Tödliche Messerstecherei auf Säubrennerkirmes Wittlich

Nach Freispruch im US-Militärprozess: Hunderte Menschen demonstrieren in Spangdahlem

Nach der tödlichen Messerstecherei in Wittlich hat das US-Militärgericht den Angeklagten freigesprochen. Hunderte Menschen versammeln sich zur Stunde vor der Air Base Spangdahlem.

Trauer, Wut und Unverständnis - das hat Hunderte Menschen heute am frühen Abend vor die Tore der Air Base Spangdahlem in der Eifel geführt. Nach Angaben der Polizei waren bis zu 700 Menschen vor Ort. Gegen 20 Uhr hatten einige die Demonstration wieder verlassen.

Die Demonstranten fordern "Justice for Micha" - Gerechtigkeit für den 28-Jährigen, der vergangenes Jahr auf der Säubrennerkirmes in Wittlich erstochen wurde. Denn hinter dem Zaun des Luftwaffenstützpunktes liegt das US-Militärgericht, das den angeklagten amerikanischen Soldaten vor genau einer Woche freigesprochen hat. Die Strafverfolgung war gemäß einem Zusatzabkommen zum Nato-Truppenstatut von den deutschen Behörden an die US-Militärjustiz abgegeben. "Germany where are you?" (Deutschland wo bist du?), fragten die Veranstalter der Demonstration auf einem Flyer.

Da läuft ein Mörder frei rum.

"Ich kann über dieses Urteil nur den Kopf schütteln", sagt Katja Teusch, eine Freundin des Opfers. Sie hat die Demo organisiert. "Ich muss das so hart sagen: Da läuft ein Mörder frei rum."

"Wir wollen Zusammenhalt erreichen. Wir halten zusammen und wir werden immer eine Familie bleiben. Wir hoffen auf Gerechtigkeit. So etwas darf nie wieder passieren." Sie hofft, dass das Verfahren wieder aufgenommen werden könnte. "Ein bisschen Hoffnung ist da", sagt Katja Teusch.

Katja Teusch ist eine Freundin des Todesopfers. Sie hat die Demo organisiert.
Katja Teusch ist eine Freundin des Todesopfers. Sie hat die Demo organisiert.

Es ist ein Schock für die Angehörigen des Opfers: Denn der US-Soldat hatte nach Angaben der Staatsanwaltschaft Trier ein Geständnis abgelegt. Am Morgen nach der Tat hatte er der Wittlicher Polizei erzählt, dass er den 28-Jährigen erstochen habe. "Er hat allerdings behauptet, dies getan zu haben, um seinem Begleiter zu helfen, der vom Opfer angegriffen worden sei", sagte Peter Fritzen, der Leitende Trierer Oberstaatsanwalt. Die Deutschen Behörden gaben die Ermittlungen und das Verfahren später dann gemäß des NATO-Truppenstatus an das US-Militär ab.

Angehörige und Freunde des Todesopfers stellen am Rande der Demo Kerzen auf.
Angehörige und Freunde des Todesopfers stellen am Rande der Demo Kerzen auf.

Geständnis spielt im Prozess keine Rolle mehr

Im Prozess selbst wurde das Geständnis jedoch später nicht mehr berücksichtigt. Die US-Richterin lehnte das Geständnis "nach sorgfältiger Prüfung" als Beweis ab. Die US Air Base begründete das damit, dass "die Aussage des Angeklagten bei der Polizei nicht freiwillig war." Als er nach der Tat zur Wittlicher Polizei gebracht wurde, sei der US-Soldat über eine längere Zeitspanne in Gewahrsam gewesen, teilte ein Sprecher des Flugplatzes mit. Er habe sich bei dem Verhör "bedroht" gefühlt, auch über Nacht im Arrest bleiben zu müssen, wenn er nicht mit den Beamten redet.

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Laut Staatsanwaltschaft Trier ist der junge Mann sowohl von deutschen als auch von US-amerikanischen Polizisten über seine Rechte belehrt worden. Es sei hierbei aber auch zu einer Verwirrung gekommen, heißt es beim Flugplatz Spangdahlem. Letztlich hatte der Soldat auch auf einen Anwalt verzichtet. Später waren die deutschen Behörden dann nicht mehr an dem Verfahren beteiligt.

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Während des Prozesses beschuldigte der Anwalt des angeklagten US-Soldaten einen befreundeten Soldaten, mit dem dieser auf der Kirmes war. Wohl weil zu wenige Beweise vorlagen, sprachen die Geschworenen den Angeklagten schließlich frei. Denn abgesehen von Blutspritzern auf den Schuhen des Soldaten und widersprüchlicher Aussagen verschiedener Zeugen, konnte die Staatsanwaltschaft nichts vorbringen.

Für Familie des Opfers bleiben viele Fragen offen

Der Freispruch des US-Soldaten hat die Familie des 28-jährigen Opfers schwer getroffen. Denn es gibt jetzt niemanden, der die Schuld für den Tod ihres Sohnes übernimmt. Deshalb sind auch sie bei der Demonstration vor dem Flugplatz dabei.

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Wichtig ist ihnen dabei, dass friedlich protestiert wird und die Veranstaltung nicht vereinnahmt wird: "Ich freue mich, wenn Menschen sich die Zeit nehmen, uns zu unterstützen. Aber wir sind nicht aggressiv, wir wollen alle zusammen, alle Parteien, alle Nationalitäten, alle Religionen, für die Gerechtigkeit kämpfen."

"Weißer Ring" bietet Familie Unterstützung an

Bei diesem Kampf könnte die Organisation "Weißer Ring" unterstützen, die Betroffenen und Hinterbliebenen nach Straftaten beisteht. Auch die stellvertretende Landesvorsitzende Gabi Jahnen war "irritiert" von dem Urteil und dem Verfahren auf dem Flugplatz Spangdahlem: "Die Familie durfte nicht als Nebenkläger auftreten, sie hatten anfangs keinen Dolmetscher gestellt bekommen und dann dieses Urteil - das finde ich befremdlich."

Die Familie könne auf die Hilfe des Weißen Ringes bauen, sagt Jahnen: "Wenn die Familie sich an uns wendet, helfen wir natürlich." Die Organisation bietet auch rechtliche Beratung an und hilft bei der Suche nach Fach-Anwälten, zum Beispiel für US-Recht.

1.000 Menschen zur Demonstration erwartet

In den sozialen Netzwerken war mehrfach zu der Demonstration aufgerufen worden. Wie der Eifelkreis Bitburg-Prüm auf SWR-Anfrage mitteilte, werden 1.000 Menschen zu der Demonstration erwartet. Diese hatte um 18 Uhr mit einem Aufzug über die sogenannte "Overflow-Road", die parallel zur Landesstraße 46 verläuft und zum Flugplatz führt, begonnen. Die Demonstranten zogen zum Besucherparkplatz neben dem Haupttor der Airbase Spangdahlem. Dort haben sich auch am Abend noch Menschen versammelt.

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