Das Miniatur Wunderland in Hamburg ist die größte Modelleisenbahn-Anlage der Welt. Sabine Howe taucht mit ihrer Doku „Wunderland – vom Kindheitstraum zum Welterfolg“ ein in die detailliert gestalteten Modell-Landschaften und porträtiert die Macher dieser ungewöhnlichen Sehenswürdigkeit. Ein emotionaler Film, der Lust macht, sich sofort in den Zug nach Hamburg zu setzen.
Landschaften im Kleinformat
Die Kamera fliegt über die Kanäle Venedigs, über die Lavendelfelder der Provence, durch die Schweizer Bergwelt. Nebenan sieht man, wie in Rio der Karnevalsumzug durch die Stadt zieht oder in Argentinien ein Gletscher kalbt. Im Miniatur Wunderland sind Europa und Südamerika nur eine Zugfahrt voneinander entfernt.
Bevölkert werden die detailliert gestalteten Landschaften von fast 290.000 Figürchen. Sie sind zu wimmelbildartigen Szenen arrangiert und erzählen Geschichten aus dem Alltag, aber auch aus Filmen, Mythen und Märchen. Was auffällt, ist die Liebe für die Details: mal rührend, mal lustig, mal morbid.
Ein Konzept, über das Frederick Braun, einer der beiden Erfinder des Miniatur Wunderlands anfangs erstmal nachdenken musste, als ein Mitarbeiter das erste Mordopfer in der Landschaft platzierte: „Tod. Auf ner Modelleisenbahn. In dieser Form. Ich war geschockt“, erinnert sich Braun. „Als wir entschieden haben: Das geht, das ist erlaubt, das ganze Leben darzustellen – ab dem nächsten Tag wollte jeder im Team Figuren ausschmücken. Innerhalb von 24 Stunden war ein Wettbewerb ausgebrochen, Geschichten zu erzählen.“
Hamburger Miniatur Wunderland im Kino Miniaturkunst: Was fasziniert uns so am Kleinen?
Vom Mikrokosmos der Modelleisenbahnen bis hin zu Kunstwerken im Nadelöhr: Mininaturkunst lädt uns ein, die Welt mit anderen Augen zu sehen und Alltagsdetails neu zu entdecken.
Geschichten erzählen im Modellformat
Zusammen mit den handwerklich perfekt ausgearbeiteten Modell-Landschaften ist die Lust am Geschichten erzählen das Alleinstellungsmerkmal des Hamburger Miniatur Wunderlands. Dass da auch noch 1.200 Züge auf insgesamt 16 Kilometern im Kreis sausen, ist fast Nebensache.
Die Doku „Wunderland – vom Kindheitstraum zum Welterfolg“ erkundet die Miniaturwelt in prachtvollen Cinemascope-Bildern. Zudem wirft sie einen Blick hinter die Kulissen und zeigt, wie die Macher an den Bauten arbeiten oder an der komplexen Technik tüfteln, die alles vom Autoverkehr bis zum Raketenstart in Bewegung versetzt.
Programmiert hat sie Gerrit Braun, der das Miniatur Wunderland zusammen mit seinem Zwillingsbruder Frederick vor 23 Jahren aufs Gleis setze. „Mein Gehirn ist immer aus Achse. Es verarbeitet viel zu viele Dinge gleichzeitig“, sagt Braun in der Doku. „Beim Programmieren ist das anders. Ich weiß genau, wo ich hinwill. Und es ist in dem Moment auch nur sinnvoll, genau eine Sache zu tun.“
Die Gründer des Miniatur Wunderlands erzählen emotional
Die Gebrüder Braun sind eloquente Gesprächspartner. Emotional erzählen sie von ihrer Liebe zum Modellbau, ihrer schwierigen Kindheit und von ihrer engen Verbindung zueinander.
Regisseurin Sabine Howe lässt die beiden Brüder zwischendurch immer wieder als animierte Figürchen durch die Welt des Miniatur Wunderlands spazieren. So wird auch das Publikum direkt hineinversetzt in diesen Mikrokosmos, für den jedes Haus, jedes Auto, jeder Baum individuell angefertigt wird.
Film macht Lust, sich in den Welten zu verlieren
Seit ihrer Eröffnung 2001 ist die Ausstellung auf 10.000 Quadratmeter angewachsen. 60 Modellbauer arbeiten an den verschiedenen Themenwelten. „Alles Verrückte“ wie ein langjähriger Mitarbeiter begeistert anmerkt.
Die Doku vermittelt das Besondere dieses Arbeitsplatzes, an dem jeder die Freiheit hat, seine Kreativität auszuleben. In der Welt des durchkommerzialisierten Massentourismus wirkt das Miniatur Wunderland mit seiner leicht verschrobenen Individualität wie ein Relikt aus einer anderen Zeit. Dieser emotionale Film macht große Lust, sich darin zu verlieren.