Die Jüdin Stella Goldschlag spürte ab 1943 als sogenannte Greiferin hunderte untergetauchter Juden und Jüdinnen auf und lieferte sie der Gestapo aus. In „Stella. Ein Leben“ erzählt Regisseur Kilian Riedhof („Meinen Hass bekommt ihr nicht“) ihre Geschichte. Ein heikles Unterfangen, das nicht wirklich gelingt.
Stella erkennt die tödliche Gefahr zu spät
Stella Goldschlag sprüht vor Lebensenergie: Die auffallend schöne junge Frau ist der strahlende Mittelpunkt einer Swingband im Berlin der 40er-Jahre. Blond und blauäugig wie sie ist, käme niemand auf die Idee, dass Stella Jüdin ist. Vermutlich deshalb verkennt die 18-Jährige die tödliche Gefahr, in der sie selbst sich genauso befindet wie ihre Freunde und ihre Eltern. Verzweifelt versucht ihr Vater, Visa für die USA zu bekommen.
Nervenkitzel im Untergrund
Statt in die USA geht es für die Familie zur Zwangsarbeit in eine Waffenfabrik. Als Stella den jüdischen Passfälscher Rolf kennenlernt, taucht sie mit ihm ab. Trotz der ständigen Gefahr, die das Leben im Untergrund mit sich bringt, genießt Stella ihre Freiheit, den Nervenkitzel und das Gefühl, dem NS-Staat immer wieder ein Schnippchen zu schlagen. Regisseur und Co-Drehbuchautor Kilian Riedhof schildert Stellas Leben bis zu ihrer endgültigen Verhaftung 1943 sehr ausführlich. Vermutlich, um Verständnis aufzubauen für die monströse Entscheidung, die Stella treffen muss.
Die historische Stella Goldschlag verriet mehrere hundert Menschen
Um diese genauer zu erkunden, fehlt dann im zweiten Teil allerdings die Zeit oder der Wille. Damit sie und ihre Eltern nicht ins KZ müssen, stellt sich Stella in den Dienst der Gestapo. Als sogenannte Greiferin spürt sie untergetauchte Juden und Jüdinnen auf. Mehrere hundert Menschen hat die historische Stella Goldschlag auf diese Weise der Ermordung preisgegeben. Paula Beer spielt sie mit einer stählernen Härte, die nur wenig Raum für Zweifel, Reue oder Mitleid lässt. Selbst ihren Freunden gegenüber.
Heikles Thema: Juden und Jüdinnen als Täter
Geschichten von Juden und Jüdinnen, die selbst zu Tätern wurden, sind ein extrem heikles Thema. Gerade für einen deutschen Regisseur ist die Gefahr groß, dass das Ganze zu einer Entlastungserzählung verkommt. In der Gerichtsszene am Ende zeigt sich die moralische Unmöglichkeit einer Situation, in der Deutsche über eine Jüdin richten, die, um der Opferrolle zu entkommen, zur Täterin wird.
Kilian Riedhof ist sich dieser Gratwanderung bewusst und riskiert entsprechend wenig Ambivalenz. So deutet er die spätere Entwicklung Stella Goldschlags, die zum Christentum konvertierte und zur Antisemitin wurde, auch nur sehr dezent an.
Der Abspann buchstabiert die Botschaft des Films
Im Abspann buchstabiert er zur Sicherheit noch einmal die Botschaft seines Films aus: dass Stella Goldschlag Opfer und Täterin zugleich war. Einer tieferen Auseinandersetzung mit ihr und ihren Motiven geht der Film aber aus dem Weg.
Die Frage, warum die Nationalsozialsten eigentlich ihre Opfer – zum Beispiel als KZ-Kapos oder eben als Fahnderinnen – zu Mittätern machten, bleibt ebenso unbeantwortet wie die Frage, warum es für Deutsche offenbar immer wieder ein Bedürfnis ist, von jüdischer Schuld zu erzählen.
Trailer „Stella. Ein Leben“, ab 25.1. im Kino
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