Der Römertopf – ein Klassiker unter dem Tongeschirr
Zu jedem Topf gibt es einen Deckel. Manchmal – wie beim sogenannten „Römertopf“ – ist beides aus Keramik. Der Römertopf wurde tatsächlich von den alten Römern erfunden und dient noch heute der Zubereitung von knackigem Gemüse oder zartem Fleisch.
Hergestellt wurde der klassische Römertopf über ein halbes Jahrhundert im Westerwald in Rheinland-Pfalz. Bis vor kurzem ein Investor das Unternehmen übernahm und die Produktion ins Ausland verlegte.
SWR2 Tandem Adieu Römertopf: Ralf Frenzel über Küchenmoden im Wandel der Zeit
Nach mehr als 50 Jahren endet die Produktion des Römertopfs im Westerwald. Aus diesem Anlass sprechen wir mit dem Kochbuchverleger und Kulinarik-Experten Ralf Frenzel über Küchenhelfer von gestern und morgen.
Ein Raunen ging durch die Reihen der vielen Anhänger des beliebten Bräters. Doch der Westerwald ist auch ohne den Römertopf immer noch führend in der Keramikproduktion.
Moderne Kunst aus Ton Mehr als Töpfern: Keramik als Kunst-Hype
Egal ob Töpferkurse oder Keramik bemalen: Ton ist im Trend. Und das längst nicht nur als Hobby, sondern auch in der Kunst. Was ist so faszinierend am grauen, matschigen Material?
Führend in Europa: Keramische Ausbildung und Forschung im Westerwald
Am Campus in Höhr-Grenzhausen dreht sich alles um Glas und Keramik. Zum einen gibt es das Institut für Künstlerische Keramik und Glas. Hier können kreative Köpfe Freie Kunst, Keramik und Glas studieren.
Eine Wegbereiterin dieses Instituts ist die Glaskünstlerin Prof. Ingrid Conrad-Lindig, sie hat das Institut bis zu ihrer Emeritierung viele Jahre geleitet. Mittlerweile lebt sie in einer Hofreite im rheinhessischen Ingelheim am Rhein. Sie ist eine von wenigen Frauen, die sich in der körperlich anstrengenden Glaskunst durchgesetzt hat.
Künstlerische Keramik ist ein Teilgebiet der Kunst und der Bildhauerei. Ingrid Conrad-Lindig hat als eine der ersten Frauen überhaupt einen Studio-Glasofen betrieben. Sie lässt sich hochwertige Glasscherben anliefern und verarbeitet diese zu Kunstwerken.
Was fasziniert Ingrid Conrad-Lindig seit Jahrzehnten an der Arbeit mit der Glaskeramik? „Einmal die Klarheit, dann die Hitze, das Feuer und die Schnelligkeit. Das ist typisch für meinen Charakter. Ich bin sehr schnell und ich will schnell Erfolg haben und ein Ergebnis sehen“, sagt sie.
„Der Westerwald ist das keramische Zentrum Deutschlands“
Neben der Künstlerischen Keramik und Glaskeramik kann man in Höhr-Grenzhausen in der Fachrichtung Werkstofftechnik Glas und Keramik einen bundesweit einzigartigen High-Tech-Studiengang absolvieren.
„Der Westerwald ist tatsächlich das keramische Zentrum Deutschlands und weit darüber hinaus. In Höhr-Grenzhausen im Westerwald ist eine Dichte an Ausbildung- und Forschungseinrichtungen die weltweit ihresgleichen sucht. Vergleichbare Standorte gibt es in Europa lediglich in Spanien (Castellion) und Frankreich (Limoges), weltweit in China (Jingdezhen) und USA (Clemson)“, sagt Prof. Dr.-Ing. Christian Schaeffer von der Hochschule.
Ob im Frontzahn oder in der Küchenfliese – Keramik ist überall
Es gibt kaum einen vielfältigeren Werkstoff als Keramik. Wenn man genauer hinschaut, kommt man an der Keramik eigentlich gar nicht vorbei. Hauptsächlich besteht Keramik aus Ton. Das heißt von der Toilette bis zum Topf, vom Frontzahn bis zur Fliese, vom Geschirr zum Gelenk: Überall findet der Werkstoff Keramik seine Verwendung.
Auch die Auskleidung von Hochöfen mit feuerfesten Werkstoffen gehöre dazu, so Christian Schaeffer. Industriell werden außerdem funktionskeramische Werkstoffe wie Magnete für sogenannte Magnetresonanztomographen verarbeitet. Und auch die Automobilindustrie verwendet Kugellager aus Keramik.
Wer also mit Keramik zu tun haben möchte, muss nicht unbedingt töpfern.
Immaterielles Kulturerbe: Die Töpfertradition im Westerwald
Keramik gilt als leistungsfähigster Werkstoff unserer Zeit, sagt Christian Schaeffer und Höhr-Grenzhausen als das größte Ausbildungs- und Forschungszentrum für Keramik in Europa: „Grundsätzlich muss aber unterschieden werden zwischen ,Ingenieurkeramik‘, Handwerk und künstlerischer Keramik. Handwerkskunst bedeutet dabei handwerklich anspruchsvolle Gegenstände zu produzieren. Speziell im Westerwald gibt es traditionell die deutschlandweit einzigartige Töpferkultur. Dazu gehören zum Beispiel ,Bierkrüge oder Weinbembel‘“, erläutert Christian Schaeffer.
Breites Spektrum: Jugendstilsammlung, DIY-Szene und Social Media
Solche keramischen Zeitzeugen der Töpferkultur finden sich im Keramikmuseum Westerwald in Höhr-Grenzhausen. Das beherbergt sowohl historische als auch zeitgenössische Keramik. Gerade ist das Museum mit einer wertvollen Keramiksammlung aus dem Jugendstil von Dr. Beate Dry von Zezschwitz bedacht worden.
„Die Sammlung umfasst seltene Objekte sämtlicher berühmter Designer, wie Henry van de Velde, Peter Behrens, Albin Müller, Paul Wynand oder Richard Riemerschmid. Auch Einzelstücke aus der Fachschule, Kleinplastiken des Barlach-Schülers Hans Wewerka sind hier als herausragende Beispiele zu erwähnen. Das Einzigartige der Sammlung ist jedoch ihre Vollständigkeit: Von jeder während dieser Epoche aktiven Werkstatt und Firma sind Objekte vorhanden“, sagt die Leiterin des Keramikmuseums, Nele van Wieringen.
Wer mit Keramik zu tun haben möchte, muss nicht unbedingt töpfern
Seit Anfang des 21. Jahrhunderts sei eine wachsende Aufmerksamkeit für das künstlerische Material Ton und Glas(ur) spürbar, da im digitalen Zeitalter eine Sehnsucht nach Sinnlichkeit und Materialität entstehe, so van Wieringen. Sie legt großen Wert darauf, auch junge Menschen für das Keramikmuseum zu interessieren. Dazu pflegt sie Kooperationen.
„Jedes Jahr stellen die Absolvent*innen der Fachschule und Hochschule bei uns ihre Werke aus und zeigen so, welche Botschaften das Material für sie verkörpern kann. Das Material Keramik spricht auch die DIY-Szene an. Das Gesamtangebot in Höhr-Grenzhausen mit Werkstätten, Szene Café, Workshops und Museum ist daher gerade für junge Leute sehr interessant. Unsere hauseigene Museumspädagogik führt im Besonderen Kinder an den Werkstoff Ton heran.“
Da mittlerweile viele Künstler*innen in den sozialen Medien unterwegs sind, ist die Keramik auch für die Social-Media-Generation interessant. Hier gibt es eine große Vernetzung, weiß Nele van Wieringen. So hat die Keramikszene in Höhr-Grenzhausen eine eigene Website und der Museumsaccount selbst 4.000 Follower.
Kunst ist ihr Lebenselixier: Die Deidesheimer Keramikerin Lotte Reimers
Man kann über Keramik in Rheinland-Pfalz nicht sprechen, ohne Lotte Reimers zu erwähnen. Sie gehört zu Deutschlands besten Keramikerinnen.
Die 91-jährige Künstlerin lebt und arbeitet seit Anfang der 1960er-Jahre in der pfälzischen Kleinstadt Deidesheim. Die Pfalz war immer eine Fundgrube für ihr Material: Kalkstein, Ton und Malachitgestein aus einer Höhle am Donnersberg.
Lotte Reimers liebt die Natur und erdige Töne in ihrer Keramik und ist in zahlreichen öffentlichen Kunstsammlungen vertreten. Ihre Glasuren für ihre Keramik bestehen aus Pflanzenasche und Gestein. Sie bewahrt sie in Honiggläsern auf. In einem Interview mit dem Südwestrundfunk verriet sie anlässlich ihres 85. Geburtstags 2017 das Geheimnis ihrer Glasuren.
In der Keramik, die in Rheinland-Pfalz eine ganz besondere Rolle spielt, findet Lotte Reimers alles. In Rente zu gehen, davon hielt sie jedenfalls mit 85 Jahren noch wenig: „Och was soll ich in Ruhe, da tun mir die Knochen noch mehr weh. Wenn ich arbeite, werde ich abgelenkt. Von daher ist die Kunst mein Lebenselixier. Und wenn ich nur noch Miniaturen machen, aber ich mache was“, sagte sie damals.