.
Honigpumpe am Arbeitsplatz
Als Beuys schon international berühmt war, zeigte er auf der documenta 1977 die Installation „Honigpumpe am Arbeitsplatz“. Über mehrere Räume wurden hier durch ein umlaufendes Schlauchsystem 150 Kilogramm Honig gepumpt.
Neben der Honigpumpe bewegte sich eine Kupferwelle in 100 Kilogramm Margarine. Zu der Installation gehörte, dass Beuys anwesend war und mit den Besuchenden diskutierte.
Der Kunsthistoriker Tilman Osterwold war der Ansicht, die Bienen verkörpern bei Beuys einen zentralen Komplex, wenn es darum geht, gestalterische Potentiale auszuloten: Arbeit (Aufwand), Prozess (Zeit), Energie (Licht), Individuation (Arbeiterin, Königin), Sozialisation (Bienenvolk, Bienenstock) und Produkt (Waben, Honig).
Die „hierarchischen“ Strukturen der Bienen, so Osterwold, dienen dem gemeinschaftlichen Ziel, das Zusammenleben zu organisieren und zu erhalten. In diesem Zusammenhalt erscheinen die hierarchischen Positionen wieder aufgelöst, so der Kunsthistoriker.
Jeanette Zippel: Kunst mit und über Bienen
Eine Künstlerin, die sich sozusagen gänzlich mit ihren Arbeiten den Bienen verschrieben hat, ist die Heidenheimer Imkerin und Künstlerin Jeanette Zippel. Mit und über Bienen arbeitet sie. Dabei entstehen Zeichnungen, Druck aber auch große Installationen, bei denen die Bienen sozusagen mitwirken.
Ihre künstlerischen Untersuchungen fußen auf naturwissenschaftlichen Erkenntnissen und ihren eigenen Erfahrungen als Imkerin. Große, wohlduftende Installationen aus Wachs zum Beispiel bilden grundlegende Bauprinzipien der Natur ab. Auf Tuschezeichnungen fängt die Künstlerin unterschiedliche Momente des Bienenfluges ein.
Mit ihren sogenannten Bienengärten mit belebten Skulpturen, von denen auch mehrere in der Region Stuttgart stehen, schlägt die Künstlerin eine Brücke zwischen Kunst und Natur.
Die äußere Form der Plastiken erinnert an Bienenstöcke. Gefertigt sind sie aus Naturmaterialien wie Holz, Stroh, Weiden oder Klinkersteinen. Und tatsächlich sind in die Skulpturen auch mehrere Völker Honig- und Wildbienen eingezogen. Die belebten Skulpturen sollen zu mehr Respekt vor der Natur mahnen.
Die Biene: Ein inspirierendes Insekt
Die Biene inspirierte und fasziniert Kunstschaffende über die Jahrhunderte auf ganz unterschiedliche Weise. Deutlich wird durch die künstlerische Auseinandersetzung, wie eng das Leben der Biene an die menschliche Existenz geknüpft ist.
Und: Auch die Biene scheint einen Sinn für Kunst zu haben. Nach Erkenntnissen von Forschenden kann die Honigbiene zum Beispiel nicht nur bis vier zählen, sondern auch die Malstile von Pablo Picasso und Claude Monet auseinanderhalten.