Dorothée Albers erzählt in ihrem Debüt-Roman „Nachhall einer kurzen Geschichte“ die Geschichte einer niederländischen Musikerfamilie über drei Generationen hinweg.
Natürlich ist es ein Musikstück, über das sich die junge Pianistin Jet Hamelink und der Cellist Zev Mijling kennen lernen. Sie stammt aus streng katholischem Elternhaus, er aus einer jüdischen Familie im Den Haag der 1950-er Jahre. Immer wieder müssen neue Ausreden herhalten, damit sich Jet von den Fittichen ihres erzkonservativen Vaters entfernen darf. Zev eröffnet ihr nach und nach eine Freiheit, die sie bisher nicht gekannt hatte. Schließlich wird sie von ihm schwanger.
Doch ihre Eltern durchkreuzen die Beziehung, stecken ihre Tochter ins Kloster. Dort wird ihr nach der Geburt das Baby sofort abgenommen, es wächst bei Pflegeeltern auf. Trotz dieses Traumas bemüht sich Jet ein normales Leben zu führen: Sie heiratet einen Geschäftsmann, wird Konzertpianistin, versucht ihre Erlebnisse aus dem Kloster zu vergessen. Sie flüchtet sich in die Musik. Doch ihre Vergangenheit holt sie immer wieder ein.
Im ersten Teil ihres Romans erzählt Autorin Dorothée Albers die Geschichte Jets in Form kurzer Szenen. Ihre Sprache ist schlicht, präzise, angenehm zu lesen. Der zweite Teil ihres Buches - man ahnt es schon - thematisiert dann das Schicksal von Jurre, Jets unbekanntem Kind. Aus ihm ist ein leidenschaftlicher Saxofonist mit Selbstzweifeln geworden. Seine leibliche Mutter wird er nie persönlich kennen lernen. Er forscht ihr zwar nach, doch sie begegnen sich nie persönlich; nur indirekt bei einer Generalprobe vor einem Konzert mit Jurres Band und der Pianistin Edith.'
Dorothée Albers Buch handelt von der Musik als Sprache, als Mittel um das auszudrücken, wofür Worte entweder fehlen oder nicht offen ausgesprochen werden daürfen. Es handelt aber auch von der Sprachlosigkeit zwischen den Generationen, von der Musik als unsichtbares Bindeglied zwischen den verschiedenen Protagonistinnen und Protagonisten einer Musikerfamilie, die ihre Wurzeln in der verbotenen Beziehung zwischen Jet und Zev haben.
Der dritte Teil bringt den Leser nun von den 1970-er Jahren in das 21. Jahrhundert und erzählt von Jurres Tochter, der jungen Cellistin Fine. Auch sie möchte von ihrem Vater wissen, wer eigentlich ihre wahren Großeltern sind. Doch statt einer Antwort erhält sie nur beklemmendes Schweigen. Eher zufällig entdeckt die Tochter in der Plattensammlung ihres Vaters eine besonderes Stück: Robert Schumanns "Kinderszenen" in einer Bearbeitung für Klavier und Streichquartett.
Dorothée Albers Debüt-Roman "Nachhall einer kurzen Geschichte" ist ein höchst lesenswertes Buch, bei dem die Musik die erste Geige spielt. Sehr anschaulich schildert die Autorin, welche psychischen, aber auch körperlichen Regungen sie hervorbringen kann, wie sie einerseits heilen und gleichzeitig aber auch alte Wunden mit einem Ton wieder aufreißen kann.
Gerade aktive Musikerinnen und Musiker werden in diesem Buch des Verlages Karl Rauch viele dieser starken Gefühlen wiederfinden, die sie vielleicht schon einmal selbst beim Musizieren empfunden haben. Aber auch für alle anderen ist dieses sorgfältig komponierte und mit viel Leidenschaft geschriebene Buch für 22 Euro wärmsten zu empfehlen!