Michael Ovsjannikov macht gerade eine schwere Zeit durch. Vor fast genau einem Jahr ist sein ältester Sohn auf der Wittlicher Säubrennerkirmes getötet worden. "Das war natürlich schrecklich für uns alle", sagt Ovsjannikov. Und seitdem fragt sich der Vater, was in jener Nacht passiert ist.
Von dem Prozess, der diese Woche vor dem US-Militägericht auf dem Flugplatz Spangdahlem begonnen hat, hatte er sich Antworten auf seine offenen Fragen versprochen. Doch viel haben er und seine Frau vom ersten Verhandlungstag nicht mitbekommen: "Wir können den ganzen Prozess nicht verfolgen. Wir können überhaupt nicht verstehen, worum es geht, da wir keine englische Sprache beherrschen. Das macht uns natürlich sehr, sehr nervös."
Das Problem ist: Es wird nur auf Englisch verhandelt. Und das US-Militär hat keinen Dolmetscher für die Verhandlung zugelassen. Auch ein Übersetzungsgerät darf die Familie nicht verwenden. Und anders als bei einem deutschen Gerichtsverfahren dürfen die Ovsjannikovs auch nicht als Nebenkläger in der Verhandlung auftreten, sondern nur beobachten, was vor sich geht: "Wir sind eigentlich nicht mehr als Zuschauer."
Tödliche Messerstiche: Genaue Tatumstände unklar
Die Gewalttat, um die es geht, spielte sich auf der Säubrennerkirmes in Wittlich ab - einem Volksfest, das jährlich von rund 100.000 Menschen besucht wird. Ein US-Soldat der US-Air Base Spangdahlem soll in der Nacht zum 19. August 2023 einen 28-jährigen Mann erstochen haben.
Wie genau es zu den tödlichen Messerstichen gekommen ist, ist unklar. Die Säubrennerkirmes war zu der späten Uhrzeit nach dem ersten Festtag schon geschlossen. Es habe einen Streit gegeben und dann ein Gerangel, so die Polizei. Laut Polizeibericht waren zwei US-Soldaten beteiligt. Sie wurden kurz nach der tödlichen Messerattacke festgenommen und den US-Behörden in Spangdahlem übergeben.
Einer der beiden wurde inzwischen wegen seiner Beteiligung an dem Streit außergerichtlich bestraft, teilte die Pressesprecherin der US-Air Base auf SWR-Anfrage mit. Details zur Art der Strafe wurden jedoch nicht genannt.
US-Soldat angeklagt Tötung auf Säubrennerkirmes: Die wichtigsten Fragen zum Militärprozess
In Spangdahlem muss sich ab Montag ein US-Soldat vor dem Militärgericht verantworten. Er soll auf der Säubrennerkirmes einen Mann erstochen haben. Wie verläuft ein solcher Prozess?
Angeklagter plädiert auf unschuldig
Vor Gericht steht jetzt der US-Soldat, der mit dem Messer zugestochen haben soll. Die Tatwaffe wurde später in der Lieser gefunden. Aufgrund der Regelung durch das NATO-Truppenstatut findet der Prozess gegen den Mann nicht vor einem deutschen Zivilgericht, sondern vor einem amerikanischen Militärgericht auf dem Luftwaffenstützpunkt Spangdahlem statt.
Der Angeklagte plädierte am ersten Prozesstag auf unschuldig. Wie er seine Unschuld begründen will, ist noch unklar. Möglich ist, dass der amerikanische Soldat argumentieren wird, dass er den 28-Jährigen bei dem Streit in Notwehr erstochen hat.
Jury entscheidet
Zuvor hatte der Angeklagte entschieden, dass eine Jury darüber urteilen soll, ob er schuldig oder unschuldig ist. Die acht Geschworenen, die darüber entscheiden sollen, sind Offiziere und Militärangehörige von niedrigerem Rang, keiner von ihnen ist in Spangdahlem stationiert.
Darüber hinaus hat das Gericht darüber entschieden, welche Beweise zugelassen werden: Darunter sind die mutmaßliche Tatwaffe, ein Messer, DNA-Proben, Foto- und Videoaufnahmen. Erste Zeugen sollen erst an den weiteren Verhandlungstagen gehört werden.
Bürgermeister erwartet "faires Verfahren"
Für die Stadt Wittlich beobachtet Stadtbürgermeister Joachim Rodenkirch (CDU) den Prozess vor Ort. Er erwarte ein faires Verfahren, sagte er dem SWR: "Ich habe keinen Zweifel daran, dass es hier gerecht zugeht." Vor allem mit Blick auf die Familie des Opfers hoffe er auf ein gerechtes Urteil - auch wenn es das Leben nicht zurückbringe.
Dem Angeklagten, der den drittniedrigsten Dienstgrad der US-Luftwaffe hat, wird unter anderem "murder with intent to kill or inflict great bodily harm" vorgeworfen. Laut einer Sprecherin der Air Base ist der englische Begriff "murder" aber nicht mit dem deutschen Straftatbestand "Mord" gleichzusetzen, sondern kann verschiedene Tötungstatbestände umfassen.
Laut der Übersetzung der US-Air Base ist der Mann wegen Tötung (eines Menschen) mit der Absicht zu töten oder großen körperlichen Schaden zuzufügen, angeklagt. Außerdem werden ihm schwerer Angriff und Behinderung der Justiz vorgeworfen.
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Härtere Strafe nach US-Recht?
Bei einer Verurteilung drohen dem angeklagten US-Soldaten eine unehrenhafte Entlassung aus der Armee und eine lange Haftstrafe. Ein Jurist, der sich mit amerikanischem Recht auskennt, sagte dem SWR, dass der Angeklagte womöglich nach US-Recht härter und mit einer längeren Zeit im Gefängnis bestraft wird, als es nach deutschem Recht der Fall gewesen wäre.
Das bestätigte auch der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin (FDP). Er habe Vertrauen in das amerikanische Rechtssystem, sagte der Politiker dem SWR. Nur in einem Fall würde die deutsche Justiz einschreiten: "Es ist für uns immer ein Problem, wenn die Todesstrafe droht. Dann muss man mit den amerikanischen Behörden verhandeln."
Plädoyers für Mittwoch erwartet
Erstmal werden jetzt die Verteidiger und die Staatsanwaltschaft ihre Versionen der Tatnacht darlegen. Diese Plädoyers werden am Mittwoch gehalten. Michael Ovsjannikov hofft dann, dass er wenigstens ein paar Worte versteht.
Der Militärprozess auf der Air Base Spangdahlem ist nur für Menschen, die Zugang zur Base haben, öffentlich. Der Prozess soll bis zum 11. Oktober dauern. Nach Angaben einer Sprecherin des US-Luftwaffenstützpunktes wird durchgängig verhandelt, also auch am 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit.