Der US-Journalist Simon Shuster vom „Time“-Magazin hat ein Buch über den ukrainischen Präsidenten geschrieben: „Vor den Augen der Welt. Wolodymyr Selenskyj und der Krieg in der Ukraine“. Für Journalist und Osteuropaexperte Thomas Franke ist sein Buch „wirklich das beste und durchdachteste“, das in den letzten Jahren zu Selenskyj erschienen ist.
Beobachtungen aus nächster Nähe
Die größte Stärke des Buchs, so Franke, sei die Nähe des Autors zum ukrainischen Präsidenten: „Er hat daneben gestanden, und das merkt man dem Buch auch an.“
Franke verweist auf verschiedene Passagen des Buchs, in denen Shuster Situationen mit Selenskyj aus nächster Nähe beschreibt: an der Front, im Bunker bei Soldaten, bei Selenskyjs Familie – aber auch beim offiziellen Besuch in den USA oder bei Bundeskanzler Scholz in Berlin. Frankes Urteil: „Das ist sehr lebendig, sehr spannend, sehr dicht dran, sehr gut geschrieben.“
„Ganz gut in seinen Job hineingewachsen“
Selenskyjs Image im Westen steht ein Zerrbild durch die russische Propaganda gegenüber: Selenskyj sei ein Clown, Kopf einer Neonazi-Regierung. Selenskyj selbst geht damit laut Shusters Beobachtung ziemlich pragmatisch um: „Er bezeichnet es als das, was es ist: nämlich totaler Quatsch!“
Stattdessen sei der frühere Komiker Shusters Beschreibungen zufolge „ganz gut in seinen Job hineingewachsen“, auch dank seiner Berater – und „in diesem Buch können wir ihm quasi beim Reinwachsen zusehen“.
Keine Gefälligkeitsbiographie
Den Verdacht, Shuster habe eine Gefälligkeitsbiographie verfasst, weist Franke zurück: Selenskyj sei einfach auch „eine spannende Type“, und durch Shusters Buch komme der Leser dieser spannenden Type sehr nah.
Krieg gegen die Ukraine
Zeitgenossen Kateryna Mishchenko: „Die Ukraine gehört schon zu Europa“
Kateryna Mishchenko ist Autorin, Verlegerin und Übersetzerin. Die Ukrainerin (Jahrgang 1984) lebt mit ihrem Sohn in Berlin. Als der Krieg ausbrach, verließ sie Kiew. Das Wissenschaftskolleg zu Berlin gab ihr ein Fellowship. Mishchenko ist es wichtig, ihre Erfahrungen aufzuschreiben, denn Schreiben „ist einerseits eine Art Zeugenschaft und andererseits eine therapeutische Praxis und Selbstreflexion“. Zuletzt hat sie zusammen mit anderen einen Sammelband von Zeugen des Krieges herausgegeben. Es ist der Versuch, sich in unklaren Zeiten zu behaupten.