Was von der Lichtgestalt des deutschen Fußballs bleibt
Was bleibt wohl am ehesten in Erinnerung von Franz Beckenbauer? Seine Eleganz als Spieler, seine mit behender Leichtigkeit erzielten Tore? Seine Medienpräsenz, die mit legendären Schlager Gesangsversuchen oder staksigen Werbespots Maßstäbe setzte und von seinem Manager Robert Schwan forciert wurde? Vielleicht ja auch seine schillernden Frauenbeziehungen, sicher seine Rolle als Macher der WM 2006 und bestimmt sein flapsiger Spruch zu Sklavenarbeitern auf Baustellen in Katar, der ihm nachhaltig geschadet hat.
Zahlreiche Gesprächspartner aus dem privaten Umfeld
Die Doku von Philipp Grüll und Christoph Nahr mit dem schlichten Titel „Beckenbauer“ versucht, alle Facetten dieses Menschen einzufangen. Das Ergebnis ist ein Nachruf, der eigentlich einer zu Lebzeiten sein sollte und deswegen nun einerseits unbeabsichtigt aktuell und andererseits an manchen Stellen schon überholt ist.
Der Film geht ein bisschen schleppend los, weil er natürlich nicht mit erwartbaren Elogen spart. Aber er verheimlicht auch nicht die Schattenseiten der letzten Jahre und die teils berechtigte, teils überzogene Kritik. Es kommen erstaunlich viele Menschen zu Wort, aus dem privatem Umfeld, wie seine Ex-Partnerinnen Sybille Beckenbauer und Diana Sandmann, sowie sein Bruder Walter.
Beckenbauer gab dem Begriff „deutsch“ die Leichtigkeit zurück
Was macht dieses Leben so interessant, dass es schon diverse Male in Filmen, Serien oder Dokus bearbeitet wurde? Unter anderem wohl, weil Beckenbauer eine Klammer bildete für verschiedene Zeit- und Mentalitätsschichten. Eine Figur, die der Nachriegsmalochergeneration neue Narrative hinzufügte: „deutsch“ reimte sich mit ihm plötzlich auf spielerisch, weltgewandt, tolerant, dabei immer ehrgeizig und manchmal sogar kulturbeflissen.
Überraschend kommen auch Politiker zu Wort wie Joschka Fischer oder Wolfgang Schäuble oder Kulturmenschen wie Harald Schmidt oder der Torwart der Autorennationalmannschaft Albert Ostermeier.
Aktuelles Interview war für die Doku nicht mehr möglich
Für ein aktuelles Interview stand der seit einer Weile an Alzheimer erkrankte Beckenbauer schon nicht mehr zur Verfügung. So bleibt von ihm vor allem das, was andere über ihn sagen: Lichtgestalt und Libero - vor allem aber, und das hat man so immerhin noch nicht so oft gehört, ein Spiegel unserer Erwartungen.
Der erfolgsverwöhnte Freigeist war jedenfalls nicht fehlerfrei. Ein „Kaiser“ zwar, der aber doch nicht über den Gesetzen und Gepflogenheiten des internationalen Fußballgeschäfts stand. Und der am Ende von einer öffentlichen Moral bestraft wurde, die schon fast beleidigt war, dass es sich bei „ihrer“ Lichtgestalt doch um einen Menschen handelte.