Die ehemalige Tagesthemen-Moderatorin Caren Miosga übernimmt einen prestigeträchtigen Talk-Platz von ihrer berühmten Vorgängerin Anne Will: Caren Miosga hatte am Sonntagabend also ganz schön große Schuhe zu füllen mit ihrer neuen politischen Talkshow. Neu erfunden hat sie das Format allerdings nicht.
Das Studio sieht schon mal anders aus
Also das Studio sieht schon mal anders aus: eher grau-blau als beige wie bei Anne Will. Und die Gäste sitzen um einen irgendwie weder eckigen noch runden Tisch statt auf weichen Sesseln. Vielleicht zuerst kurz die Fakten: Erst spricht Miosga etwa eine halbe Stunde allein mit Friedrich Merz über DAS Thema der Woche: die Demonstrationen von mehreren Hunderttausend Menschen gegen Rechtsextremismus und für die Demokratie. Dann geht es rasant über das neue Grundsatzprogramm der CDU zur Kanzler-Frage. An der Stelle sei schon einmal verraten: Merz verrät nichts.
Anne Hähnig und Armin Nassehi wirken zunächst wie Stichwortgeber
Dann mäandert die Sendung mit zwei weiteren Gästen am Thema CDU und AfD entlang. Der Soziologe Armin Nassehi und die Journalistin Anne Hähnig von der Zeit wirken vor allem am Anfang wie Stichwortgeber für Merz und die Moderatorin. Was schade ist, denn gerade Nassehi hat etwas beizutragen zur Frage, wie der AfD politisch beizukommen wäre.
Merz schweigt zu Fragen nach seinen sich rechts anbiedernden Statements
Auf Nassehis Einwand, dass durch die aktuelle Zuspitzung auf das Thema Migration die anderen Parteien das „Spiel der AfD so ein bisschen mitspielen“, kommt vom CDU-Parteichef nicht allzu viel. Angesprochen auf seine sich mindestens rechts anbiedernden Statements aus der jüngeren Vergangenheit auch nicht.
Und auch nicht auf die – sehr konkrete – Frage danach, wie die CDU denn mit den komplizierten Mehrheitsverhältnissen in Thüringen umgehen will, wo wegen des speziellen Wahlverfahrens am Ende der Rechtsextremist Björn Höcke Ministerpräsident werden könnte.
Kein großer Unterschied zu den Vorgänger-Formaten
Ein Austausch, der nur zu bestätigen scheint, was vorab über den fehlenden Sinn und Zweck von politischen Talkshows zu lesen war. Ob dieses Format nicht längst ausgedient habe, angesichts erwartbarer Positionen der immer gleichen Gäste, wurde gefragt.
Diese Grundsatzfragen stellen sich gar nicht, dafür war der Unterschied zur Konkurrenz oder den Vorgängern schlicht zu klein. Mit einer Ausnahme vielleicht: Friedrich Merz, und das hat man wirklich noch nicht oft gesehen, lacht bei Caren Miosga.
Miosga schafft es, zwischen bierernst und heiter zu wechseln
Denn das schafft Miosga ziemlich gut: Sie wechselt unvermittelt zwischen bierernst und heiter, macht ohne Vorwarnung eine Kehrtwende und lockt etwas hervor, was man vielleicht einen Funken Authentizität nennen könnte.
Und am Ende menschelt es dann sogar nett, als Miosga – inklusive kleinem Versprecher – an den ehemaligen Kollegen Zamperoni von den Tagesthemen übergibt.
Gespräch Kritik an Miosga-Talkshow: Live-Format ungeeignet für Auseinandersetzung mit AfD
Caren Miosga möchte auch die AfD in ihre Talkshow einladen. Fördert das die Auseinandersetzung mit der Partei? Elena Kountidou von den „Neuen Deutschen Medienmacher*innen“ widerspricht.
Diskussion lllner, Lanz, Miosga – Brauchen wir noch Talkshows?"
Anne Will geht, Caren Miosga kommt, das Ritual bleibt: nach dem Tatort wird im Ersten getalkt. Am Sonntag wird die neue Gastgeberin zum ersten Mal durch ihre Sendung führen – kein einfacher Start. Ein Superwahljahr steht bevor, die Republik ist nervös und die Kritik an den politischen Talkshows bei ARD und ZDF massiv: zu eintönig, zu krawallig, zu wenig Tiefgang. Die Einschaltquoten von Illner, Lanz und Co. gingen zuletzt deutlich zurück. „In Zeiten wie diesen brauchen wir die politische Talkshow“, ist die Moderatorin Miosga überzeugt. Aber ist das so? Ist das öffentliche Streiten im Fernsehen noch zeitgemäß? Und wie lässt sich die Talkshow retten?
Michael Risel diskutiert mit
Prof. Dr. Norbert Bolz, Medientheoretiker, Berlin
Dr. Romy Jaster, Philosophin, Humboldt-Universität zu Berlin
Prof. Dr. Tanjev Schultz, Medienwissenschaftler, Journalist und Publizist, Universität Mainz
Kritik Oliver Weber - Talkshows hassen. Ein letztes Krisengespräch
Talkshows sind ständige mediale Krisengipfel, die sich als Beitrag zur Diskurs-Kultur in der Demokratie längst totgelaufen haben - so geißelt Oliver Weber in seinem klugen Essay "Talkshows hassen" eines der wichtigsten Formate im deutschen Fernsehen. Rezension von Rainer Volk. Tropen Verlag ISBN 978-3-608-50424-8 12 Euro